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Beilage zum Sächsischen Lan-es-Anzeiger. Chemnitzer General anzeiger. Mittwoch, 10. Angust 1808. v—^ — — Berlag^Sl ler a i»de r W iede in Chemnitz. — Nr. 184. — 12. Jahrgang- Das Wort des Richters. Chemnitz, de» 9. August 1892. Zwei sonderbare Urlhrilsprüche wurden vor wenigcn Tagen aus Frankreich bekannt: Auf der Insel Corsika hat sich der Brigant Bellacvscia »ach etwa vierzigjähriger Bauditeulaiifbah» und Verübung voll mindestens einem Dutzend Mordthaleu.freiwillig den Behörden gestellt, weil sei» hohes Alter ihm eine weitere Fortsetzung seines «Geschäftes" nicht gerade zur Annehmlichkeit machte. Der Mann wurde, was er auch schon vorher ganz genau wußte, denn sonst würde er sich den Geschworenen nicht gestellt habe», sreigesproche». Wie ist das möglich?, so fragt man. Die Sache ist sehr einfach. Won den Mordthaten des Angeklagten war ein Theil verjährt. Deshalb also konnte er nicht mehr belangt werden, nnd so gestand der würdige Bandit diese Verbrechen mit lächelndem Munde ei». Für die übrige» Verbrechen, von welchen er nichts wissen wollte, war absolut kein Zeuge auszntreiben, und so erfolgte die Freisprechung. Das Fernbleiben der Zeugen erscheint keineswegs räthselhaft: in Corsika herrscht noch die Blutrache trotz aller Anstrengungen der Be hörde, diese grauenvolle Sitte zu unterdrücken, 'und Jeder, welcher Neigung hatte, gegen Belacoscia anfzntretcn, mußte hiermit rechne». Die Verwandten des verurtheilte» Briganten würden bei erster, Lester Gelegenheit dem Zeugen, welcher die Verurtheilung herbcige. führt, eine Kugel übersandt haben. Das wußte alle Welt, und darnach richtete ei» Jeder sei» Verhalten ein. Somit erfolgte die Freisprechung des zwölsfachcn Mörders. In Nizza verhandelte man gegen eine» armen Teufel, der durch Einbruch ein Brod gestohlen hatte. Die Geschworenen glaubte» hier ein Exempel statniren zu müsse», und erkannte» auf zwei Jahre Zuchthaus. Wir haben diese beiden markanten Fälle hervorgehoben, um zu zeige», was heute immer noch in der Justiz in eine», Lande geleistet wird, das sich selbst das kulturell am meisten fortgeschrittenste in ganz Europa nennt. Wir fragen: sind solche Vorkommnisse bei »ns im deutsche» Reiche möglich? Die Antwort kann darauf nur „nein" laute». Das Wort des Richters steht bei n»S fest da, cs gründet sich auf Wahrheit und Gerechtigkeit, und wird gesprochen Niemandem zu Liebe, Niemandem zu Leide, ohne Rücksicht n»s Stimmungen des Volkes oder de» Wille» der Mächtigen der Erde. Die Gerechtigkeit entspringt der Wahrheit, »nd die Wahrheit wiederum der unbeeinflußte» Unparteilichkeit. «Ja, wen» das Kammergericht in Berlin nur nicht wäre!" er> widerte s. Z. der Müller von Sanssouci dem großen Friedrich» als der erzürnte König dem Manne ans dem Volke drolite, seine Mühle abbrcchen zu lasse». Dies Vertrauen ans den Rechtsschutz ist heute für das ganze deutsche Vaterland berechtigt; wir habe» weder die Beeinflussung der Richter durch Vvlksstimmnngeu »nd Volkskuud gedungen, wie sie in Frankreich noch gang und gäbe ist, wie sie in dem erwähnte» Proccsse ans Korsika in die Erscheinung getreten ist nnd i» de» Pariser Sensativnsprvccsse »och täglich in die Erscheinung tritt, wir habe» auch nicht jene abgefeimte Schlauheit nordamertkanischer Advokaten, die gerade die großen Spitzbuben dem Richter zu ent ziehen wissen, wir haben auch nicht jene amerikanischen Geschworene» bänkc, deren Inhaber häufig genug wissen, wie das Geld des Auge klagten klingt. Wen die