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Der Rubel rollt . . . Industrie- und Wirtschafts spionage Der Abgeordnete deS ProvinzlallandtageS und BetrieSratSvorsttzende der Höchster Farbwerke, Wilhelm Dtestbach, ist, wie be richtet, wegen Industrie-Spionage zugunsten der Sowjetunion verhaftet worden. Ferner wurden eine ganze Anzahl Arbeiter und Angestellte der I. G.-Karbenindustrie in Haft genommen, da der Verdacht besteht, daß sie Diestbach bet feiner gefährlichen Arbeit unterstützt haben. In Zetten wirtschaftlicher Not spielt sich der Konkurrenzkampf zwischen den einzelnen Firmen der verschiedenen Branchen, aber auch -er wirt schaftliche Konkurrenzkampf der Staaten unter einander in besonders brutalen Formen ab. Jedes Mittel, -er Konkurrenz" (ob diese nun eine Firma oder ein Staat ist) Lie Käufer und Kunden abzujagen, ist in diesem Kampf gut und wtrd angewandt auch dann, wenn Lie Methoden die Paragraphen des Strafgesetzbuches sehr hart streifen oder internationalen Abmachungen direkt zuwiderlaufen. Zu diesen Methoden deS „unfairen" Wirt schaftskampfes — die von jedem ehrbaren Kauf- mann und Staatsmann scharf verurteilt werden — gehört in erster Linie die Werk- und Indu striespionage, ter Versuch, die Fabrikation-», Produktions» und Absatzgeheimniste des wirtschaftlichen Gegners keuueuzulerneu. . Eine ganze Armee von „gelernten und un- gelernten" Werkspionen ist heute in aller Welt tätig — und selbstverständlich auch in deutschen Unternehmungen, die ja die Not der Zeit, die Geldknappheit und die hohe steuerliche Belastung in erster Linie zwingt, die Herstellungsverfahren durch immer neue Erfindungen zu verbes sern und zu v e r b i l l t g e n. Alles interessiert den Konkurrenten im Jn- und AuSlande: der Fabrikationsvorgang (um ihn im eigenen Werk oder im eigenen Lande selbst einzuführen), neue, patentamtltch geschützte Herstellungsverfahren (um sie skrupellos zu plagiieren), die Namen der Rohstofflieferanten und die Listen der Abnehmer (um mit diesen eventuell durch Dumpingpreise inS Geschäft zu kommen). Ueber die kleine „Spionage" im Jnlande selbst, die sich auSLrückt im „Wegengagieren" besonders tüchtiger oder in Gehetmverfahreu eingeweihter Angestellter, in Bestechung und Korruption, braucht nicht erst gesprochen zu wer den. Sie ist — leider — weit verbreiteter als selbst der Eingeweihte annehmen möchte (allein tn Berlin sind im Jahre 1S30 etwa 1100 Fälle innerdeutscher Wirtschaftsspionage ansgedeckt worden). Für die Gesamtwirtschaft eines Staa- teS un- für das Volksvermögen spielen sie eine untergeordnete Rolle. Weit gefährlicher in ihren Auswirkungen ist dagegen Lie Wirtschafts spionage deS Auslandes, Lie ja darauf abzielt, deutschen Werken unter allen Umstanden Aufträge zu entziehen, sie nieder» zudämpse» bis zur Stillegung und damit Tausende vou deutschen Arbeiter» brotlos zu mache». Bei der vom Ausland ausgehenden Jndustrie- und Wirtschaftsspionage (gleich, ob sie im Auf- trage des Staates oder einzelner Jndustrie- gruppen auSgeführt wird) handelt eS sich fast immer um ungeheure Objekte. Die Mittel, mit denen der Auslands-Werkspion arbeiten kann, sind also dementsprechend groß, was wiederum die Aufdeckung der einzelnen Fälle natürlich außerordentlich erschwert. Führende devtsche Wirtschaftler schätzen den Schaden, der Jahr für Jahr dem deutschen Volke durch Betriebs » Spionage aus dem Ausland entsteht, auf 80V bis 1VVV Millionen, wobei aber die dem Reich durch Vermehrung -er Arbeitslosigkeit und den Ausfall der Lohnsteuern entstehenden Verluste noch nicht eingerechnet sind! Es ist außerordentlich schwer, einwandfrei festzustellen, wie stark eigentlich die