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— Nr. 126. - 1S99. — Liese verbreitetste unparteiisch« Leitung erscheint Wochentag« Abend« (mktDatnmder nächsten Tage«) und lostet mit den silns wöchentlichen B eiblättem: «leine Botschaft, «üchsischer Erzähler, Gerichts-Zeitung, Sächsisches Allerlei, JllustrirteS ttriter- haltnngsvlatt, Gei de» Postanstaltc» und bes den Ausgabestellen monatlich 40 Pfennig«. Postliste: I. Nachtrag Nr, 2877. Telegramm. Adresse: Bcaeralanjesger, gernsprechstelle Nr. lso. General- Sottnabend, den 3. Junt Anzeigen für Chemnitz und Umgegend. Anzeigenpreis: Szespaltm» CorpnSzeile (ca.S Silbanfaffea^j oder deren Naum 20PfG (Prelle Verzeichnisse ä Zeile 25 Pfg.) Bevorzugte Stelle (6 gespalten» Petit-Zeile circa 11 Stlben fassend) 40 Pfg. — Anzeige» kt »neu nur b iS Bormittag 10 Uh, angenommen werden, da Druck und Verbreitung der große» Auflage längere Zelt erfordern» leSchsifchor Lande»,An,eiger). - Gegründet 1»7S al» „An,eiger" «. Verlag «nd Rotation»maschr«««.D-«ck von Alexander Wied« in «hemnttz, »heaterstraß« Ar. 8. Geschäftliche Anzeiger-Inserat» finden für billigsten Prellt zugleich Verbreitung durch di» täglich erscheinende Chemnitz«» Eisenbahn-Zeitung. ""i den „General.Anzeiger" für den Monat Junt nehmen die Verlags-Anstalt, die Ansträger, Ausgabestellen und S Postanstalt-tt znm Preis von 4« Pfg. entgegen. (Postliste: 1. Nachtrag Nr. 2877.) Politische Rimdschait. Chemnitz, 2. Juni 1SSK Deutsches Reich. — Bei herrlichem Frühlingswetter vollzog sich der gestrige Stapellauf des mächtigen Linienschiffes „Ersatz König Wilhelm" auf der Germania-Werft in Kiel, auf der »och die jüngste verheerende Feuersbrunst sichtbare Zeichen hinterlassen hat. Der mächtige Schiffsrumpf des Täuflings prangte im Flaggen schmucke und war mit Laub- und Blumengewinden geschmückt. Vor dem Bug war die Taus-Tribüne errichtet, an der Seite andere Tribünen. Ein glänzendes Gefolge von Offizieren in großer Uniform, darunter die ortsanwesenlien Admirale erwartete das Kaiserpaar. Vor dem Schiffsrumpfe hatte die Ehrenkompagni« des SeebataillonS Aufstellung genommen. Pünktlich um 12 Uhr landete das Kaiser- Paar mit dem Kronprinzen und dem Herzvgspaare von Baden an der Germania-Werft. Staatsekretär Tirpitz und Geh. Kommerzien- raih Krupp begrüßte» die hohe» Herrschaften und geleiteten sie zur Fcststätte. Ter Kaiser und der Großherzog von Baden schritten die Front der Ehrenwache ab und begrüßten sodann die anwesenden Offiziere. Alsdann bestieg der Kaiser mit der Kaiserin, dem Groß- hcrzvgspaare, dem Kronprinzen und dem Staatssekretär Tripitz und Krupp die,Tauftribüne. Ter Kaiser hielt eine Ansprache etwa folgenden Inhalts: „Aus Erz gesiegt, in starrer, lebloser Form, stetst das Schiff vor uns, bereit zum Ablaufe. Seine Linien sind kaum dem Schönheitsgefühle des Be schauers entsprechend, und doch im Augenblicke, wo es in die See hinab rauscht, wo cs sich mit der Tiefe vermählt, gewinnt es Leben und Lebens kraft, sobald das Meer mit seinem »»endlichen Zauber, dem Niemand wider stehe» kann, dieses Schiff berührt »nd wenn dieses dereinst, bewohnt von Hunderten tapferer