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Nr. 15. Freitag, den 10. April 1914. XVI. Jahrgang. Der Handelsgärtner Abonnementspreis bei direktem Betng vom Verlag: für Deutschland, Oesterreich und Luxemburg; M.5.—, für du Ausland M. 8.—, durch die Poet oder den Buchhandel M. 20.— pro Kalenderjsht. Ausgabe jeden Freitag. Handelszeitung für den deutschen Gartenbau Begründet von Otto Thalacker. — Verlag: Thalacker & Schwarz, Leipzig-R., ßomeniusstr. 17. Inserate 80 Pfennige für die vier- gespaltene Nonpareille-Zeile auf dem Umschlag 40 Pfennige, im Reklameteil M. 1.— für die sweigespaltene 105 mm breite Petit-Zeile. DasAbonnement gilt fortlaufend u. kann nur durch Abbestellung 14 Tage vor Jahresschluß aufgehoben werden Beachtenswerte Artikel in vorliegender Nummer: Hat der Gärtnereiberuf Vorteile von der Fachschulbildung seiner Lehrlinge ? Windende Loniceren. I. Was wird uns die neue Wechselordnung bringen? II. Handelskammerberichte: Berlin. I. Kultur, Pflanzenkrankheiten und Schädlinge, Neuheiten, Vereine und Versamm lungen, Unterrichtswesen, Lohnbewegung, Vermischtes. Marktberichte usw. Hat der Gärtnereiberuf Vorteile von der Fachschulbildung seiner Lehrlinge? Der Schwesterberuf der Gärtnerei, die Landwirtschaft, lehrt es uns, welche bedeutenden Vorteile ein Gewerbe hat, wenn es nach wissenschaftlichen Grundsätzen betrieben wird. Mit anderen Worten, wenn die Forschungsergebnisse der Wissenschaft in der Praxis angewendet werden. Die unrentable Brachwirtschaft ist längst verschwunden, die Erträge der Felder sind um 30 bis 100 Prozent gesteigert, wertvolle Viehrassen, die hohe Fleisch- oder Milcherträge geben, sind an die Stelle geringwertiger Schläge getreten. Den Pflanzenkrankheiten, die früher für viele Millionen Werte alljährlich vernichteten, geht man mit dem besten Erfolg zu Leibe. Und wenn auch noch manches zu wün schen übrig bleibt, so haben wir doch im allgemeinen ein erfreuliches Bild wirtschaftlichen Fortschrittes. Zu einem sehr wesentlichen Teile verdankt die Land wirtschaft dieses Vorwärtskommen der Förderung ihres Fachschulwesens, und im besonderen der allgemeinen Wür digung und segensreichen Wirksamkeit gerade der unter sten Fachschulgruppe, der landwirtschaftlichen Winter schulen. Diese vor allem sorgen dafür, daß die auf den Ver suchsstationen und Hochschulinstituten und in einzelnen Großbetrieben gemachten Erfahrungen und festgestellten wissenschaftlichen Forschungsergebnisse Gemeingut der breitesten Schichten der landwirtschaftlichen Bevölkerung werden und auch dem mittleren und vor allem dem kleinen Besitz zugute kommen. Wie weit sind wir noch in der Gärtnerei von ähnlichen Verhältnissen entfernt! Um nur ein paar Beispiele zu brin gen: Wie viele selbständige Gärtner gibt es, welche noch immer mit dem größten Mißtrauen der Anwendung der Handelsdünger in ihren Kulturen gegenüberstehen. Wie viele andere wieder machen verkehrten, die Pflanzen schä digenden Gebrauch von diesen Stoffen, benachteiligen sich selbst und indirekt auch diejenigen Kollegen, denen sie von ihrem Mißerfolg Mitteilung machen, wodurch diese natür lich gegen die an sich gute Sache erst recht mißtrauisch werden. Denn selbstverständlich ist ja nicht die eigene Un kenntnis schuld, daß das Ding schief gegangen ist, sondern „das Zeug“ selbst hat nichts getaugt, und seine Verwendung ist überhaupt Unsinn, Oder