deutschen Richter — seien es nun Beruss- richter oder Geschworene für schuldig halte», der wird verurtheitt, und im entgegengesetzten Falle erfolgt ganz selbstredend die Frei lprcchnng. In dieser Thalsache, i» der Erkcnntniß und in dem Be wußtsei» dieser Thalsache liegt für die große Menge der Bevölkerung eine ganz besondere Beruhigung; sie macht es sich nicht bis in die kleinste» Einzelheiten klar, was ein Rechtsanwalt im wahrsten nnd edelsten Sinne de» Wortes bedeutet, aber sie empfindet seine Wohl thate». Selbstverständlich kann auch der klügste, gelehrteste, scharf blickendste Richter irren, selbstverständlich wird Jemand, der einen kostspieligen Civilproceß verloren hat. nicht immer einsehcn »vollen, daß er wirklich Unrecht hatte, aber solche und andere Vorkommnisse könne» doch die Hauptsache nicht erschüttern, nämlich die, daß wir in einem Rechtsstaat leben, Rechtsschutz genießen, daß alle Deutschen vor den, Richter, wie vor dem Gesetz gleich sind. Zur Lage in Ostafrika. Schneller als man erwartet halte, ist die Station am Kili mandscharo von den Unterosficieren, die der Besatzung Vorständen, ge räumt worden. Der Chef Johannes muß mit der Vorhut bereits in Mafinda eingctroffen sein nnd am 5. Juli ist der Oberführer v. Mantcnfsel, nachdem er Verstärkung ans Kilwa nnd Lindi erhallen, mit den Osficieren v. Tettenborn, Fambach nnd Ax nnd etwa 300 Soldaten nach Tanga »achgerückt, so daß die ansehnliche Macht von etwa 500 Mann bei Mafinde versammelt sei» wird. Damit ist Usambara, der weitaus wichtigste Theil unseres ganzen Gebiets, ge sichert nnd ein Hinübcrgrcifen des Ansstandes nach der Küste mit ihrer unkriegerischen Bevölkerung nicht zu befürchten. Da, wo das früher herrschende arabische Element stärker vertreten ist wie in Pangani werden die einflußreichen Führer sich's wohl zweimal über legen, ob sie es »vagen sollen, die Stationen an der Küste anzii- greisen. Das Schicksal des erste» Aufstandes wird ihnen noch zu lebhaft in der Erinnerung sein, »nd dann werden sie sich auch wohl selbst sagen, daß sie bei einem zweiten Versuch, dessen Nicdcrwcrfnng doch nur eine Frage der Zeit sein kan», nicht so glimpflich davon- kommc» werde» wie das erste Mal. Die übrige Küstenbevölkernug ist nicht nur friedlich gesinnt, sondern geradezu feige. Dies letztere gilt auch von Wadigos, die durch die Unruhen zu Ende des vorigen Jahres eine nnvcrdiente Berühmtheit erlangt haben. Kennern der afrikanische» Verhältnisse ist es noch jetzt »»begreiflich, wie der Führer einer, wen» auch »nr kleine» Expedition sich vor diesen» Gesindel hat znrückzichen können. Bei der bald darauffolgenden zweiten Expe dition hat der jetzt gefallene Herr v. Büloiv, sozusagen ohne eine» Schuß zu lhun, das ganze Land durchzogen nnd die Unruhestifter be straft. Die Eingeborenen an der Küste sind aber auch mit den» gegenwärtigen Znstand der Dinge allgemein zufrieden »nd haben Grund dazu. Welche wohllhuende Veränderung ist noch in der kurzen Zeit der deutschen Verwaltung vor sich gegangen. Die Unterdrückung und Mißhandlung der Schwarzen durch die Araber hat anfgehört; der geringste Neger kann jetzt vor dem dentschen Bezirkshaiiptma»» sei» Recht suchen gegen den gesürchtctcn Araber und den reichen Jndier und findet Schutz gegen jegliche Ungebühr. Die Bauthätigkcit, die sich in den Küstcnplätzen entwickelt, der Karawanenhaudcl, der jetzt »»ehr gesichert ist als srüher, bringt den Leuten reichlich Arbeit nnd Verdienst. In de» Ortschaften, wo deutsche Behörde» eingesetzt sind, herrscht