Seeleute, geführt von tüchtigen Offizieren, stolz aus dem Meere Schrecken wirkt, ein Stück großer deutscher Wehrkraft, dessen unser Vaterland so dringend bedarf. Dem Gedanken bewährter Geistesarbeiter, deren einer gleich dein Soldaten auf dem Schlachtfelds hier sein Leben endete, entsprungen und in seiner Form gebracht durch Hammerschläge Hunderter deutscher fleißiger Männer, soll dieser Koloß, ehe er sich mit der Tiefe ver mählt, seinen Namen erhalten. Wir denken bei dem Namen, de» das Schiss erhalten wird, an den große» Herrn, dessen Namen das alte königlich prenßische Panzerschiff über dreißig Jahre in Ehren getragen hat, den Namen „König Wilhelm". Möge es a» uns an ihn erinnern, als den große» HcereSorganisator und de» Schmied einer großen Waffe! Möge der friedliche Bürger und der Gcwerbtreibonde eine Mahnung darin erblicke», daß überall in der Welt das deutsche Reich ihn schützt! Möge dem Arbeiter und dem Handwerksmannc bei dem Anblicke dieses Schiffes in Erinnerung gebracht werden die landeSvüterliche Fürsorge des ersten deutschen Kaisers, der er einst durch kaiserliche Botschaften den glänzendste» Ausdruck verliehe» hat. Wie da? alic Panzerschiff den König vergegenwärtigte, soll > ns das jetzige den Kaiser vor klugen führen, dem allein wir das deutsche Reich verdanken, der i» Temuth als Werkzeug Gottes verstanden hat, die deutsche» Fürsten und Völker znsaminenzuführen. Durch die Hand der in Ehrfurcht begrüßten Tochter Kaiser Wilhelm's taufe Ich dich „Kaiser Wilhelm der Große"." Die Großherzogin von Baden ergriff die Champaguerflasche und schleuderte sie gegen das Schiss, das unter Hurrahrnfcn glatt vom Stapel lies. — Zu dem Gesetzentwürfe über den Schutz des ge werblichen Arbeitsverhältnisses wird in den nächsten Tagen eine besondere, im Reichsamte des Innern ausgearbeitete, sich über Streikvergehen rc. verbreitende Denkschrift erscheinen. — Aus der Hauptversammlung des Vereins katholischer Lehrer Schlesiens soll der Geh. Negierungs- und Schulrath Jtttlner ans Liegnitz, der die Versammlnng im Aufträge der Liegnitzcr Negierung begrüßte, am Schluß seiner Rede Folgendes gesagt haben: „Ter Verein katholischer Lehrer hat große Erfolge errungen; eS ist ei» Baum, in desj» Schalten alle katholischen Lehrer Platz habe». Es darf keinen katholischen Lehrer gebe», der nicht unter diesem Baume Ruhe >md Frieden sucht. Wo cS also noch solche unter katholische» Lehrern gicbt, die dem Vereine noch nicht allgehören, da wirken Sie dahin, daß sic es mit der Zeit thnii. Durch Studium in den Werken der katholischen Schriftsteller mache man sich mit ihnen bekannt und gehe zurück ans die Geschichte der katholischen Pädagogik." Mit Recht wird es sonderbar befunden, wenn in Preußen in dieser Weise offiziell eine konfessionelle, eine katholische Pädagogik empsvhlcn wird und die Lehrer ausgesordert werden, sich in ihren Vereinen nach Konsessionen zu sondern. Der in Glogau tagende Lehrervcrein ist, wie das „B. T." schreibt, im Gegensatz zu drm paritätischen schlesischen Provinziallehrervercin» dem neben 4400 evangclischcn etwa 1300 katholische Lehrer angehören, gegründet worden. Es