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in einen Moment. Aber es steckt die Wallfahrt auf Erden ungezählter Generationen darin. Über dieser Wallfahrt ragen wie Fahnen die Namen der Völker, der großen Kulturstätten, der Ideen empor. Die wundervollen Augen dieses Kindes sind keine Löcher, — sie starren nicht aus der Wirklichkeit fort ins ewig Dunkle. Aber es ist etwas darin wie Träumerei über endlose Räume und Stundenreihen fort, — ein Stück Er- innerungstranm der Menschheit, die des Künstlers Kraft auf einen Augenblick zum Individuum gebannt hat Im festen Kern ihrer Gestalt ist diese Madonna ein Weib. In Rafaels Nähe wird es Gestalten gegeben haben, die ihr unmittelbar ähnlich waren, die der Beschauer als irdisches Modell in Fleisch und Blut wiedererkaunt hätte. Diese engsten Beziehungen sind verschollen, — mit dem ausgelöschten Menschenindividuum Rafael, dessen Schädel in der alten heidnischen Götterrotunde des römischen Pantheons schläft, ist auch all das allzu Persönliche — vielleicht der Schatten starker, wilder, liebesatmender Mädchen, die dem asketischen Gläubigen Wohl die Madonnenandacht stören könnten — hinabgezaubert in die große Vergessenheit, mit so viel anderer rosenbekränzter Menschlichkeitsliebe, die das Los der Eintags fliege mit ihren zwei Stunden wie ein verwandtes fühlen mußte Aber es bleibt von allen persönlichen Be ziehungen ledig das Weib. Der Mensch erscheint, zerrissen in die Zweiheit der Ge schlechter. Mann und Weib. Das ist nicht erst errungen in der großen Folge zwischen Gorilla und Rafael. Der Herauf gang höherer organischer Entwickelung setzte damit ein. Im Tierreich wie im Pflanzenreich. Eine tiefe Naturnotwendigkeit, von der ich dir später erzählen werde, muß dazu gedrängt haben. Das einzellige Geschöpf niedrigster Art, noch jenseits von Tier und Pflanze, Pflanzt sich fort, indem es sich teilt, — jeder Teil wird ein neues Individuum. Aber diese schlichte Methode wird verlassen, indem die Organismen sich vorwärts