jetzt Sauberkeit nnd Ordnung, während man in Zanzibar selbst am Strand »nd in den belebten Straßen in der Nähe desselben noch den alte» Schmutz und Gestank findet nnd nur durch die endlich auch dort eingeflihrte Slraßenbelcuchlung daran erinnert »vird, daß die Verwaltung in andere Hände übergegangcn ist. Die letzten Er«! rignisse haben indessen nnwidcrleglich gezeigt, wie ausgezeichnet die jetzige Schutzlruppe für ein Gebiet von der Ausdehnung Deutsch- OstafrikaS ist. Die Forderung wäre doch berechtigt, daß die Besatz ung für einen jede» Bezirk an sich stark genug wäre, nm die wich tigen Karawancnstraße» des Bezirks z» sichern. Die jetzt nothwendig gewordene Heranziehung von Truppen ans den anderen Bezirken »ach Tanga bczw. die Verminderung der südlichen Garnisonen ist, wie es scheint, die Ursache gewesen, daß neuerdings die Mafiti im Hinterlande von Kiliva ihre Plünderungszüge gegen die friedlichen Negerstämme wieder weiter nach der Küste zu ausgedehnt habe». Was nun? Deutsch-Ostafrika befindet sich in einer Krisis, welche durch die Ereignisse am Kilimandschora recht sichtbar geworden ist. Neueren Meldungen zufolge ist gegen die Daschagge nnd die anderen Auf ständischen a» den ostafrikanische» Gebirgsstock mehr als die Hälfte der Schntztrnppen nnfgcbole» worden, cs sollten uuter der vo» Chef Johannes geführt;!! Compagnie noch mehr als Manu außer dem Oberführer Frhr. v. Mnutenffcl dahin abgehen. Der Grund für diese Kraftentsaltung ist klar; hier an der Grenze des englische» Gebiets kann man eine solche Niederlage wie die Bülvw'sche nicht hingehen lassen, wie cS gegenüber den Wahehe der Fall ist, sondern unser An sehen nnd unserer Herrschaft muß unter alle» Bedingungen nnd rasch hergestellt werden. Da treten alle Rücksichten zurück, alle verfügbaren Kräfte müssen herangezogen werde». Diese Maßregel wirkt aber ans das ganze Schutzgebiet ein; a» alle» Küstcnorten werden die Garn: sonen aufs Acußerste beschrankt, ja in Tanga hat schon die Marine den Garnisonendienst übernehme» müssen. Daß dieser Znstand Ge fahre» mit sich bringt, braucht nicht erklärt zu werden. Es dürfen »nr im Hinterlande von Lindi, Kilwa, Dar cs-Salaam und Bagamoyo Unruhen entstehen, z. B. Einfälle der Mafili, der Wahehe u. s. w., so ist u»an hülfloS; denn verfügbare ExpediüvnScompagniecn sind nicht vorhanden. Verschlimmert wird diese Lage »och dadurch, daß nach anderer Richtung hi» immer stärkere Anforderungen an nur kommen. Nach den Kämpfen von Tabora scheint eine Verstärkung der dortigen Garnison unumgänglich, eine solche verlangt jedoch die »en: Station bei Mahenge in Uyogo. Weiterhin läßt sich die Errichtung einer starken Station am Tanganyka kaum noch ansschieben. Die Ereignisse am Lnalaba, die Kämpfe der Belgier am Westnser des Tanganyka berühren unser Gebiet wesentlich nnd Nach der Brüsseler Antisclavcrei-Acte sind wir verpflichtet, dort einen festen Stützpunkt zn schaffen und den Belgiern in de», Kampfe gegen die Sclcwcnjäger einen Rückhalt zn gewähren. Je länger diese Aufgabe hinaus geschoben wird, desto größere Anstrengungen werden wir später mache» müssen, in» z» dem gleichen Ergebnisse zn kommen. Mit solche» Betrachtungen kommt man sofort wieder zur Frage wegen der Schutz, truppe. Diese Colvnialtruppe reicht in ihrem jetzigen Bestände in keine», Fall für die laufenden Bedürfnisse aus, von besonderen An forderungen gar nicht zn reden. Ihre Verstärkung bildet die erste Bedingung für alles Weitere, ja selbst für die Erhaltung der jetzigen Verwaltung. Immer