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27 Um zu beweisen, dass Gutsmuths diese Auffassung hatte, brauche ich nur die Überschriften der ersten Abschnitte seiner Gymnastik f. d. Jugend (1793) anzuführen, welche lauten: I. Abschnitt: „Wir sind schwächlich, weil es uns nicht einfällt, dass wir stark sein könnten, wenn wir wollten.“ II. Abschnitt: „Folgen der gewöhnlichen Erziehungsweise, besonders der vernachlässigten körperlichen Bildung.“ III. Abschnitt: „Alle Mittel, die man bisher gegen die Folgen der Weichlichkeit anwendete, sind nicht hinreichend.“ Im V. Abschnitt spricht G. es aus, indem er den Zweck der Gymnastik angiebt, dass Eigentümlichkeit des Naturmenschen — körperliches Wohlsein neben Roheit des Geistes, des Kulturmenschen — Siech heit und Verweichlichung neben Geisteskultur sei; und dieser Siechheit und Verweichlichung soll eben die Gymnastik entgegenarbeiten. Er sagt wörtlich (S. 197): „Lasst uns demnach der körperlichen Erziehung mehr Ton und Kraft geben, dem, was ich Verfeinerung nannte, wirksam entgegenarbeiten; und so sei denn der einzige, wahre Hauptzweck der Gymnastik Harmonie zwischen Geist und Leib.“ Wie aber steht Jahn zu dieser Auffassung? Er sagt (Deutsche Turn kunst von Jahn und Eiselen, 1816. S. 209). [Ich citire den bereits so oft citirten Ausspruch:] „Die Turnkunst soll die verloren gegangene Gleich mässigkeit der menschlichen Bildung wiederherstellen, der bloss ein seitigen Vergeistigung die wahre Leibhaftigkeit zuordnen, der Überver feinerung in der wiedergewonnenen Männlichkeit das notwendige Gegen gewicht geben und im jugendlichen Zusammenleben den ganzen Menschen umfassen und ergreifen.“ Er hat also genau dieselbe Auffassung. Diese Auffassung hat den Betrieb des ersten Turnens so gestaltet, wie er war, sie hat dem alten Turnen seine Signatur gegeben, nämlich darin, dass in erster Linie Gewicht gelegt wird auf die hygienische Wirkung, in zweiter Linie auf das erziehlich Sittliche, auf die Erwer bung hoher sittlicher Eigenschaften und in dritter Linie erst auf Erlernung von körperlichen Fertigkeiten. Als Mittel zur Erreichung dieser Zwecke wurden benutzt: 1. Der Betrieb im Freien, in Feld und Wald. 2. Wanderungen, Bewegungsspiele im Freien, besonders Kampfspiele, ferner Baden, Schwimmen und Eisläufen. 3. Die eigentliche formelle Leibesübung.