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ri7 Als wenn zu diesen geheimnißvollen Worten sofort eine Nähere Erklärung folgen sollte, ließ sich in diesem Augenblick der leise, weinerliche Lon einer zarten Kinderstimme vernehmen und die Frau stand auf, um an eine Wiege zu treten, die bisher nicht in die Augen gefallen war, weil sie ziemlich im Hinter gründe des Zimmers stand. Der junge Mann folgte unmittelbar seiner Amme und während diese behutsam die Borhänge zurückschlug, die da- kleine Wesen verbargen, blickte er mit verschränkten Armen und mit einem Gesicht, welches Freude und Glückseligkeit ausdrückte, auf das schlummernde Kind. „Sehen Sie nur, wie hold der kleine Engel lächelt," sagte Babette — „die Aeugelein unserer Leontine sind schon wieder geschlossen und man sollte fast meinen, sie hätte dieselben nur für einen Augenblick geöffnet, um durch ihren leisen Schrei den Vater willkommen zu heißen." — „Babette," sagte der junge Mann, noch immer mit dem Ausdruck der innigsten Zärtlichkeit das schlummernde Kind be ttachtend, „bist Du nicht auch der Meinung, daß Eugvnie bei dem Anblick dieses süßen Pfandes unserer Liebe das Herz auf gehen muß und daß die Muttergefühte ihr den Muth geben werden, durch ein aufrichtiges Bekenntniß die Verzeihung ihres Vaters für einen Fehltritt zu erflehen, welcher mir schon so viele Reue, so großen Schmerz, so unendlichen Kummer verursacht hat." — „Ich will Ihre Hoffnungen nicht niederschlagen," entgegnete die Frau, „aber ..." „Was denn, Amme?" — „Nun, man muß den Lhatsachen stet- Rechnung tragen und darf sich nicht blos von seinem guten Herzen und von dem noch unverdorbenen Glauben an die Menschen leiten lassen. Mademoiselle Eugenie ..." ' „Wie, Du willst doch nicht Eugenie anklagen?" — „Ich will sie nicht anklag^n, aber Sie müssen doch zuge ben, daß es auffallend erscheint, daß dieselbe seit jener Nacht, wo ich die kleine Leontine im Landhause aus deren Armen empfing, nicht ein einziges Mal nach ihrem Kinde gefragt hat. Eine Mutters die so handeln kann, ist entweder lm höchsten Grade leichtsinnig, oder sie ist hart und empfindungslos wie ein Stein." „Du urtheilst zu schnell, Babette", entgegnete entschuldigend der junge Mann, „und wenn sie kommt, wirst Du sehen, daß Du'Dich geirrt hast und dann wirst Du ihr Lm Stillen Ab bitte thun. Bedenke, welche Rücksichten Eugenie nehmen muß. Sie, die Tochter eines Millionärs, das Kmd eines der ersten Bankiers der Hauptstadt, muß sie nicht befürchten, daß ein un vorsichtiger Schritt zu Entdeckungen führen könnte, welche viel leicht dre traurigsten Folgen haben und unsere Pläne für die Zukunft vernichten würden." — „Euere Pläne für die Zukunft?" antwortete kopfschüttelnd die zftau, „wann hat denn Eugenie solche Pläne mit Ihnen entworfen? Wochen sind verflossen, seitdem sie vom Lande nach der Stadt zurückkehrte und wurde seitdem von ihr nur ein ein zige- Mal daS Bedürfniß gefühlt, Sie wiederzusehen?" — „Das ist wahr," entgegnete Arthur Gervais, indem er den Kopf finken ließ, „selbst meine zärtlichen Briefe blieben unbe antwortet. Aber dennoch kann ich nicht glauben, daß fie in so kurzer Zeit ihren Gefühlen untreu geworden ist. Die Furcht wird sie bisher abgehalten haben, nm die erbetene Zusammen kunft zu bewilligen." — „Die Furcht?" rief Babette achselzuckend. „Oh, gehen Sie doch, eine Frau, welche wahrhaft liebt, kennt keine Furcht! Und noch dazu m diesem großen Paris und bei den Mitteln, welche einer so reichen Dame wie Mademoiselle Eugenie zu Gebote stehen ... Ist sie nicht unbeschränkte Herrin ihres Willen- . kann fie sich nicht zu jeder Stunde aus dem Hause begeben, ohne daß Jemand fragt, wohin sie geht? Soll ich Ihnen Et wa- sagen, Arthur." — * „Was denn?" — „S- ist mir schon auffallend gewesen, daß Eugenie so hart näckig darauf bestand, daß Sie nicht mehr in das Haus ihre- Nater- zurückkehren sollten. Sie wissen doch, da- Sie auf! Mademoiselle Maillard- Veranlassung aus dem BankiergeschLst auSttaten, wo