wieder taucht die Erwägung ans: woher sollen wir ge eignete Mannschaften nehmen, nachdem uns die bisherigen Bezngs- länder verschlossen sind? Können wir nicht ans uns ren Schntzgc biete» selbst geeigneten Ersatz finden? Eine Verstärkung der Schntz- trnppe, die unausweichlich erscheint, macht natürlich höhere Koste», nnd damit kommt man sofort ans den Etat, welcher bekanntlich für das laufende Rechnungsjahr um eine Million gekürzt worden ist. Schon jetzt nach kaum viermonallicher Dauer des Rechnungsjahres läßt sich erkennen, daß die Rechnung nicht inuegchalten werden kann, schon bei dem regelmäßigen Gange der Geschäfte klagte der Gunver- nenr über Mangel an Mitteln. Für den nächsten Etat dürften an dere Vorschläge zur Ausstellung gelangen. Französische WeltansstellmrgsMne. Aus Paris wird geschrieben: Man hört für den Augenblick nicht viel von der 1900er Weltausstellung reden, aber cS gicbt genug Anzeichen, daß die Köpfe sich mit ihr beschäftigen. Man sucht etwas Neues, einen Haupt-Drücker oder Schlager, eine» „dorr", wie man hier sagt. Mit dem Teloncle'schen Neflector wird es anscheinend nichts werde», wenigstens nicht als Anziehung für die erwarteten Millionen von Ausstcllungsbesnchcrn. Von den Gelehrten, die über den Plan befragt wurden, zuckten die einen die Achsel und meinten, man solle doch nicht bei Jules Verne ans die Suche nach Wundern gehe». Andere halten das Riesen-Fernrohr für ausführbar, behaupten aber, man könne ein derartiges Werk in keinem Falle inmitten einer Großstadt aufstellcn; je mächtiger das Fernrohr sei, um so heikler »nd empfindlicher sei es; es vertrage weder das beständige Lebe» des von zehntausend »uunterbrochen rollenden Wagen erschütternden Bodens, noch die Bewegungen »nd Unreinlichkcilen der Pariser Luft, in welche Hunderttansende von Schornsteine» fortwährend Dampf, Ranch und Ruß speien. Was die Gelehrten nicht gesagt haben, das kan» jeder Verständige ans dem eigenen tlrthcil hinznfügen: ein astronomisches Fernrohr, das de» Mond ans Armeslänge näher bringt, kann kein „dorr" einer Weltansstellnng sein, einmal, weil der Mond der Regierung nicht den Gefalle» thnt, sich stets eine bestimmte An zahl von Stunde» zur Verfügung der Ansstellnngsbcsuchcr zu halten, zweitens, weil der Mond aus alter Gewohnheit hauptsächlich Nachts am Himmel erscheint, die Ausstellungen aber in der Regel aus de» Besuch am Tage eingerichtet sind, drittens, weil selbst im günstigsten Falle »nd auch wenn alle Besucher im Danerlanf an dem Fernrohr vorüberjagen, noch nicht ein Tausendstel der AusstcllungSgäsle hoffe» kan», auch »nr in die Nähe des Schaustückes zu gelangen. Deshalb läßt sich das Fernrohr i» keiner Weise als Nnsstellnngszngkrast mit dem Eisselthurme vergleichen. Ein anderer Planschmied schlägt vor, hauptsächlich den Gedanken weiter zu entwickeln, der 1889 in der „Cairostraße" nnd in de» verschiedensten afrikanische», asiatischen und amerikanischen Dörfern, Hütte» n. s. w., der Juvaliden-Esplanade ausgcdrückt war. Also keine banalen Hallen und Galerie», in denen Maaren verschiedener Länder anfgestapelt sind, sondern baukünstlcrische Sonderverlretnugen jedes ausstellende» Landes mit Probe» der Bevölkerung, der Trachten, der Sitten, der Hervorbringiiugeii. Italien soll durch ein Stück Venedig mit dem Kanal Grande, den ihn ciusänmenden Palästen, der Rialtobrücke, Gondeln, Gondelicren ». s. w., Spanien durch die Alhambra »nd eine Straße von Granada, England durch Westminster, die Themse, das Victoria-Einbankmet n. s. w. veranschaulicht