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Nr. 100. Pulsnitzer Wochenblatt/— Dienstag, den 22. August 1S11. Seite 8. in die Stadt geworfen wurde, die jetzt von gegen 8000 Sol daten besetzt gehalten wird. — In Dublin sind 31 Po lizisten und über 100 Zivilisten bei Krawallen schrecklich verletzt worden. vis voraussicklNcd« Gestattung der Visbprelss unter vsrücksicdtigung der durcd die vürre dervorgeruksnsn §uttsrno1 und der neck im msr wütenden Maui- und kiausnfsucve. 8H<. Dresden, 17. August. Der Sachverständige der Berliner Handelskammer für das Viehhändler- und Fleischergewerbe G. Sponholz, sowie der Obermeister der Charlottenburger Fleischertnnung Paschke haben sich auf Ersuchen der Allgemeinen Fleischerzeitung über die voraus sichtliche Gestaltung der Viehpreise unter Berücksichtigung der durch die abnormen Witterungsverhältnisse der letz ten Wochen heroorgerusene Futternot und der noch im mer wütenden Maul- und Klauenseuche gutachtlich ge- äußert und ihre Ansichten in folgendem dargelegt. 1. Handelskammermitglied Sponholz: Infolge des Futter mangels werden die Besitzer ihren Viehstand verringern und mager znm Markt bringen und sind die Bestände bei günstigen Ernten nicht so schnell zu ersetzen. Bis jetzt zeigt der Berliner Markt noch nicht großes Angebot derartiger Tiere, doch ist dieses beim Wetterfortbestehen der herrschenden Gluthitze bestimmt zu erwarten. Die zu erwartende geringe Kartoffel- und Rübenernte bringt es mit sich, daß weniger Schlempe und Schnitzel erzeugt werden, die wir für unsern Viehstand so nötig brauchen, und die unS also fehlen werden. Hierzu kommt die schlechte amerikanische Maisernte und die geringere deutsche Haferernte, wodurch die Pferdebesitzer gezwungen werden Roggen statt Mais und Hafer zu füttern. Wenn sich die Berichte über die sehr schlechten Ernten an Rauh- futter, Rüben, Kartoffeln, Gemüse auch teilweise für Ge treide bewahrheiten und zum größeren Teile wird es der Fall sein, so gehen wir eine» großen Futterteuerung entgegen und die Folge davon muß eine Vieh resp. Fleischteuerung resp. Fleischnot für Rind- und Schweine fleisch werden, wenn sich das große Publikum nicht noch mehr als bisher des Fleischgenusses entwöhnt. 2. Ober- fleischermeister Paschke-Charlottenburg: ES ist unauk- bleiblich, daß, wenn der Viehstand Deutschlands, durch Futtermangel bedingt in Kürze wieder einmal auf das Diplomaten beim Aaiser in wilhelmshöhe. Der deutsche Botschafter in Konstantinopel, Freiherr Mar schall von Bieberstein, hat am 18. August am kaiserlichen Hof. lager in WtlhelmShöhe geweilt. An diesem Tage, dem 81. Ge- burtStag Kaiser Franz Josefs I., hielten sich viels unserer hervor- ragendsten Diplomaten in der Umgebung des Kaiser? auf. Der Reichskanzler sowie der Staats sekretär des Auswärtigen Amtes, Herr v. Kiderlen-Wächter haben dem Kaiser sicher wichtige Mit teilungen über den Stand der Marokkofrage gemacht. Der Botschafter in Konstantinopel war hauptsächlich nach Wilhelms- Höhe gekommen, um sich wie üblich beim Kaiser abzumelden, bevor er sich nach Ablauf seines HeimatSurlaubeS wieder auf den wichtigen Posten begibt, auf dem er das Reich seit vierzehn Jah ren in der würdigsten und ver- dienstvollsten Weise vertritt. vermischtes. * (1000 G e m e i n d e n m i t 8 Uhr-Ladenschluß.) Seit dem Bestehen des Ladenschluß- gesetzeS, das am 1. Oktober 1900 in Kraft trat, ist in nunmehr 1000 Gemeinden der 8 Uhr-La- denschluß eingeführt worden. Es ist bemerkenswert, daß alle Teile de» Reiches und alle Ortsklassen darunter angemessen vertreten sind: die Großstädte von Berlin angefangen bis zu den kleinen Landgemeinden unter 1000 Ein wohner. Leitende Diplomaten beim Kaiser in Mlhelmsyöhe. Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes von Kiderten-Wacchter (1) und Bot schafter Freiherr Marschall von Bieberstein (2) auf der Fahrt zum Kaiser. allerniedrigste reduziert sein wird, wie zum Herbst und Frühling, bis zur Neuernte 1912, Viehpreise bekommen werden, wie solche noch nicht da waren, trotzdem wir Fleischer und das deutsche Volk schon längst abnorm hohe Vieh- und Fleischpretse gewöhnt sind. Wenn jetzt die Regierung eS nicht bald einsteht, daß die Unternäh. rung deS Volkes zum Schlimmsten führen kann und muß, so hat sie sich die Folgen selbst zuzuschreiben. Wenn schlachtreifes Vieh fehlt, möge sie solches aus an deren Ländern einführen. Fehlt magere» Vieh bei Fut terreichtum, so verlangen wir die Einfuhr von Zuchtvieh und Vieh zum Mästen. Heute, wo Futtermangel herrscht und wo der Grund ist, daß unreifes Vieh geschlachtet wird, wir aber nicht nur einer Fleischteuerung, sondern einem Viehmangel entgegengehen, muß mit allen zu Ge bote stehenden Mitteln Futter verschafft werden. Wenn solches über die Grenzen oder sonstwo Herkommen muß, müssen dann alle nur erdenklichen Einfuhrerletchterungen und Frachtermäßigungen verlangt werden, damit der deutsche Landwirt in der Lage ist, seinen Viehstand zu erhalten. Von einer normalen Mästung kann man un- ter diesen obwaltenden Zuständen kaum noch sprechen; das zeigt ja schon der heutige Zustand der Schlachtrin der. Das Weidevieh findet keine Nahrung auf den trok- kenen Wiesen, auch das Stalloieh nagt am Hungertuch. Sorgt die Regierung nicht ganz schleunigst für genü gende und auch billige Futtermittel, so wird durch die Abschlachtung noch unreifer Tiere der deutsche Viehbe stand noch mehr ruiniert, als er schon durch die Seuche ist, und das deutsche Volk geht einer traurigen Zeit entgegen. Dresdner Produkten-Börse, 21. Augustl911. — Wetter-Bewölkt. Stimmung: Ruhig. — Um 2 Uhr wurde amtlich notiert: tvei?en brauner, neuer, 199—201 M, do. alter, 78—78 Kilo, 209-215 M, do. alter 73—74 Kilo, 203—206 M, russischer, rot 230 238 M, Argentinier 232- 238 M., Manitoba 227-242 M. Roggen, sächsischer, neuer 75—76 Kilo, 177—178 M, do. do. 72 bis 74 Kilo, 17o—176M, do. alter 70—73 Kilo, — — — M, preußischer, neuer 177—180 M, russischer 178—181 M. «erste, sächsische, neue 190 202 M, schlesische 205—218 M, Posener 205—218 M, böhmische 224 -240M, Futtergerste 163—167 M. Haser, sächsischer, alter 190 -194 M, do. do. neue» 180-187 M, beregneter alter 174—184 M, schlesischer 190—194 M, russischer loco 182—192 M. Mais Cinquantine 174—180 M, alter M, Rundmais, gelb, 169—173 M, amertk. Mired-Mais, alt, , Laplata, gelb, 169—173 M, do. neu, feucht M. Erbsen 180—190 M. Wicken 178—188 M. Buchweizen, inländischer 190—200 M, do. fremder 190 —200 M. Gelsaaten, Winterraps, scharf trocken, 270—285. Leinsaat, feine 400 M, mittlere 370—380 M, Laplata 355-360 M, Bombay 400 M. Rnböl, raffiniertes 72 M. Rapskuchen (Dresdner Marken) lange 12,50 M, runde M. Leinkuchen (Dresdner Marken) i 19,50 M, II 19,00 M. Mal? 29 38 M. wehenmehle (Dresdner Marken): Laiserauszug 36,00—36,50 Ai, Griehlerauszug 35,00—35,50 M, Semmelmehl 34,00—34,50 M, Bäckermundmehl 32,50—33,00 M, Grießlermundmehl 25,00 bis 26,00 M, Pohlmchl 19,50-20,50 M. Roggenmehle -Dresdner Marken) Nr. 0 27,50—28,00 M, Nr. 0/1 26,50-27,00 M, Nr. 1 25,50-26,00 M, Nr. 2 23,00 24,00 M. Nr. 3 19,00-20,00 M, Futtermehl 16,00-16,40 M. wehenkteie (Dresd.Mark): grobe 12,60-13,00 feine 12,60—13,00M, Roggenkleie (Dresdner Marken): 14,20—14,40 M. Wettervorhersage der Kgl. S. Landcswettcrwartc zu Dresden. Mittwoch, den 23. August. Nord-West-Wind, wolkig, kühler, Gewitter, zeitweise Regen. Magdeburger Wettervorhersage. Mittwoch, den 23. August. Teils heiter, teils wolkig, nur stellenweise etwas Regen, Tag ohne erhebliche Aenderung. ' .Ja - ich.