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Nr. 52/1914 PAPIER-ZEITUNG 1767 Bemerkenswerte Unfälle bei der Papiermacher- Berufsgenossenschaft (Aus dem Verwaltungsbericht 1913) Ein jugendlicher Arbeiter benutzte die Mittagspause, um un befugter Weise vom Papiermaschinenraum durch das mit einem Holz deckel überdeckte Ausschlupfloch auf das flache Dach zu steigen. Ueber dieses Dach führen in 1 m Höhe mehrere Starkstromleitungen nach verschiedenen Gebäuden, was dem Verunglückten jedenfalls unbekannt war. Als ein nachsteigender Mitarbeiter den Kopf durch das Ausschlupfloch steckte, sah er seinen Kameraden bereits tot über einem Draht hängen. Zur Vermeidung eines ähnlichen Unfalls wurde der Deckel verschließbar gemacht und der Schlüssel dem Be triebsleiter in Verwahrung gegeben. Außerdem wurde an dem Deckel eine Warnungstafel angebracht. Ein Arbeiter wollte vom oberen Kocherboden einer Zellstoffabrik mittels Flaschenzuges durch ein rechteckiges Schachtloch von 45/100 cm von dem 10 m tiefer hegenden unteren Boden Neublei zur Reparatur der inneren Kocherverkleidung heraufziehen. Beim Ablassen des Flaschenzugs bekam der Verletzte das Uebergewicht und stürzte 10 m tief ab, wodurch er sich einen Schädelbruch zuzog, dem er nach € Wochen erlag. Ein Arbeiter, der beim Abladen von Papierrollen von einem Hand wagen beschäftigt war, glitt aus und fiel rückwärts hin. Der noch mit einer Rolle Papier beladene Wagen schlug ihm auf den Unterleib, was schwere innere Verletzungen verursachte, so daß der Verun glückte nach 4 Tagen starb. Beim Einlegen von Holz in die Hackmaschine stieß sich der Ver letzte einen Holzsplitter in den rechten Ringfinger. Er beachtete die unbedeutende Verletzung nicht, bis Blutvergiftung eintrat, welche nach 8 Tagen den Tod herbeiführte. Ein Arbeiter schnitt sich am Lumpenschneider die Endglieder des Mittel- und Ringfingers der rechten Hand ab. Diese Verletzung führte durch Infektion nach 9 Tagen zu Wundstarrkrampf und endete mit dem Tode des Verletzten. Ein Arbeiter fiel mit dem Arm in ein am Boden laufendes Kamm radgetriebe. Die erlittene Verletzung hatte den Verlust des Armes zur Folge. Der Verletzte behauptete im Gegensatz zur Werkleitung, daß das Schutzgeländer gefehlt habe. Auch die Zeugenaussagen waren sehr widerspruchsvoll. Nach den örtlichen Feststellungen und den behördlichen Untersuchungen kam jedoch der Sektionsvorstand zur Ueberzeugung, daß das Geländer nicht vorhanden war und beschloß, die Bestrafung des Unternehmers zu beantragen. Ein teils durch direkten Dampf aus dem Dampfkessel, teils durch Abdampf der Dampfmaschine gespeister Trockenzylinder explodierte, wobei ein Arbeiter an der Papiermaschine, welcher in folge deserheblichen Steigens des Manometers den direkten Frischdampf absperrte, schwer verletzt wurde. Die Explosion war offenbar darauf zurückzuführen, daß das Ventil der Dampfmaschine nicht mehr dicht war und durch dieses Ventil außer dem reduzierten Frischdampf vom Dampfkessel noch direkter Dampf von höherer als der benö tigten Spannung in den Trockenzylinder gelangte. Ein Anstreicher wollte die Lagerböcke einer Transmission strei chen. Obwohl vorher gewarnt, bestieg er eine Leiter während des vollen Laufes der Transmission. Er wurde von dieser erfaßt, einige Male mit herumgenommen und dann zu Boden geschleudert. Die erlittenen Verletzungen waren so erheblich, daß der Tod am folgenden Tage eintrat. Beim Auffahren der Papierbahn kam eine Maschinengehilfe durch zu weites Vorstrecken der rechten Hand zwischen Trockenfilz und Trockenzylinder. Hierdurch wurde er in