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Hans Gerlach: Vom guten und schlechten Geschmack im Garten. Es sei gleich vorweg gesagt, daß nur dort ein guter Geschmack im Garten waltet, wo die ästhetischen und die praktischen Forderungen, und zwar beide in gleichem Maße, bei seiner Gestaltung Berücksichtigung finden. Er muß nicht nur seinem eigentlichen Zweck vollkommen entsprechen, material-sachlich und werkstoffgerecht gestaltet sein, sondern auch Gartenschönheit in sich schließen, die über diese eigentlich selbstverständlichen Dinge und über das rein technisch Sachliche hinausragt. Dabei hat geschmackvoll nichts mit vornehmer Äußerlichkeit zu tun. Ja stets wird es sogar zu Geschmacklosigkeiten im Garten führen, wenn jemand seinen Grundbesitz über seine Verhältnisse hinaus gestaltet. Oberster Grundsatz sei deshalb immer: Gestalte deinen Garten nach deinen Mitteln und halte nichts für besser, nur weil es kostbarer ist. Das mehr Scheinen als Sein durch Repräsentation am falschen Platze zeitigt stets ein protzenhaftes Überladen und zeugt von völliger Begriffsverwirrung zwischen Materialwert und schöpfe^ rischem Gestalten und ist gleichzeitig ein Beweis dafür, daß der Gartenbesitzer nicht im innigen Ver= hältnis zu seinem Garten steht. Ebenso geschmacklos ist es, irgendwelchen Modetorheiten bei der Gartengestaltung zu frönen. Von gutem Geschmack dagegen zeugt es, wenn man sich von der Willkür und der Übertreibung wechsel» voller Moderichtungen nicht beeinflussen läßt. Das Wesentliche im Garten muß stets die Freude am organischen Wachsen und Werden sein und fordert weitgehendste Berücksichtigung aller gärtnerisch-technischen Fragen, denn im Garten ist kein Ding so bedeutungslos und unscheinbar, daß es nicht zum Ausdruck eines guten Geschmackes beitragen kann. In der heutigen Zeit der Aufklärung und praktischen Förderung auf dem Gebiete der Wohnkultur sowie Erziehung zum guten Geschmack im Garten ist es eine der wichtigsten Aufgaben, das Ver= ständnis für den Zusammenhang von Inhalt und Form zu vertiefen. Mir deucht es als gutes Er» ziehungsmittel, einige Streiflichter auf die erschreckend weit verbreiteten Gartengeschmacklosigkeiten zu werfen. Da sieht man nur zu oft noch wunderliche Dinge, wie z. B. Muscheln, Wein», Bier» und Sekt» flaschen, wie auch Schnapskrüge, ferner Porzellanköpfe der Telegraphenleitungen als Beeteinfassungen, Felsanlagen aus Schlacke, Fliegenpilze in übernatürlicher Größe, aus Holz gedreht, als Sitzgelegenheit im Garten. Oft vergißt man auch, daß ein Blumenbeet, von Natur aus Fläche, niemals Körper werden kann. Auch sieht man häufig Laubengänge und Brückengeländer aus Knüppelholz, die in ihrer Art der Konstruktion jegliche Zweckmäßigkeit vermissen lassen. Übel sind auch die gußeisernen Garten» möbel, die durch Form und Anstrich Naturholzmöbel vortäuschen sollen, ganz zu schweigen von den kitschigen Zwergen und Rehen aus Ton. Neben diesen heute leider noch häufig anzutreffenden Ge» schmacksverirrungen begeht man ebensooft grobe Verfehlungen gegen das Material. Man vergißt, daß das schönste und beste Pflanzenmaterial nicht zur vollen Entfaltung gelangen kann, wenn man bei der Wahl Klima, Lage und Boden unberücksichtigt läßt. Die tollsten Entgleisungen erlebt man in den heute so beliebten Steingärten. Statt die Steine auf ihre Breitseite zu legen, wie es die Natur lehrt, stehen sie aufrecht da und wirken grotesk und un= natürlich, trotz reichlicher Verwendung von alpinen Gewächsen. Geradezu eine Unsitte ist es geworden, die Plattenwege übermäßig dicht mit Polsterstauden zu bepflanzen, so daß ihre Benutzung als Weg sehr behindert wird. Ebenso töricht ist es, die örtlich jeweils gegebene Eigenart des Gartens verwischen zu wollen, wie es nur gar zu oft geschieht, statt alles örtlich Gegebene entsprechend auszuwerten. Gerade hier läßt sich mit den oft zur Verfügung stehenden geringen Mitteln viel erreichen, denn die bestmöglichste Lösung bei der Gartengestaltung ist niemals an die Verwendung kostbarer Werkstoffe gebunden. Es zeugt z. B. von künstlerischer Gedankenarmut, wenn, wie es in Königsberg auf der Ostmesse 1932 geschah, das kleine Gärtchen zu einem ländlichen Siedlerhaus mit Knollenbegonien voll» gestopft wird, die sich ein Siedler niemals, am allerwenigsten aber in heutiger Zeit, leisten kann. Man scheint in gewissen Kreisen immer noch nicht gelernt zu haben, daß in heutiger Zeit die Verwendung eines kostbareren Materials, als für den betreffenden Zweck und für die beabsichtigte Wirkung not» wendig ist, sich ganz von selbst verbietet. Ohne Zweifel wird in Zukunft die Wahl des geeigneten Pflanzmaterials sorgfältiger getroffen werden müssen und nicht wie in diesem Falle dem Zufall über» lassen bleiben. Hier erschließt sich ein großes Feld der treuhänderischen Tätigkeit des dazu berufenen Fachmannes. Nicht unerwähnt sei ferner, daß die beste Gestaltung eines Gartens bei seiner Anlage aber auch von einer einwandfreien Arbeit abhängig ist. Erst dann wird von künstlerischer Gesinnung und Ver» antwortung beseelte formgebende Gartengestaltung dem guten Geschmack im Garten den Weg bereiten.