« .Und warum hast du mir da» nie gesagt? Ruth — ich stehe beschämt vor dir — ich bin wie ein Tor neben dir her» gegangen." Sie hob dir Hand. Eine stille Klarheit war in ihrem Wesen, und ihre Augen ruhten zum ersten Male lang und fest auf seinem Gesicht. .Laß da» — Han» Roch«». Du konntest da» natürlich nicht wißen. Verreib, wen» ich e» dir verheimlichte. Ich glaubt« nicht, daß e» Interesse für dich hätte. Uebrigrn» ist e» mir lieb, dich hier zu finde». Ich hab« Wichtig«» mit dir zu b«- sprich«». Hast du Zeit für mich?' Ihr Art berührt« ihn seltsam. Er war wie gelähmt. .Verfüg« ganz über mich." .Laß un» niederfitzen — ich habe dir viel zu sag««." Sie setzten sich einander gegenüber, «in kl«ine» Tischchen mit kostbarer, eingelegter Platte zwischen sich. Er sah fi« er wartungsvoll an. Ruth nahm sogleich da» Wort. .Bist du mit der Nachlabordnung fertig?" fragte sie glirch- sam al» Einleitung. Han» Rochu» wurde r» schwer, ih, ruhig gegenüberzufitzen. Tausend Fragen hätte er an sie richte» mö gen. Aber ihr Benehmen, da» ihm seltsam fremd und verän dert erschien, bannte ihn. Nicht einmal »ach ihren schlanken weiße« Hände« saßte er, obwohl sie dicht vor ihm lag«n und seine Augen wie magnetisch auf sich zogen. Er war noch faffung«lo» über di« Entdeckung, die er ge macht hatte, unv nur mit Mühe zwang er sich zur Ruhe. Er wollte Hörr«, wa» sie ihm zu sagen hatte. Vielleicht gab sie ihm freiwillig Aufschluß über alle», wa» er zu wissen verlangte. So antwortete er mit verhaltener Erregung: .Ja. Im gröbsten ist alle» geordnet. Deine» Vater» letztwillige Bestimmungen waren so klar und ««»sührlich, daß mir nicht viel zu tun übrig blieb. Hendrich führt da» Geschäft deine« Vater« fort. Der größt« Teil dein«« Vermögen« ist in durchau» sicheren Papieren und Unternehmungen festgelrgt. Du bist «ine sehr reiche Erbin, Ruth." Sie strich mit der Hand über di« Tischplatt«. .Ich dank« dir, daß du mir all da« abgr»omm«n. Hast du auch mrine« Vatrr« Schrtibtisch durchgesehen?* .Gewiß, da du «» wünschtest, habe ich» getan. Er ent hielt auß«r geschäftlichen Dingen nicht« von Wichtigkeit." «So hast du auch nicht« grfunden, wa« dir Aufschluß da rüber gab, warum ich deine Frau geworden bin?" Er fuhr auf und sah forschrnd mit brennendem Bijck in ihre großen dunkle» Auge« hinein, die hrute einen so ganz an deren Autdruck hatten. Sie waren schön in Schnitt und Farbe, und nun sie nicht mehr so verschleiert blickten, strahlten sie einen warm«», sausten Glanz au«. .Nein, ich habe nicht« gesunden, Ruth. Aber da du selbst da« Thema berührst — diese Frag, hat mich oft beunruhigt und in letzter Zeit nicht loigelaffen. Alle mrine Vermutungen nach dirser Seite find mit der Zeit hinfällig geworden. U»d al« ich dich vor unser« Verlobung fragte, sagtest du mir, daß der Wille deine« Vater« bestimmend sür dich gewesen wäre. Damal« glaubte ich dir da«, denn ich kannte dich nicht- Jetzt weiß ich, daß du dich durch sklavische» Gehorsam nicht in eme Ehe hinrindrängen ließest. Willst du mir nun endlich Aufschluß geben?" .Ja, du sollst alle« wissen. Ich konnte dich nicht aufklären, solang« mrin Vatrr lebt«. Ich will mich kur, soffen. Da« Be- kevntni« ist mir nicht leicht, denn