werden nnd so jedes Land Europa» nnd Amerikas durch eine treue Nach bildung der bezeichnendsten Bauwerke seiner eigenartigsten Stadt, be lebt durch Mensche» in der landesüblichen Tracht, die ihre ein heimischen Maaren in der gewohnten Weise Herstellen und znm Ver kauf anSbieten. Natürlich würden in diesen Straßen nach Pari» gezauberter ferner Städte auch die entsprechenden Theater, Gasthäuser, Tanzböden ». s. w. ihren Platz finde» nnd man hätte Gelegenheit, in der landesüblichen Weise zn essen und zn trinken und sich zu unterhalten. Mit einem Worte: ans s Höchste gesteigerte Lokalfarbe, Länder- nnd Völkerkunde in lebende» Bildern von vollständigster An schaulichkeit. Dieser Plan hat alle Aussicht, ernstlich in Erwägung gezogen zu werden. Uebrigcns weiß man noch gar nicht, wo die Ausstellung staltfindcn soll. Au das Marsfcld denkt Niemand. Die elysäischen Felder will man nicht verschließen. BincenncS ist zu ent legen. Wahrscheinlich wird cs also das große Bonlangcr-Gehölz mit der große» Rennbahn von Longchamps werden. aOj Strandgut. Novelle von I. von Brun Bar»ow. . (9. Fortsetzung.) Nachdruck verboten. > „Bitte noch einmal, »>iiemech°!! Tie mich nicht. Ich L:.: gerade' im Zuge, »nd da muß cs herunter. Wer weiß, ob ich nachher »och die Worte dazu fände, Sie wissen, meine Redegabe ist nicht weit her, Also, weil ich längst gemerkt, wie es mit eueren beide» Herzen steht »nd ich als Dritter hierbei zn viel bi», halte ich cS für richtig, daß ich Mona ihr Wort zurückgebe und ein Verlöbuiß löse, daS keines Priesters Segen unter diesen Verhältnissen zn einem glücklichen Bund fürs Lebe» machen kann. Es handelt sich jetzt nur darin», ob Sie mit Ihr glücklich sein, sie zn Ihrem Weibe machen wollen? Ich weiß, in Ihrem Stande giebt »>a» ganz besonders viel ans ein gute» Herkommen und kann bei aller Liebe zur arme» Strandgut-Waise ihre dunkle Herkunft einer Verbindung hinderlich werden. DaS habe ich bedacht »nd habe deshalb die Nachforschungen »ach dieser Richtung in den letzten Woche» besonders eifrig betrieben. Der alte Jansen hat mir dabei geholfen »nd Papiere herbeigeschafft, welche im Besitz der Familie des vorstorbenen Strandvogtes gewesen, der sie zuerst gesunden. Sic waren neben dem armen Strandgut ans der Planke i» einer Flasche verborgen und lasse» wenigstens von mütterlicher Seite ans eine hohe Geburt Mona's schließen. Warum der Strand vogt ans diese» Papieren bis zn seinem Tode ein Geheimniß gemacht, verstehe ich freilich nicht. Er soll ein verschlagener, finsterer Patron gewesen sein, der vielleicht ganz im Geheimen seine Nachsvrschnngen »ach d-n Verwandten, die Eltern wäre» jedenfalls i» der „Urania" mit nutergegangen, betrieben hat, »nd damit entweder kein Resultat erzielte, oder seine ganz besonderen Gründe für sein Schweigen gehabt. Vielleicht wird sich anch dieses Dunkel kläre»; genug, daß Mona'S Taufschein ihrer Eltern vorhanden, und demnach kein Zweifel gegen ihre Herkunft a»S guter Familie vorliegt." - Graf Fabrik war mit schwer zn beschreibenden Gefühle» den Worten des Rheders wie der Offenbarung von etwas Unbegreiflichem, Köstlichem gefolgt nnd der schlichte Mann mit der plumpen, massiven Gestalt, de» groben Zügen, schien sich vor seine» Auge» in einen alle» edle» Heroen der llassischen Zeit zu verwandeln, indeß er zu einem erbärmlichen Nichts znsammensauk. „Her Rheder!" In seiner Stimme brach die gewaltsam dar« medergehallcne Erschütterung durch nnd sie bebte leise — »Herr Rheder — Ihre Großherzigkeit — Ihr Edelmnth überwältigen