man denke daran, welche gro ßen Werte auch in unseren gärtnerischen Kulturen sich er halten lassen würden, wenn Kenntnisse über die Krank heiten und Schädlinge unserer Kulturpflanzen allgemein verbreitet wären und so eine rechtzeitige Erkennung und Bekämpfung möglich wäre. Welche Fehler würden sich bei Geschäftsgründungen vermeiden lassen, wieviel Kapi tal könnte dem Beruf als Ganzem erhalten bleiben, wenn sämtliche junge Gärtner Gelegenheit hätten, außer den eigentlichen Berufserfahrungen sich auch ein gewisses Min destmaß kaufmännischer Kenntnisse anzueignen. Die Bei spiele ließen sich leicht verzehnfachen; doch möge es bei den angeführten sein Bewenden haben. Es entsteht nun die Frage, auf welche Weise es zu er reichen ist, daß fortschrittliche, wissenschaftlich begrün dete Anschauungen in den weitesten Kreisen der Berufs angehörigen zur Geltung kommen, Wenn man ein Haus bauen will, so ist in erster Linie eine gute Grundmauer notwendig. Auf die Gärtnerei angewendet: Wir müssen dafür sorgen, daß der gesamte gärtnerische Nachwuchs mindestens mit den grundlegenden Kenntnissen ausgerüstet wird, welche notwendig sind, um im Sinne der bisherigen Ausführungen in unserem Berufe tätig zu sein und auf diese Weise dem einzelnen sowie der Gesamtheit des Berufes zu nützen. Allerdings geben wir gern zu, daß dieser Vorschlag kein Allheilmittel ist. Sicherlich über würden bei seiner allgemeinen Durchführung die segensreichen Folgen nicht ausbleiben. Denn aus den Lehrlingen werden Gehilfen, Obergärtner und schließlich Geschäftsinhaber, und nach Verlauf von 6, 8 oder 10 Jahren werden die guten Wir kungen unverkennbar sein. Es ist eine vielfach gehörte und auch durchaus nicht unbegründete Klage, die der Gärtnerei zugeführten Lehr linge entsprächen zu einem großen Teile von Jahr zu Jahr weniger den Anforderungen, welche im Interesse des beruflichen Fortschrittes gestellt werden müßten. Ja, häu fig ist es überhaupt nur mit den größten Schwierigkeiten möglich, einen Lehrling zu erhalten. Das trifft wenigstens für alle wirtschaftlich hochentwickelten Gegenden zu, in denen naturgemäß die bei weitem größte Mehrzahl der zum Erwerb betriebenen Gärtnereien sich befindet, weil hier die günstigsten Gelegenheiten zur Verwertung ihrer Er zeugnisse bestehen. Anderenteils werden aus wirtschaft lich unentwickelten Gegenden eine große Anzahl ungenü gend ausgebildeter junger Gärtner in die Welt geschickt, die dem Berufe wenig nützen. Beide Umstände tragen natürlich nicht dazu bei, die selbständigen Berufskollegen wirtschaftlich vorwärts zu bringen. Um so mehr sollten die Letztgenannten mit allen Mit teln darnach streben, die erkannten Nachteile aus der Welt zu schaffen. Beim großen Publikum ist die Meinung ver breitet, die Lehrlinge würden in den Gärtnereien allzu ein seitig nur als Arbeitskräfte betrachtet, nicht aber als junge Berufskollegen, auf denen die Zukunft des ganzen Standes ruht. Eines der besten Mittel, diese Anschauung zu wider legen, ist es zweifellos, wenn die Lehrherren sämtlich ihren Lehrlingen Gelegenheit geben, neben ihrer praktischen Ausbildung sich auch geistig in einer den Bedürfnissen der gärtnerischen Betriebszweige angepaßten Weise weiterzu bilden. Gerade der Gartenbau kann nur von solchen Leu ten mit vollem Erfolg und wirklicher Berufsfreudigkeit ge trieben werden, die mehr als mechanische Arbeiter sind.