Arbeit aus ländischer Wirtschaftsspione — zumeist Techniker mit großer praktischer Erfahrung — eigentlich ist. Einen Anhalt aber gibt die außerordentlich bemerkenswerte Tatsache, daß in einem einzigen deutschen Großunternehmen im Westen tn den Jahren 1926 bis 1930 nicht weniger als 180 Fälle schweren Jndnstrieverrcts ausgedeckt wurden! Nach den Angaben der Werkslcitung aber über steigt die Zahl der unbewcesen gebliebenen Fälle diese Summe noch um ein Vielfaches. Den aus diese Weise angerichteten Schaden — den gleichermaßen dasganze deutsche Volk und das betroffene Unternehmen tragen muß — kann man annähernd errechnen, wenn man erfährt, daß durch einen einzigen Werkspion ei» Auf» tragsausfall im Werte von 4,2 Millionen Dollars verursacht wurde!! Besonders beliebte Objekte der Industrie spionage sind seit Jahren schon die großen deut schen Färb- und chemischen Werke, die Werk stätten der Tonfilmtndustrie und Lie Labora- torien der Radio- und Fernsehgerät-Hersteller. Hier wird mit einer unerhörten, einer besseren Sache würdigen Erbitterung im Dunkeln ge- kämpft, ohne daß die Oefsentltchkeit viel davon erfährt. Hier wird mit Bestechung, mit Ein- bruch und Ueberfall gearbeitet wenn die Tätigkeit eines Werkspions auch nur verzweifelt wenig Aehnltchkeit hat mit dem, was Kriminal- filme und Detektivromane dem erschauernden Leser vorführen . . . So notwendig eine einheitliche Abwehr -er AuslandS-Jndustriespionage auch sein mag, eS muß doch leider feftgestellt werde«, daß eS eine Abwchrorgauisation in DeutschlasL »och nicht gibt (im Gegensatz zu den U. S. A., wo die großen Jndustrieorgantsationcn seit langem schon Spionageabwehr - Büros unterhalten). Zwar haben Lie I. G. Farbwerke tn Leverkusen eine großzügige — und außerordentlich kostspielige — Abwehrorgantsatiou unter Leitung eines ehe maligen Kriminalbeamten aufgezogen, aber andere, für die deutsche Volkswirtschaft ebenso wichtige Werke sind diesem Beispiel bisher noch nicht gefolgt (mit Ausnahme zweier großer Ber liner Unternehmen, die zurzeit versuchen, ihre Betriebswachen entsprechend ausznbauen). Dabei ist eS außerordentlich bedauerlich, daß die Industrie nicht selbst endlich die Sache in die Hand nimmt, denn die Arbeit der zuständigen Kriminalbeamten wird ungeheuer erschwert dadurch, daß alle inS Ausland hinüberspielenden Fälle von Werk» und Industriespionage über das Aus» wärtige Amt bzw. die Abteilung l des Berliner Polizeipräsidiums laufen müssen. Man will auf diese Weise vermeiden, daß durch übergroße Aengstlichkeit und haltlose Denun- ziationen wertvolle wirtschaftliche und politische Beziehungen zu befreundeten Staaten gestört werden wobei allerdings die Frage offen bleibt, was wichtiger ist: irgendwelche persön- lichen Freundschaften oder der nachträgliche Schutz deS an sich schon auf ein Minimum zu sammengeschmolzenen Volksvermögens. Die oben wtedergegebenen — geschätzten — Zahlen über den durch die AuSlandS- Wirtschaftssptonage angerichteten Schaden sollten aber Loch die zuständigen Stellen endlich veran lassen, mit größter Beschleunigung einen beson deren und besonders zuverlässigen Abwehrdicnst gemeinsam mit der Polizei aufzustellen. Denn es geht auf die Dauer nicht an, daß Lem deutschen Volk Jahr sür Jahr Hunderte »on Millionen Mark verloren gehen und Tau» senden von deutsche« Arbeitern ihr Brot ge nommen wird nur durch die Tätigkeit der Agenten ««Sländischer Jndustriegruppen! » * Snöustete, anbei, Verkehr * » Die Dresdner Börse hatte gestern eine un- sicbmce Tendenz. Bei kleinerem Geschäft gab es au^ allen Märkten Verschiebungen nach oben und unten in ungefähr gleicher Anzahl. Im einzelnen lagen fester Dresdner