die Papiermaschine hinein gezogen. Die erlittenen Quetschungen hatten den augenblicklichen Tod zur Folge. Ein Kollergangführer ölte in der Pause den vorher stillgestellten Kollergang. Ein anderer beim Kollergang beschäftigter Arbeiter nahm irrtümlich an, daß der Kollergangführer ausgetreten sei, und setzte den Kollergang wieder in Betrieb. Hierdurch geriet der rechte Fuß des Kollergangführers in das Gangwerk des Kollergangs. Die erlittenen Quetschungen machten eine Amputation des Fußes erforderlich. Ein Maschinenführer griff mit der linken Hand an den Filz einer Papiermaschine, um Falten, die sich gebildet hatten, zu beseitigen. Er geriet hierbei mit der linken Hand zwischen Filz und Walze. Die erlittenen Verletzungen führten zur fast völligen Amputation des linken Armes. Ein Lehrling verunglückte schwer beim Auflegen eines Antrieb riemens der Feuchtmaschine, obwohl ihm diese Tätigkeit von seinem Lehrältesten untersagt war. Beim Herabnehmen einer schweren Schiene aus dem hinter einer Rührbütte befindlichen Haken rutschte ein Arbeiter aus, kam zu Fall und geriet mit dem rechten Bein in die Antriebsscheibe der im Be triebe befindlichen Rührbütte. Die äußerst komplizierten Bein brüche hatten am nächsten Tag den Tod zur Folge. Beim Oeffnen eines Hahnes der Rohrleitung im Kesselbause ver unglückte ein Arbeiter infolge eigener Fahrlässigkeit. Statt eine Leiter zu holen, stieg der Betreffende auf das Speisewasserbassin, verlor das Gleichgewicht, stürzte in das Bassin und verbrühte. Zwei Heizer erlitten durch Platzen eines stählernen Siederohrs schwere Verbrühungen am ganzen Körper, an denen sie — der eine noch am Tage des Unfalls, der andere zwei Tage später — starben. Ein Maurer wurde in einer Baugrube durch einen sich loslösenden Zementblock erdrückt. Ein Arbeiter wurde beim Füllen einer Stauferbüchse von Teilen eines sich drehenden Sodaofens erfaßt und tot gequetscht. Ein Maschinengehilfe geriet bei Bedienung eines Querschneiders, indem er abgelegte Bogen glatt stoßen wollte, unter das Messer, das ihm Glieder von vier Fingern der rechten Hand abschnitt. Eine Arbeiterin wollte Papierschnitzel aus dem soeben abgestellten Querschneider beseitigen. Das Messer ging nochmals nieder und schnitt die Endgleider von drei Fingern der rechten Hand ab. Ein Arbeiter wurde durch Spiengstücke einer explodierenden gußeisernen Riemenscheibe getroffen und erlitt schwere Verletzungen. Die Scheibe wurde aus Anlaß der Neumontierung auf Tourenzahl geprüft; vielleicht ist die zulässige Tourenzahl überschritten worden. Ein Schmierjunge und ein Maschinengehilfe wurden, der erstere beim Entfernen von festgeklemmtem Papier mit dem Arm, der andere beim Einführen der abgerissenen Papierbahn mit der Hand, zwischen Trockenzylinder und Leitwalze eingezogen. Der eine erlitt Armbruch und schwere Verbrennungen, der andere Brandquetschwunden an der Hand. Ein Holländermüller wurde beim Hinüberbeugen über eine Welle von dieser und einer auf ihr sitzenden kleinen Riemenscheibe sowie vorstehenden Stellschraubenköpfen erfaßt und mehrmals herum geschleudert. . Er erlitt schwere Beinquetschungen, Zerreißung von beiden Kniegelenkbändern und von Muskeln sowie Hautwunden. Beim Anheizen einer Lokomobile am Montag früh hat der Heizer den zu niedrigen Wasserstand nicht beachtet. Die glühend gewordene Feuerbüchse wurde heruntergedrückt, sowie Dampf und Wasser herausgeschleudert. Eine eigentliche Explosion hat nicht stattge- funden, doch wurde ein Mitarbeiter nicht unerheblich verbrüht. Ein Holzschneider benutzte beim Schneiden den Schutzhelm nicht. Der