sei ferner auffällig, daß nach den vorliegenden Be richten zu den Versammlungen der paritätischen Lehrervereine dies Kwl Uiue Vertreter der Negierung erschient» find, während die katholische» Vereine Schlesiens und Westfalens begrüßt wurden. Tie „Bert N. N." bemerken dazu, daß in dein zu zwei Dritteln katholischen Nahem ein paritätischer Lehrervcrein de» weitaus größten Theil der Lehrer umfaßt und gegen denselben trotz aller Begünstigung durch die Geistlichkeit ei» später gegründeter katholischer Lehrervercin nicht anfkomnicn kan». Allerdings legt die bayerische Regierung dem paritätischen Lehrerverein keine Hindcrnisse in den Weg. Ausland. Frankreich. Major March and ist gestern Vvrmiitag in Paris cingetroffe». Eine ungeheure Meuscheiimenge Halle ans dem Lyoner Bahnhof »nd in dessen Umgebung Aufstellung genommen. Als Marchand ankom, »m einen Wagen zu besteigen, ertönte» brausende Hochrufe. Eine Gruppe von Deputaten bereitete ihm eine Ovation. Hieraus durchbrach die Menge die ausgestellte Trnppeu- kette, iokaß der Wagen nur langsam vorwärts gclangcn konnte. Marchand legab sich im Lause des Vormittags nach dem Marinc- Minislcrinm. Auf dem ganzen Wege wurde er ron der Bevölkerung lebhaft begrüßt. Vor dem Marinc-Ministcriui» halte sich eine un« aehci»c Menschenmenge angesammelt, >vell,c rief: „Fahnen! Fahnen! worauf au» den gegenüber liegenden Häusern Fahnen heransgesteckt wurden. Die Polizei ließ die Jahnen jedoch wieder entfernen. Hierbei kamen einige Zusammenstöße vor, Marchand erschien an der Seite Lockroy's mit den Theilnehmcrn seiner Expedition auf dem Balkon. Die Menge brach in stürmische Hochrufe au». Seit dem frühen Morgen war das prächtig geschmückte Gebäude des „Cercle militaire" von einer großen Menschenmenge uinlagert, die Hochrufe auf die Armee ausbrachte. Der Wagenverkehr war unterbrochen. Zahlreiche Privathäuser haben geflaggt. — I» St. Pierre auf Martinique verlautet mit Bestimmtheit, der am Dienstag in St. Pierre eingelaufene Dampfer „Lafayrtte" habe Offiziere und Mannschaften an Bord gehabt, die Dreysus nach Paris führen sollten. Diese Bewachungsmannschaft werde auf den Dampfer „Ville de Tag«" übergeführt werden, der sie nach Cayenne befördern werde. Niederlande. Der „Standard" meldet aus dem Haag: Alle russischen Vorschläge zu Gunsten der Einschränkung der Verwendung neuer Zerstöruugswaffen wurde» förmlich verworfen, ausgenommen die betreffs der Gewehrkugeln und der Entladung von Sprengstoffen aus Luftballons. Der britische Vertreter trat für die Beibehaltung der Dumdumkiigel ein, die Entscheidung darüber wurde vertagt. Die französischen Delegirten bekämpfte» kräftig die von Rußland und England begünstigte Ausschließung unterseeischer Boote. so tritt Gefängnißstrafe nicht unter Einem Monate, gegen di« Rädelsführer Gefängnißstrafe nicht unter sechs Monaten ein. Ist in Folge des ArbeiterauSstandes oder der Arbeiteraussperrung eine Gefährdung der Sicherheit des Reichs oder eines Bundesstaats ein- getreten oder eine gemeine Gefahr für Menschenleben oder da» Eigenthum herbeigeführt worden, so ist auf Zuchthaus bi» zu drei Jahren, gegen die Rädelsführer