Albumin-Aktien 4^o, dergleichen Genußscheine Verewigte Photo 2A>, dergleichen Genußscheine 14A>, Zeiß- Ikon 2?4 A>, Thode-Stammaktien 2A>. Bei den Aversen Industrie-Aktien hatten Gebr. Hörmann ^>A>, Lingner-Werke 45i> und Polyphon 2!4?r> Ge winne. Elektro-Werke und Fahrrad-Aktien ver kehrten uneinheitlich: hier verloren Bergmann 4^,, Landkraftwerke Kulkwitz und Herkules je 2N>, degegcn besserten sich Elektrizitäts- und Bahnanlagen um 2^4 5L und Wanderer um Bei den Maschinen-Aktien hatten Schubert L Salzer einen Gewinn von 2A>. Bei den BrauereiMktien mußten Radeberger Export 1^A> he^geben. Dresdner Produktenbörse vom 20 April Weizen, Eff.-Geiv. 75 Kg 297—302, Roqgen, Eff.-Gewicht 72 Kg 200.00 — 205,00, Futtergersle 214 00-229,00, Sommergerste sächsische, 236/0—253,00. Wintergerste, Hafer, inländischer, beregnet 193 bis 198. Hafer, unberegnet 199,00—206,00 Raps, trocken —, bis . Mais mit 25 M. Zoll. . Mais Cinguantin mit 2,50 M. Zoll . Wicken zur Saat 26,50 - 27 50, Lupinen zur Saat blau» 20—22 dgl. gelbe 31,50-33,50. Peluschken 32—33. Erbten kleine gelbe 32—33 dergl. BalterSbacher 30.00-31,00, Rotklee Srevenbürgener, 146,00 - >51, do. böhmischer 150,00—160,0 do. nordfranzösi'cher 125.00 bis 130/X). Trockenschnitzel 8.00—8,20, Kartoffelstöcken 16,00 — 16.25. Futter» mehl 14,00—15,00. Dresdner Marken, Weizenkleie 12,30—12,80. Roggenkleie l3,5o bis 14.50. Kaiserauszug 53,00—55,00. Bäcker- mundmehl 47,00—49 00. Weizennachmehl l8,00—19,50. JnlandSweizemnehl, Auszug 49,00—51,(0. Roggenmehl 0 bis 60^ 32,00-33,00. Noggenmehl 1, Type 70^/g —, .—. Roggennachmehl 19,00—20,00 Die Preise verstehen sich bis einschließlich Mais per 1000 kg. alle anderen Artikel per 100 kg in Reichsmark. Cinguantin, Wicken, Lupinen, Peluschken, Erbsen, Rotklee und Mehl (Mehl inkll Sack frei Haust in Men- gen unter 5000 kg ab Lager Dresden, alles andere in Mindestmengen non 10 000 kg waggonfret sächsischer Versandstationen. * Berliner Börse vom 89. April. Zum Wochenbeginn zeigte die Börse gegen über dem schwachen Schluß der Vorwoche ein freundlicheres Aussehen. Montanakticn wenig verändert: Rheinstahl konnten etwas anziehen. Am Kali-Aktienmarkt vermochten sich Weste regeln ansehnlich zu verbessern: Aschersleben erholt. Interesse zeigte sich am Esektromarkt für Siemens, diese konnten über 2 Punkte ge winnen: A. E. G. erhöht, doch konnten iie den Gewinn nicht ganz behaupten. Kunstseidenmerte anziehend, vor allem Bemberg. Von den Neben- werten gewannen Schubert L Salzer ansehnlich. Abgeschwächt lagen Deutsche Erdöl. Brnken- und Schiffahrtswerte wenig verändert. Auch der Kassamarkt zeigte eine freundlichere Tendenz. Ebenso ist die Haltung des Rentenmarktes wie der fester geworden. Am Geldmarkt zeigte sich eine Entspannung: Tagesgeld ermäßigte sich auf 4^?r> bis 6KN, Monat-geld bis «A«, Privatdiskonte sür beide Gichten unverändert 4)4A>. Dollar und Pfund lagen amtlich höh» mit 4,2020 bzw. 20,414. Die Berliner Produktenbörse zeigte weiter eine feste Haltung: Brotgetreide lag an beide« Märkten höher. Gerste unverändert. Hafer fest. Weizenmehl ruhig, Roggenmehl bei höhere» Forderungen gefragt. Weizen 288—90, Rogge» 193—95, Braugerste 243—50. Futtergerste 2L bis 242, Hafer 181-58, Weizenmehl 34,75 biz 4 50, Roggenmehl 26,80 -29 00. WeizenNe« 13—13,40, Roggenkleie 13^0—14,00, Viktoria- Erbsen 24—29, Futter-Erbsen 19—21, Äcker- bohnen 19—21, Wicken 23—26, Lupinen, l'l. 13,50—15M gelbe 22—26, Serradella 66 7g, Rapskuchen 9^0—10,20, Leinkuchen 14,20—14,48, Trockenschnitzel 7,80—8,00, Sojaschrot 14,20 bis 14,90, Kartoffelflocken 15M-16.00. Austräge?: Erwünscht Käufe?: Unerwünscht In Hamburg und in Berlin haben in