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Tagesgeschichte.. Freibergs 10. Juli. Wir sind gewohnt die Urheber schaft des derühmt gewordenen Ausdruckes „der Türke ist ein kranker Mann" dem Kaiser Nikolaus zuzuschreiben. Dem ist aber streng genommen nicht so. Bekanntlich stand Voltaire (1694—1778) mit Katharina II. von Rußland in lebhaftestem Briefwechsel und leitete eine Zeitlang nicht ohne bedeutende Wirkung die Politik der Kaiserin gegen die Türken. Biswei len fand sie seine Pläne und Rathschläge doch etwas zu rasch und leidenschaftlich, und sie gab ihm dies bei einer Gelegenheit zu erkennen. Da schrieb Voltaire: Votre Glasest« äira gue je 8M8 walaüe, wajg les l'or^ 8vnt plv8 walaäe8 gue woi! d. h. Ew. Majestät glaubt, ich sei krank, allein die Türken sind krän ker als ich. Und in der That sind die Türken eigentlich nie gesund gewesen, d. i. die Türken sind stets der Krankheitsstoff des europäischen Staatenkörpers gewesen, aber die Reactions- kraft desselben hat sich zu keiner Zeit einheitlich genug gezeigt, um jenen Krankheitsstoff ausstoßen zu können. Denn die Er fahrungen, die wir so zu sagen aus eigener Anschauung ken nen, stimmen genau überein mit dem, was wir aus der letzten Hälfte des 15. Jahrhunderts über Frankreichs, VenedigS und Oesterreichs Politik der Türkei gegenüber wissen. Man fragte, als namentlich Frankreich mit seinem Vertreibungsplane der i Türken her^ortrat: „wem sollen die Eroberungen in den Do nauländern gehören?" An dieser Frage zerschellte schon damals alle und jede Einmüthigkeit der europäischen Mächte. Dresden, 8. Juli. Aus den Kammerberichten entnehmen wir interessante Nachweisungen aus unserm Militärdepartement. Wir wollen eine kleine Blumenlese daraus halten, wenn man sonst Blumen in diesem Theil der Staatsverwaltung pflücken kann. Die Regierung forderte auf die Finanzperiode 1855/57 2,038,168 Thlr. etatmäßig und 14,293 Thlr. transitorisch, zu sammen daher 2,052,466 Thlr. und mithin 119,049 Thlr. mehr als in der abgelaufenen Periode. Das Mehr beträgt eigentlich 151,334 Thlr., wird aber durch 32,285 Thlr. herabgesetzte For derung auf 119,094 Thlr. gebracht, und wird besonders durch die erhöhten Brot- und Futterpreise erzeugt. Der Stand unse rer Armee ist dermalen 24,737 Streitende und 1939 Nichtstrei tende, zusammen 26,676 Mann. Davon werden 8330 Strei tende und 938 Nichtstreitende fortwährend, dagegen 11,115 Strei tende 28 Tage sang, 40 42 Tage lang, 3511 91 Tage lang, 190 89 Tage lang, 700 214 Tage lang, 215 Nichtstreitende 61 Tage lang präsent gehalten, 851 Streitende und 788 Nichtstrei tende stets beurlaubt. Nach den Bundesbeschlüssen von 1853 und 1855 muß Sachsen ein Bundescontingent von 20,000 Mann, nämlich 14,000 Mann Hauptcontingent von 1*/«, 4000 Mann Reservecontingent von '/z und 2000 Mann Ersatzcontingent von V« -es bisherigen Contingents an streitbarer Mannschaft stellen. Leipzig, 9. Juli. Wie man vernimmt, steht Professor Liebner in reger Unterhandlung mit dem Ministerium wegen Uebernahme des Amts als Oberhofprediger. (D. A. Z.) Dresden, 9. Juli. Die gestern im k. Großen Garten von dem sächsischen Pestalozzivereine veranstaltete Säcularfeier, dir dem bekannten historischen Ereignisse galt, fand unter außer ¬ ordentlicher Theilnahme des Publicums statt und verlief in sehr