ich muß meinen Vatrr »och im Grab« rhrlo» machen." Jetzt faßte er erschrocken ihre Hand. .Ruth!" Sir zog ihre Hand langsam zurück. .Bitte, höre weiter und unterbrich mich nicht mehr, bi« ich dir alle» gesagt habe." Er sah, wie ihre Lippen zuckten, wie ihr« Stirn sich im Schm«, zusammrnzog. Sr hätt« sie am li«bst«n in srine Arme genommen und ihr gesagt: »Sprich nicht weit«, du quälst dich. Ich will nicht» hören — sag mir »ur, ob ich je dein« Lieb« er- ringin kann — denn ich lieb« dich und möcht« dich glücklich mach«»." Abrr rr schwi«g und sah fi« rrwartungivoll an. Sie seufzte ti«s auf und fuhr fort: »Mein Vater hat in Gemeinschaft mit Eurem alten Inspek tor Seltmann dich und deinen Vater in rechtlicher Weife über- vortnlt. Eure Leichtgläubigkeit und Geschäft»unkenntni» machten sie sich zunutze. Sie schloffen Verkäufe ab, die Euch «ine be deutend« Summ« verlirr«» ließe». Die genaue Höhr derselben vermag ich nicht anzugeb«». Ich weiß nur, daß di, auf diese Weise ei» groß« Teil deine» Vermögen» verlor«» ging " Han» Rochu» hatt« sich vorg«neigt und sah ihr b«troff«n in da» Gesicht. »Ruth — bedenkst du, wa» du sagst?" Sie lächelte bitter. »Ich klage meine» Bat« an — da« muß dich überzeug««." Ei» tirfi« Schw«ig«n entstand. Endlich sagte er ruhig: »Und wie kamst du zur Kenntnis dies« — dieser Unregel' Mäßigkeiten?" .Nenne e» nur beim rechten Name» — dies«. Betrug«. — Ich war einmal durch Zufall Zeuge einer Unterredung zwischen Seltmann und meinem Vater. Da hörte ich alle» mit meinen eigenen Ohren. Und noch mehr. Ich erfuhr, daß mein Vater den ehrgeizigen Plan hegte, mich zur Gräfin von Rochtberg zu machen. Erlaß mir, wa» ich dabei empfand. Ich war ohn mächtig, etwa« zu unternehmen, wa» dich wieder in den Besitz der veruntreuten Summe setzen konnte. Meinen Vater anklagen und in» Gesängni» bringen — da« konnte ich nicht. Und sonst bot sich mir kein Ausweg. Da blieb mir nur da» eine — meine» Vater» Wunsch zu erfüllen und deine Frau zu werden, damit du durch mrine Hand zurückerhieltest, wa» dir genommen wurde. So nahm ich deine Werbung an und konnte dir auf deine Frage versichern, daß ich au» freiem Willem deine Frau werden wollte. Welch heimlicher Zwang auf mir lastete, konnte ich dir nicht vrrraten. Ich war so durchdrungen von dem Wunsche, geschehene« Unrecht gut zu machen, daß ich mich mit drr verlobte, obwohl ich dich nicht liebte und von dir "icht grliebt wurde. Hätte ich geahnt, daß mein Vater so bald sterben würde — ich hätte vielleicht unser« V-rheiratung hmzög«n können. Dann konnte ich dir nach seinem Tode Mückgeben, wa« dirge- hört«. So wurd« ich dein« Frau. -«"t mein«» Vater« plötz- lichem Tod fleht ,« bei mir fest dir alle« ,» sag«,. Auf den Lebenden muß ich rEicht nehmen - die Rücksicht auf den Toten kann mich nicht bestimm«», dir» Leben der Lüge fortzu- Ich habe mir alle« bedacht und Überlegt i» diese» Tagen. Al« verständig« Mensch«« wollen wir un« da« Au»einanderg«hen erleichtern. Ich werde morgen Roch«berg v »lassen und mit Fräulein Hebenstreit abreisen. An irg«nd einem hübschen Orte lasse ich ich mich nieder. Der Dienerschaft gegenüber kann ich vorläufig al» vereist gelten — au» Grsundheiwrückfichten. Roch», berg bleibt natürlich in deinem Besitz- Nur ko bin ich fich«. daß all,» unrechtmäßige Gut wieder in dein« Hände zurückkommt. So können wir beide di, Lüg. von «n» werfen, die unsere Ehe im Grunde war. — Ich hoffe, daß du mit allem einverstanden." Sie hatte da» alle« schnell und monoton gesagt, wir etwa» Eingrlrrntr». Nicht« verriet ihre inner« Qual. (Fortsrtzung folgt.)