Sie als zweiter Buchhalter eine schöne Stellung hatten." einer Entdeckung, entziehen wollen?" — von Herzen, daß ich mich nicht täusche," ent- 4^4/ 4444^4/ 44tV^4 44444s44/4, ^414" gegnete Babette, „aber wenn ich erwäge, welchen Blick mir Mademoiselle zuwarf, als ich derselben Ihren letzten Brief ein händigte ..." „Bedenke nur, daß es in dem Augenblicke geschah, wo sie sie also von der Diener ¬ deres, was mich erschreckte. An eine geringschätzende Behand lung sind wir armen Leute, den Reichen und Vornehmen gegen über, schon gewöhnt, aber der Blick, welcher mich dabei auS den Augen des jungen Mädchens traf, dieser Bück mit seinem durchbohrenden Hohn drang wie ein scharfer Stahl in mein Herz und doch glitzerte und flammte es auch wieder in ihren schwarzen Augen so unheimlich, daß es mir siedendheiß über den „Nun, kann denn der Grund hierfür nicht gerade in Eu geniens Liebe zu mir liegen," antwortete der junge Mann noch immer im entschuldigenden Tone, „hat fie nicht vielleicht gerade dadurch mich den ersten ZornesauSbrüchen ihres Vaters, im Fall verdenken, wenn ich zuletzt auf die Vermuthung käme, Du wolltest Zwietracht zwischen mir und Eug-nie stiften. Geh' Amme, geh', Du hast Dich getäuscht und Dern sonst so gesundes Urtheil hat Dich diesmal^uS einem mir unbekannten Grunde gänzlich irre geführt." — Die Alte schüttelte ungläubig den Kopf. „Habe ich mich getäuscht, desto besser," sagte fie, „gern will ich dann der Ma demoiselle das Unrecht, welches ich rhr gethan, in meinem Her zen abbitten. Uebrigens zeigt die Uhr bereits stark auf zehn und ich denke, eine Mutter, welche das Verlangen fühlt, ihr Kind an's Herz zu drücken und ihren Geliebten zu umarmen, würde sich beeilen, pünktlich zu sein." „Horch!" rief Arthur plötzlich und trat an s Fenster, „Du sollst das "nicht umsonst gesagt haben, denn soeben höre ich daS Rollen eine- Wagens! Ja, ja, er hält vor dem Hause — eine Dame steigt auS — geschwind Babette, leuchte, e- ist Eugenie, sie hat pünktlich Wort gehalten!" Bevor die Frau jedoch noch die Lampe ergreifen konnte, öffnete sich bereits die Thüre und ein junges Mädchen, vom Kopf bis zum Fuß in schwere schwarze Seide gehüllt, überschritt schweigend die Schwelle und trat bis in die Mitte des kleinen Zimmer-. Dort schlug es die Kapuze, welche theilweise sein Gesicht verhüllte, zurück und warf einen stolzen herausfordernden Blick auf die zwei Personen, die ihm gegenüber standen. (Fortsetzung folgt.) in den Wagen steigen wollte und wo sie also von der Diener schaft umgeben war. Antworte selbst, gebot es ihr da nicht die Nothwendlgkeit, sich kalt und zurückhaltend zu benehmen?" — „Nein, nein," antwortete die Amme, „es war etwas An- Körper lief." „Wüßte ich nicht, wie treu und gut Du es mit mir meinst," rief Arthur jetzt lachend, „so könntest Du es mir wirklich nicht Arbeit und Politik. Es giebt gewisse Jrrthümer und Phrasen, die einer anstecken den Krankheit gleich, grassiren und ihre Opfer fordern, trotz aller Aerzte und Wissenschaft. Ein solcher Jrrthum, eine solche Phrase, verderblich und unheildrohend wie nicht leicht eine zweite, ist der Lockruf, welcher den Arbeitern daS Buch der Bildung entreißen und daS Schwert der Revolution aufzwingen möchte, welcher, um es kurz herauszusagen, den Stand, der leider so ost schon das Kanonenfutter für mißglückte Erhebungen abgegeben, von Neuem den herrschsüchtigen Gelüsten einiger Demagogen preisgeben möchte. Schon früher haben diese Blätter, und wir meinen mit vollem Recht, aus daS Unzutreffende, ja geradezu Verletzende hingewiesen, da- in der Bezeichnung deS Arbeiterstandes al- eines gesonderten Stande- liegt. Arbeiter sind wir Alle, ob wir nun vorzugsweise mit der Hand oder dem Hirn thätig sind und neue Werthe schaffen. Arbeiter ist der Arzt, der seine Kranken besucht und beräth, nicht minder, al- der Schmied und der Schlosser. Der Fabrrkherr, der da- Ganze leitet, der Kaufmann, der An gebot und Nachfrage vermittelt, fie arbeiten wahrlich nicht weniges