auf Zuchthaus bis zu fünf Jahres zu erkennen. Sind in den Fällen des Abs. 2 mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnißstrafe nicht unter sechs Monaten, für die Rädelsführer Gefängnißstrafe nicht unter Einem Jahr ein. 8 9. Soweit »ach diesem Gesetz eine gegen einen Arbeitgeber gerichtete Handlung mit Strafe bedroht ist» findet die Strasvorschrist auch dann Anwendung, wenn die Handlung gegen einen Vertreter des Arbeitgebers gerichtet ist. 8 10. Die Vorschriften dieses Gesetzes finden Anwendung 1. auf Arbeits- oder Dienstverhältnisse, die unter den 8 162 der Gewerbeordnrng fallen; 2. auf alle Arbeits- oder Dienstverhältnisse in solche» Reichs-, Staats- oder Kommunalbetrieben, die der Landes» vertheidigung, der öffentlichen Sicherheit, dem öffentlichen Verkehr oder d« öffentlichen Gesundheitspflege dienen. 3. aus alle Arbeits» oder Dienstverhältnisse in Eisenbahnunternehmuiigen; 8 11. Der 8 163 der Gewerbeordnung wird aufgehoben. Die Begründung der Vorlage sucht zunächst aus den Ziffern der Kriminalstatistik die Nothwcndigkeit einer Erweiterung und Verschärfung der bestehenden Strafvorschriften herzuleiten und geht dann dazu über» einzelne Beispiele terroristischen Verhaltens von Ausständigen gegenüber arbeitswilligen Genossen anzusühren, welche die UnhaUbarkeit des bisherigen Rechtszustandes darthun sollen. Nicht selten haben sich die Streilsührer eine förmliche Herrschaft über die Arbeiter angematzt und Letztere mit den verwerflichsten M.tteln der Gewalt oder der Einschüchterung unter die Befchlüffe einer streiklustigen, ost nur geringen Minderheit zu beugen gesucht. Hierin sind sie durch die sozialdemokratische Presse bestärkt worden, die sich nicht scheut, Arbeiter, die sich an einem Arbeitskampfe nicht beteiligen, als Berräther, als Ehrlose zu lncckndinarke». Dabei wird kein Unterschied gemacht, ob es sich um einen AnSstand Handels dem eine gewisse sachliche Berechtigung z» Grunde liegt und der Aussichten dcs Gelingens bietet, ovcr nni eine» von vornherein Die Zuchthaus-Vorlage. Wie wir bereits gestern im Depeschentheil berichten konnten, ist die Vorlage im Reichstage zur Bertheilung gekommen. Bei dem regen Interesse, welches alle Kreise dieser Vorlage entgegenbriugeu, ist es nöthig, den Inhalt derselden kennen zu ternen. Sie soll im Wesentlichen de» tz 1b3 der Gewerbeordnung ersetzen, der nur eine Maximatstrase von 3 Monaten Gcsängniß Vorsicht, während dann bis auf 5 Jahre Zuchthaus erkannt werden kann. Die Vorlage hat folgenden Wortlaut: Entwurf eines Gesetzes znm Schntze des gewerdltche» Arbeitsverhältttisfes. 8 1. Wer es unternimmt, durch körperlichen Zwang, Drohung, Ehrverletzung oder Verrnfserklärimg Arbeitgeber oder Arbeitnehmer Llg'/totH/'aüf- zur Theilnahiiie an Vereinigungen oder Verabredungen, die einet ^drängt wird. Auf diese Weise droht das Koalit/viisre.Hi zu einem Einwirk,,,,g auf Arbeits- oder Lohnverhättiiisse bezwecken, zu bc.i^a,,t,oi,szwa„g ausz,.arten, i,„d es inchiei, sich die Anzeichen, daß stimmen oder von der Theiliiahme an solchen Vereinigungen oder^,1 leitenden Steilen der Agitation im Begriff ist, unter Verabredungen