Helm wurde durch irgendwelche Umstände hochgeschleu dert und schlug dem Mann acht Zähne aus. Eine Arbeiterin suchte nach Arbeitsschluß eine Mitarbeiterin zum gemeinsamen Heimweg in einem im Umbau befindlichen Ar beitsraum auf und stellte sich dabei unter eine in Aenderung be griffene niedrige Transmission. Zufällig wurde die Transmission zu Prüfungszwecken auf kurze Zeit angelassen, erfaßte die Haare der Arbeiterin und riß ihr die Kopfhaut völlig ab. Bei der Geländeübung einer Kompagnie Infanterie gab diese in unmittelbarer Nähe einer freiliegenden Fabrik ein so heftiges Salven feuer ab, daß die im Fabrikhof haltenden 3 Lastgeschirre durch gingen. Beim Versuch, die Tiere zu halten, wurde der eine Kutscher erheblich verletzt. Das Riemenschloß eines schmalen, langsam laufenden Riemens streifte die zum Wiederauflegen des Riemens benutzte Leiter und warf den Arbeiter herab. Bei dem Versuch, den wieder abgelaufenen Riemen neu aufzulegen, riß der Riemen, das eine Ende fing den Arm des Helfers und brach dessen Unterarm. Beide Verletzte sind zur Zeit der Berichterstattung noch arbeitsunfähig. In einer Papierfabrik ist neben dem Kollergang eine Schlotte, durch welche das Rohmaterial von den Lagerböden heruntergeschafft wird. Um an der Schlotte etwas zu ordnen, stieg der Kollergang müller auf das angesammelte Rohmaterial, bekam das Uebergewicht, fiel in den laufenden Kollergang und zog sich schwere Quetschungen des Rückens, des Kreuzes und der Rippen zu. In einer Papierfabrik führten fremde Kupferschmiede Schweiß arbeiten mit Acetylengas aus, benutzten aber leichtsinniger Weise die Wasservorlage nicht. Die erfolgende Explosion des Apparates verletzte außer den Kupferschmieden selbst, auch zwei Arbeiterder Papierfabrik und zertrümmerte Hunderte von Fensterscheiben. Das nicht auszumerzende Stehen auf dem Kutscherstande beim Fahren der kleinen Lowren hatte vielfach schwere Unfälle im Gefolge. Es kann daher nicht oft genug eine Ermahnung an die Platzmeister ergehen, den Arbeitern den Aufenthalt auf den I.owren beim Fahren streng zu untersagen. Beim Entladen von Eisenbahnwagen durch Arbeiter, die mit der Gefahr anscheinend nicht vertraut waren, verunglückte eine Person tödlich, indem sie zwischen die Puffer kam. In einer großen Zellstoffabrik hatte der Vorarbeiter versehentlich an einem Kocher, in dem sich einige Arbeiter zwecks Entleerung auf hielten, das von der gemeinsamen Laugenentleerungsleitung nach einem seitlichen Stutzen des Mannlochhalses führende Zwischen stück nach erfolgtem Laugenentleeren und Auswaschen des Kochers nicht mit einer Blindscheibe abgeflanscht. Als dann zufällig ein be nachbarter Kocher in dieselbe gemeinsame Entleerungsleitung ent leert wurde, traten Laugendämpfe durch den offenen Stutzen in den Kocher. Die Arbeiter zogen sich dabei Augenentzündungen und Katarrhe zu. Zur Vermeidung derartiger Unfälle erfolgt künftig die Entleerung statt in den seitlichen Stutzen des Mannlochhalses durch ein auf dem Mannlochdeckel befestigtes Eckventil. An dieses schließt sich das Zwischenstück an, welches in die gemeinsame Entleerungs leitung entleert und nach erfolgter Laugenentleerung und Nach spülung abgenommen wird. Der dann sichtbar ins Auge fallende Stutzen der Hauptleitung steht offen und muß durch Blindscheibe und Flansche abgeschlossen werden. Sollten aber dennoch Gase austreten, so werden sie nicht mehr direkt in den Mannlochhals des Kochers, sondern um denselben ziehen. Immerhin gibt aber die sicht bar offene Leitung eine Warnung für den Vorarbeiter und'die ihm unterstellten Arbeiter ab.