mich — hier meine Hand! Bei Galt,' sie hat noch nie eines besseren, edleren Menschen Rechte gedrückt. Wenn ich dennoch zögere, Ihre „Still, still, sprechen Sie nicht weiter. Sie beschämen mich. Ich handelte nur inenschlich nnd habe Mona lieb — lieb wie meine Tochter, Sie wissen selbst, ich erzählte cs Ihne» ja, wie unsere Ver lobung zn Stande gekommen. Zögern Sie daher nicht, mit ihr glücklich zn werden!" „Sie sprechen so sicher, Herr Rheder," wandte Graf Fabrie »iedcrjchlagcnd ein, „als wenn es nur noch meines Wortes bedürfe, um Mona glücklich z» machen, »cid Sie übersehen in Ihrem hoch herzigen Eifer ganz, „daß dazu auch »och ihr Wort »othwendig ist." „Sic glauben doch nicht etwa," rief der Rheder, dem ei» Plötz liches Licht cilifzngehe» schien, „daß an dem Gerücht, welches mir heute der alte Jansen cindcntele, etwas Mahres ist »nd meine arme Mona mit diesem Campella von früher her ,» irgend welchen Be- ziehinigen gestanden hat, ihn gar noch liebt?" „Und glauben Sie das nicht? Sie waren jahrelang von ihr getrennt und —" „Unsinn!" polterte der Rheder heraus. „Die Giflbase», welche dem armen Strandgule meine Wohlthaten »lißgönne», sie eine Erb- schlcicherin i»id Scheinheilige genannt, die hätte» sicherlich dafür ge sorgt, daß ich die kleinste Liebelei Mona's erfahren, wenn irgend der artiges gegen sie borlag. Dieser Campella mit seinem Spiel mag eine Art Rattenfänger sei» und sie gestern meinetwegen ei» wenig bezaubert habe». Da cs Alle i» ihrer Nähe gesehen, muß doch wohl etwas Wahres daran sei». Ich habe freilich nichts davon geinerkt, doch das lag vielleicht daran, daß ich de» Kopf mit andere» Dingen voll hatte. Glauben Sie mir aber nur, die er Campella hat keine Gewalt über sie, dazu sitzen Sie z» fest in ihrem Herzen." Graf Fabrie «heilte diese Ansicht nicht. Zu lebendig stand ihm Campella's jähes Erschrecken bei ihrem Anblick, der Geliebte» leiden schaftliche Hingabe, mit der sie seinem Spiel gefolgt, ihr heißes Er- röthen bei Erwähnung seines Name»-, und »ia hte ihn »»fähig, die Stimme der Eifersucht zn banne», die ihn vollständig i»» seine Be- soinienheit gebracht, seine» klaren Blick getrübt halte. „Sie zweifeln noch immer daran?" fragte der Rheder kopf schüttelnd. „Ja ich kann Ihre Zuversicht nicht «heile»," gab der Graf ehrlich zn. „So bleibe» Sic wenigstciis »och einige Tage hier, nm sich eines Bessern zn belehren," beschwor er ihn »ngednldig. »Glauben Sie wirklich, daß das das Nichtige ist?" »Wenigstens ist das die ciuzige Rettung für mein armes Strand gut. Ich muß cS Ihnen jetzt sage». Ich fand sie, als ich »ach Hanse kaum, so schwach »nd krank nnssehcnd, daß ich erschrak, sie wollte aber durchaus nichts von einem Arzte wisse» und Fra» Ursula ver trante wir im Geheimen a», sic glaube, der Abschied vo» Ihnen wäre ihr so zu Herzen gegangen, de»» sic hätte, nachdem Sie fort waren, bitterlich gemeint. Nn» wissen Sie Alles," schloß der Rheder mit einem Seufzer »nd wischte sich mit dem Tuche dic senchtc Stirn. „Vielleicht ist cS nicht klug nnd dankt es mir nm Ende gar nicht Mona, daß ich so rücksichtslos ihren Hcrzciisznstand Preis gegeben, aber was blieb mir denn übrig?" setzte er mit einem schwachen Vcr- snch zn scherzen hin,», „ich mußte meine ganzen Truppen in's Feld bringe», wollte ich einen so stolzen harte» Kopf, wie Sic ihn haben, besiegen." »Wenn hier vo» einem Siege die Rede sein darf," enlgcgnete der Graf bezwungen, „so bin ich der Besiegte, der tief erschüttert die Waffen uiederlegt nnd sich Ihrer Großmulh ergiebt."