abzuhalten, wird mi't Gcfäiigiiiß bis zu einem Jahre K>ga,,t,onsre.ht di- Vefiigniß zu verstehen. Alles thui, zu dürfen, bestraft. Sind niilderiide Umstände vorhanden, so ist auf Geldstrafe w,,z im Eiuzelfalle geeignet ist, der Koalition die von ihren Förderern bis zu eintausend Mark z» erkennen. I gewünschte Wirksamkeit zu verschaffe». Es liegt auf der Hand, daß ß 2. Die Strafvorschristen des 81 finden auch auf Denjenigen einer solchen mit einem geordneten Staatswesen nnvereindareii, auf Verwirrung der Rechtsbcgri'sse hinanslanfende» Auffassung entgegen. Anwendung, welcher unternimmt, durch körperlichen Zwang, Drohung, Ehrverletzung oder Verrusscrklärung 1. zur Herbeiführung oder Förderung einer Arbcilerausspcrrnng Arbeitgeber zur Entlassung von Arbeitnehmern zu bestimmen oder an der Annahme oder Heran ziehung solcher zu hindern, 2. zur Herbeiführung oder Förderung ein s ArbeiterauSstandes Arbeitnehmer z»r Nicderlegung der Arbeit zu bestimmen oder an der Annahme oder Aufsuchung von Arbeit zu hindern, 3. bei einer Arbeiteraussperrung oder einem Arbeiteraus- stande die Arbeitgeber oder Arbeitnehmer zur Nachgiebigkeit gegen die dabei vertretenen Fordcrnngen zu bestimmen. 8 3. Wer cs sich zum Geschäfte macht, Handlungen in 83 i, 2 bezeichneten Art zu begehen, wird mit Gcsängniß bis zu drei" Monaten bestrast. 8 4. Dem körperliche» Zwange im Sinne der 88 1 bis 3 wird mit Beschädigung oder Vorenthaltung von Arbeitsgeräth, Arbeits- matcrial, Arbcitserzcugnissen oder Kleidungsstücke» glcichgcachtet. Der Drohung im Sinne der 88 1 bis 3 wird die planmäßige Uebcr- wachnng von Arbeitgebern, Arbeitnehmern, Arbeitsstätte», Wege», Straßen, Plätzen, Bahnhöfen, Wasserstraßen, Hafen- odcr sonstigen Verletz rsanlagen gleich geachtet. Eine Bernsserklärnng oder Drohung ii» Sinne der 88 1 bis 3 liegt nicht vor, wenn der Thäter eine Handlung vornimmt, zu der er berechtigt ist, insbesondere wenn er besugtcrweise ein Arbeits- odcr Dicnstverhältniß ablehnt, beendigt odcr kündigt, die Arbeit einslellt, eine Arbeitseinstellung oder Aus sperrung svrtsetzt, odcr wen» er die Vornahme einer solchen Handlung in Aussicht stellt. 8 5. Wird gegen Personen, die an einem Arbeiteranssland oder einer Arbeiteransspecrung nicht oder nicht dauernd Theil nehmen oder nicht Theil genommen haben, ans Anlaß dieser Nichtbelheilignug eine Beleidigung mittels Thällichkcit, eine vorsätzliche Sachbeschädigung begangen, so bedarf es zur Verfolgung keines Antrags 8 6. Mer Personen, die an einem Arbeiterausstand oder einer Arbeiteraussperrung nicht oder nicht dauernd Thcit nehmen oder Theil genommen habe», aus Anlaß dieser Nichtbelheilignug bedroht oder i» Verruf erklärt, wird mit Gefängniß bis zu Einem Jahre bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so ist auf Geldstrafe bis zu eintausend Mark zu erkennen. 8 7. Wer an einer öffentlichen Zusammenrottung, bei der eine Handlung der in de» 88 1 bis 6 bezeichneten Art mit vereinten Kräften begangen wird, Theil nimmt, wird mit Gcsängniß bestraft. Die Rädelsführer sind mit Gesnngniß nicht unter drei Monaten zu bestrafen. 