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Traubenernte sein, wenn aus den prächtigen, sonnendurchglühten, süßen Trauben der schwarze schwere Algierwein gekeltert wird. Vor Tlemcen ist das Land von tiefen Schluchten zerrissen. Araberhütten, von stacheligen Kaktushecken umgeben, kleben an den Felsen; Herden von Schafen und Ziegen suchen spärliche Nahrung. Tlemcen, die ehemalige Hauptstadt eines mohammedanischen Königreiches, hat heute etwa 40000 Einwohner. Schöne alte Kunstbauten stammen aus der maurischen Zeit. Die uralten Überlieferungen treu gebliebene Eingeborenenbevölkerung wirkt in ihren Gewändern sehr malerisch. Sie treibt Handel mit Lederwaren, Teppicharbeiten, Flachs, Wein, Olivenöl, Obst, Gemüse und anderen Erzeugnissen des Landes. Das nahe Oudjda liegt bereits in Marokko. Hier findet Paßkontrolle statt, und es wird festge- stellt, ob die Einreiseerlaubnis, die vier Wochen vor Antritt der Reise bei einem französischen Konsulat nachzusuchen ist, im Paß bescheinigt ist. In der Stadt der Eingeborenen, die von- hohen Mauern mit Bastionen und Zinnen umgeben ist, herrscht echt orientalisches Leben. Bereits hier an der Grenze fühlt der Reisende, daß sich der Islam in keinem anderen Lande so unberührt von fremden Einflüssen erhalten hat wie in Marokko. Oudjda ist Endstation der Eisenbahn. Die Reise wird mittags mit dem Auto fortgesetzt, Marokko scheint nicht so fruchtbar zu sein wie Nordalgier,- das Land ist steinig und bergig, soll aber reich an Bodenschätzen sein. In mehrstündiger Fahrt wird ein größeres Araber= dorf erreicht. Kaum hält das Auto vor einer Wirtschaft, so umdrängen es die Eingeborenen und bieten Orangen, Teppiche, phantastisch geformte und verzierte Dolche und andere Reiseandenken an. Aber auch alle Kranken, Blinden und Verstümmelten des Ortes scheinen sich eingefunden zu haben, umjammern die Reisenden und erbitten eine kleine Gabe. Diebstahl des Reisegepäcks durch diese traurigen Gestalten ist jedoch nicht zu befürchten. Weiter geht die Fahrt, und immer wieder muß man die sichere Führung des raschen Autos auf schmalen, kurvenreichen Wegen am nahen Abgrund bewundern. Nacht sinkt herab, Regengüsse prasseln gegen die Scheiben, und endlich sind die Mauern von Fes erreicht. Düster und unheimlich ist der erste Eindruck, aber im europäischen Viertel ist es hell und freundlich, und bald fühlt man sich geborgen. Fes hat 120000 Einwohner, davon 110000 Mo= hammedaner, 5000 Israeliten und 5000 Europäer. Das Stadtbild ist außerordentlich malerisch. Leider stören elektrische Lichtanlagen und Kraftwagen sehr. Auf den Straßen und Märkten herrscht ein buntes Gedränge. Die Läden der Handwerker sind nach der Straßenseite offen, alle Arbeiten werden in einfachster Weise wie vor Jahrhunderten verrichtet. Die Wohnungen der Mohammedaner in den Seitengassen dagegen sind nach außen streng abgeschlossen wie eine Mauer. Weiter ging es mit der Bahn nach Westen, dem Atlantischen Ozean entgegen. Zunächst ist die Gegend bergig,- in der Ferne zeigen sich hohe schneebedeckte Gebirgszüge. Der Zug verläßt die Höhen und durchrollt eine weite, weite Ebene. Das Land wird fruchtbar und ist stärker besiedelt, Gemüse» und Kornfelder stehen in frischem Grün, mächtige Eukalyptusbäume ragen zum blauen Himmel. Plötzlich ein Flimmern vor den Fenstern, und schon schwirren Millionen Heuschrecken. Wie ein Schneetreiben zieht es vorüber, bald werden die grünen Fluren vernichtet sein. So bieten sich dem Reisenden immer wieder nie gesehene Bilder, die ihn in dauernder Spannung halten. Weiter rast der elektrische Zug und läßt Heuschrecken, Araberhütten und Bäume zurück. Noch ein langer, gar nicht vermuteter Tunnel, dann wird es wieder hell, und Rabat ist erreicht. Eine hohe Treppe des modernen Bahnhofes führt zum Ausgang, und ein ganz neues Bild überrascht höchst an» genehm. Man befindet sich mitten in der sehr eleganten Europäerstadt, die von einer breiten Palmen» allee durchzogen wird. Die Verlängerung dieser Straße führt zu dem alten Rabat. Hält man sich etwas links, so durchschreitet man ein uraltes Stadttor, die Häuser weichen zurück, es geht bergab, und das unendliche Meer breitet sich aus. Ein Abendspaziergang durch die Araberstadt bleibt unvergeßlich. Besonders schön sind hier die überdachten Straßen, Souks genannt. Die reichen Warenlager rechts und links bieten bei künstlich röt» lichem Licht einen märchenhaften Anblick. Zu empfehlen ist der Ankauf von Lederwaren, besonders Taschen, die nützlich, hübsch und billig sind. Doch jeder wählt, was ihm gefällt, und so finden die tollsten „orientalischen" Sachen ihren Liebhaber. Neben unnützem Tand werden in Rabat auch viele Lebensmittel angeboten. Wir sehen in dicken Bastkörben die in den Mittelmeerländern so beliebten Kichererbsen (Pois-chiches), daneben ganze Berge Walnußkerne, schon etwas ranzig schmeckend. Über einem Berg von Datteln thront der Verkäufer, und ohne sich von seinem Sitz zu erheben, gibt er mit einer Schaufel an langem Stiel Datteln und nimmt auf ihr das Geld in Empfang. Auch flache runde Brote fehlen nicht, und die Fleischläden bieten beinahe alles, was ein Tier an sich hat. Hier werden 330