de» letzten Tagen Besprechungen zwischen den Ber- tretern von Hamburger und Bremer Reedereien und Werften einerseits und Sachverständigen der Sowjetregierung unter Teilnahme der zu- ständigen Reichsstellen anderseits über die Frage der Erteilung russischer Schiffsbauaufträge an die fraglichen deutschen Firmen stattgefunden. Die Russen beabsichtigen, bei deutschen Werften Schiffe im Gesamtbeträge von etwa 40 Millio- neu Mark bauen zu lassen, welcher Betrag unter den einzelnen Werften quotenmäßig verteilt werben müßte. Allerdings ist eine Einigung über die Preisfrage bisher nicht zustandegekom- men, da das russische Angebot verhältnismäßig niedrig ist. Darüber hinaus gehen die Russen mit dein Gedanken um, eine größere Anzahl bereits im Betrieb befindlicher deutscher Frachtdämpfer an- zukaufen. Hier bestehen aber gewisse Bedenken, da die deutschen Reeder kein Interesse haben, den russischen Schiffspark in dem Augenblicke zu vergrößern, da mit den ersten größeren Ab- lieserungen aus dem deutsch-russischen Indu- strieprogramm auch daS SeetranSportgeschäst sich beleben könnte. MM Ser Zressm AM Opernhaus Mittwoch (8): Pique Dame. Für den Vereis Dresdn. Volksbühne. Kein öffentl. Kartenver- kauf. VB.: 2757—2880. 3001—3426. Schauspielhaus Mittwoch (8): Die Geschwister. Der zerbochene Krug. Anrechtsreihe A. BBB. Gr. 1: 3M bis 3200. 5101—5300. Albert »Theater Mittwoch (8): Kater Lampe. VV.: 6276—63DÜ. BVB. Gr. 1: 11201—11400. Die Komödie Mittwoch (A9): Hasenklein kann nichts dafür. VB.: 451—500. 1001—1030. BVB. Gr. 1: 3661 bis 3700. Residenz-The att Mittwoch (8): Daö Land deS Lächelns. Central-Theater Mittwoch (8): Jim und Jill. VB.: 4501-4556. BVB. Gr. 1: 5901-6000. frisciis k^IilLkr wirst fiodsn 32 „Haben Sie Dokumente?" fragt« er, al« er zurückkam. Dokumente? — Richtig! Ekaterina batte keine Papiere. Sie wollte in ihrer Verblendung ja keinen falschen Namen annehmen. Einen Augenblick war sie versucht, die Frage zu bejahen. Aber warum sich absichtlich in so grobe Gefahr bringen?! „Nein!" sagte sie leise. Der Mann wiegte bedenklich den Kopf. „Schlimm? — Gebr schlimm! — Ohne Dokumente fahre ich nicht. Ohne Dokumente nimmt mein Freund Sie nicht aut. Ohne Dokumente stellt man Sie an die Wand!" „Besorgen Sie Dokumente!" stieb Ekaterina gequält hervor. Ter Mann zögerte. „Haben Sie ein Bild?" Ja. im Pas, batte sie ein Bild. Sie wickelte vorsichtig die Lappen von dem rechten Fu« und nahm ihren Pah heraus. Tas Bild auf der Jnnemeite rib sie heraus und reichte e« dem Manne. Er betrachtete eS ES war nur ein Kopfbild. nicht einmal gut gecrossen. In aller Eile hatte sie es anfertigen lassen in Berlin. Ler Mann steckte es ein. „Geben Sie mehr Meld!" sagt« er dann nachdrücklich. „Dokumente sind teuer?" „Wieviel?" Ekaterina iah nicht auf, starrte nur teil nahmslos zum Fenster hinüber. Der Mann nannte eine hohe Summe. ,.E« ist «u viel?" prebte kie leise hervor. Sticht», al« dl« gleiche Ziffer war die Antwort Sie sah die ausgestreckte Hand dicht vor ihrem Gesicht. Eine Schußna be zog sich ouer darüber bin. Di« Rinn« war dunkrlrot Blu» dachce sie Da lucht« sie in ihren laschen nach Geld und reicht« dem Mann tue gewünschte Summe. Er zählte sie durch, einmal, zweimal. Machte zwei Haufen, einen wahrscheinlich für sich, den anderen für den Freund. „Tee steht auf dem Ofen! — Brot liegt dort!" Er wie« mit dem Kopf zum Fensterbrett. Dann begann er sich anzukleiden. Al« er gegangen war, verrammelte Ekaterina die Tür, stellte den Tisch davor und setzte sich darauf. Den Revolver legte sie neben sich. Bon hier au» konnte sie auf den schmalen Pfad sehen und jeden genau erkennen, der vorüber- ging, aber von auben konnte