8 6. Soll in den Fällen der Z8 1, 2, 4 ein Arbeitcrausjtand odcr eine Acbciteranssperrnng hcrbcigcführt oder gefördert werden und ist der Ansslaud oder die Aussperrung mit Rücksicht ans tie Natur oder Bestimmung des Betriebs geeignet, die Sicherheit des Reichs oder ciucs Bundesstaats z» gefährden oder eine gemeine Gefahr für Menschenleben oder für das Eigenthum herbciznsühren, getreten werde» muß. Dem Rechte des Einen, durch Koalition bessere Arbeitsbedingungen zu erkämpfen, steht gegenüber das Recht des Anderen ans freie Entschließung, ob er jenen Bestrebungen folgen will oder nicht. Aus diesen Gründen heraus ist die sogenannte Znchthansvorlag« entstanden, deren Berathung erregte Debatten im Reich tage Hervor rufen wird DerDreyfusprozes; vor vemKasiatioushofe. Paris, den 1. J»ui. Am Mittwoch war der Andrang weniger groß, als an den vorher gehenden Tagen. Generalprvknrator Manau fährt in seinen Ans» sührnngen sort und verbreitet sich cingchcnd über die Beschaffenheit des Pauspapiers, das zur Herstellung des Bvrdcrcans verwendet wnrde. Manau erklärt, die Aehnlichkeit des Papiers, ans dem das Bordercau geschrieben wurd-, mit dem Briefpapier Estcrhazy's spreche für die Unschuld Drcyfus'! Es werde Sache des neuen Kriegs- geri t ts sein, diese Unschuld öffentlich zu verkünden. Für den KassationS- hof genüge es, st stznslcllen, daß das Urtheil von 1894 verdächtig n»d anfechtbar erscheine. Manau führt weiter aus, daß Drcyfus mit dem Bordcrean nichts zu Ihn» habe, und wirft die Frage auf, ob thatsächlich ein Verralh vegaugcn worden sei, oder ob cs sich ein- sach um eine Mhsiifiziumg und eine» Gannerstreich handele. Wcüer stellt der Geucralprvkurator fest, daß im Privatleben Drchsus nichts zu sinken sei, was ihn belaste, daß dagegen das Privatleben Ester- yazy's viel Belastendes anfweise. Hierauf wird die Sitzung unterbrochen. I» der Donnerstag-Sitzung erllärte der Verthcidiger Drcyfus'. Mornard, sein Plaidvyer werde etwa 5 Stunden dauern. Mornard drückt znm Beginn seiner Ausführungen die Hoffnung aus, endlich die Unschuld Drcyfus' v.rkündct und die Geister beruhigt zu sehen. Ferner stellt Mornard in seinem Plaidvyer fest, daß Alles bei Drcyfus, der ein hervorragender, unterrichteter und reicher Offizier gewesen sei, für seine Unschuld zeuge. Mornard bezeichnet als die neue Thatsache, welche die Revision nvlhwendig mache, den Umstand, daß in dem Prozesse vom Jahre 1S94 Drcyfus gewisse Akten nicht mitgetheilt worden sek». Auch giebt er der feste» Ueberzengung Ausdruck, daß das Bordercau nicht von Dreysus hcrrühre. Nach einer kurzen Unterbrechung der Sitzung setzte Mornard sein Plaidvyer fort. Er hält die Notizen des Boreercans für völlig werthlol und sucht nachzuwcisc», daß die im Bordercau erwähnte» Schriftstücke nicht ans dem Kriegsministerinm, sondern von einem Trnppenkörper oder dem Lag:r von Chülons herrührtc». Mornard erklärt weiter, daß Esterhazy der Urheber des Bordercaus sei und stellt fest, daß, wie die Unlersuchnng ergeben habe, mit Esterhazy zum Zwecke der Spionage in Beziehungen gestanden habe. Dan» sagte Mornard wörtlich: „Ich erbringe Ihnen hier den buchstäblichen Beweis für " - ^4 W - i » v