erfreulicher Weise. Sie begann um 4 Uhr Nachmittags und waren dabei die hiesige Liedertafel, der Orpheus, der Lieder kranz, die Germania, die Harmonie aus Meißen, die Meißner Liedertafel, die Sänger aus dem Plauenschen Grunde und aus der Umgegend von Dresden, sowie das Gardereiter-Trompeter chor, das Musikchor des 3. Jägerbataillons, das Mufikchor von G. Kunze und in drei Abtheilungen das Musikchor der Bri gade Kronprinz und außerdem 300 Mädchen und 400 Knaben thätig. Im Palaissaale eröffnete Weber's Jubelouverture, durch das G. Kunze'sche Chor ausgeführt, und ein trefflicher Prolog, gedichtet von A. Mende und mit Begeisterung vorgetragen von Fräulein Berg, die Festfeier, worauf alsdann, nachdem der hie sige Chorgesangverein unter Leitung des Musikdirectors Pfretzsch ner Lieder von Mendelssohn, Gade und Schumann gesungen, die vorgenannte Hofschauspielerin noch ein Gedicht: „Der Bür ger von Freiberg" von A. Döring sprach. Nach dem fernern Vortrage von Compositionen Reissiger's, Hauptmann's und Men- delssohn's durch den Chorgesangverein trat die Liedertafel auf, welche unter Direction von C. A. G. Naumann „Sei gegrüßt, mein Vaterland!" von C. Krebs und R. Schumann's Wald- lied ans „Der Rose Pilgerfahrt" sang. Neu an Lieser Stelle und eigenthümlich ergreifend war der Eindruck, den der Ge sang (darunter ein Festlied von M. Heger und Naumann) der 300 Mädchen hervorbrachte, die fast sämmtlich in die sächsischen Landesfarben gekleidet erschienen waren. Und wie der Prolog von der Bedeutung des Tages ausgegangen, so knüpfte auch der Schlußgesang von vr. Lindner und Hr. Marschner wieder an das Ereigniß an; derselbe wurde unter Instrumentalbeglei tung von dem Chorgesangvereine gesungen, wobei Herr Buchh. Fr. Arnold das Tenorsolo übernommen hatte. Alle die ge nannten Piecen wurden höchst gelungen ausgeführt und fanden bei dem zahlreich anwesenden Auditorium verdienten und leb haften Beifall. Eine ganz besondere Weihe erhielt die gestrige Festlichkeit" die in den spätem Nachmittags- und Abendstunden sich des einladcnsten Wetters erfreute, aber insbesondre dadurch, daß unser allverehrtes Königshaus derselben fast für eine Stunde seine hohe Gegenwart schenkte. Ihre Majestäten der König und die Königin, sowie Ihre Königl. Hoheiten der Kronprinz, die jüngern Prinzessinen und die Prinzessin Auguste erschienen, von Pillnitz kommend, bald nach halb 7 Uhr, wurden bereits am Eingänge des Großen Gartens von Gesang- und Jnstru- mentalvorträgen empfangen und traten alsdann in dem am Teichplatze aufgestellten Zelte ab, wo der Vorstand des Pefta- lozzivereins ein Hoch ausbrachte, in welches die versammelte Menschenmenge auf das Lebhafteste einstimmte. Vor dem Zelte waren die. 300 Mädchen aufgestellt, welche einen Festgesang er tönen ließen, dem sich alsdann ein Lied des Chorgesangvereins anschloß. Von hier aus begaben sich die allerhöchsten Herrschaf ten, an verschiedenen Punkten von Gesang und Instrumental musik begrüßt, zu Fuß nach der großen Wirthschaft und spra chen wiederholt ihre Freude über das Gelingen des schönen Volksfestes gegen die sie begleitenden Vorstandsmitglieder des Vereins aus. Während die hohen Gäste im Glassalon ver weilten, trug unter Anderm der Männergesangverein unter Di rection I. G. Müller's das Sachsenlied vor. Von den reich-