niemand hereinseben, wenn er sich auch noch so dicht an die Scheiben prebte. XVIII. Kacht der Gefahre»! Der Weg führte durch die Dunkelheit in» Ungewisse. Die Nacht war sternenklar. Keine Wolke stand am Simmel. E« war Neumond, wie geschaffen für diese heimliche Reise. Wenn der Schnee nicht gelegen hätte, man hätte nicht drei Schritte weit sehen können. So aber leuchtete er gespenstisch auf der rasenden Fahrt. Die trocknen krummen Aeste der Bäume am Wege sahen au» wie Galgen. Fürstin Ekaterina Kurakin schloß die Augen. Die Kälte drang durch ihre dicken Kleider und Tücher, daß sie sie wie einen scharfen Schmerz auf der Haut zu spüren glaubte. Ihre Gedanken eilten zurück. War ihre Flucht vor Jahren mit dem Vater nicht unter ähnlichen Umständen erfolgt? Damal» waren sie über die finnische Grenze ge gangen. Es batte kein Schnee gelegen, aber sie batten schon zwei Tage und Nächte im Walde in einer Höble gekauert Und nur auf den Augenblick gewartet, bi» sie die Grenze über- sch,eilen konnten. Dieke letzten Lage auf heimalichem Boden standen wieder grob und klar vor Ekaterina- Seele Grauenvolles Leid, da» sie durchgemacht batte. Pöbelhau en in den Straßen von Petersburg. Lärmend, johlend. Militär dazwischen. Webende Fahnen. Verhaftungen. Erschießungen. Einmal batte man sie «porgen» um fünf Ubr au« der Wohnung einer alten Frau geholt, die sie ausgenommen hatte Jeh« ist e« an»! Jetzt ist es vorbei, halte iie gedacht Nicht einmal die Möglichkeit hatte bestanden. dem Baier die Hand zu reichen, dec verborgen in einem Keller des Sause« die Tage und Nächte »ubracht«. Auf der Strabe batten schon zehn andere Frauen ne erwartet. Man fragte nach ihren Papieren. Dann kam ein Tschekist angesprengt, fluchte auf den Anführer der Gruppe, der sich wahrscheinlich zu sehr versäumt hatte, und man trieb sie hinaus in die Vorstadt. Au» den Worten des Führer» vernahm sie, daß man sie zur Arbeit in eine Fabrik schleppte. Und sie marschierten und marschierten. Ihre Papiere noch einmal zu fordern, batte man vergessen. Eine Frau blieb in irgendeiner Straße liegen. Sie stürzte, überschlug sich einmal, rollte in den Rinn stein. Al« sich andere Frauen nach ihr bücken wollten, um sie aufzubeben, trieb man sie weiter. „Ihr bekommt Brot, wenn ibr arbeitet!" batte e« geheißen. Al» man an die bezeichnete Fabrik kam, war sie geschlossen. Die Führer setzten sich in eine Teestube und wärmten sich. D e Frauen mußten auf o fner Straße warten. Nach einer Stunde ging es weiter zu einer anderen Fabrik, die noch weiter draußen auf freiem Felde lag. Auch sie war gesperrt. Jetzt durften sie sich Niederlägern. Um fünf Ubr am Nachmittag entließ man sie. „Schert euch nach Dause! — ES gibt keine Arbeit!" Wie waren sie alle davongeschlichen. Nicht eine der Frauen hatte nach dem versprochenen Brot zu fragen gewagt. Der Schlitten raste in wilden Sprüngen über Er höhungen und Lertieiungen. Wenn der Weg eine scharfe Kurve machte, legte sich der Führer weit auf der entgegen gesetzten Seite hinaus, um da« Gleichgewicht zu halten. Die Pferde liefen und liefen. Sie schienen die Fahrt schon de« öfteren gemacht zu haben und die Gefahr zu ahnen. Weich auoli es in Ekaterina einmal auf. Arme Pferd chen! Arme irregeleitete Menschen! Wenn man euch helfen könnte — Plötzlich standen die Tiere. Der Schlitten wurde zur Leite gesch.eudert. Sinter einem Baum am Wege wartete ein Mann und hielt den Arm vor. Der Kutscher beugt« sich herab und flüsterte «in vaar Worte mit ihm. Dann war der Mann wieder verschwunden und di« Fahrt ging im Bogen nach recht« weiter. Ein Aufvo-ser also, der am Wege stand und irgendein« Nachricht durchgab. tKortsetzung folgte