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Flotte und die Verweigerung der Munitions transporte durch die italienischen Seeleute als das Vorzeichen beginnender Umwälzung. Lugano gleicht einem Feldlager. Lie Agitation ist im Zunehmen. Die Delegiertenversammlung der Ar beitervereine sitzt in Permanenz. In verschiede nen Stadtteilen wurden B a rrikadcn . ge - baut und fanden Zusa m m e n st ö ß c mit Polizei, Karabiniers und Soldaten st a t t. Die Verwundeten der Streiter wurden von diesen in Privatwohnungen geschasst. Man befürchtet schwere Ereignisse. A«Sveh«u»g des Streiks Wer ganz Frankreich. Die graste sranzösische Streikbewegung hat nach einem Genfer Bericht der „Neuen Züricher Ztg." auch aus die ostfranzösischcn und Grenz- departemcnts übergegriffen. Die Arbeiter aller grasten Fabriken in Savoyen, in Hoch-Savoyen und im Aisne-Departement sind ausständig. „Hu- manitee" und „Journal" melden weiter Streik unruhen in den französischen Hafenstädten. In das französische Industriegebiet in Südsrankreich sind Marokkaner und andere Kolonialtruppen wegen der Unzuverlässigkeit der dortigen franzö- fischen Regimenter eingerückt. Man berichtet von Meutereien nicht nur aus Toulouse, sondern auch aus Rouen und Marseille, Uw mehrere Aufrüh rer verhaftet und dem Kriegsgericht überwiesen wurden. An den Pfingsttagen haben in Marseille und Lyon große Demonstrationen stattgefunden, zu dereu Niederhaltung Kolonialtruppen aufgeboten worden sind. „Populaire" erklärt, cs gingen Ge rüchte über eine Beschlagnahme der Pariser Un tergrundbahn umher. Clemenceau soll im Ver ein mit dem General Gassouin die entsprechen den Maßnahmen vorbereiten. Würde die Be schlagnahme erfolgen, so unterständen die Arbeiter der „Metro" und der Nord-Südbahn der Militär gewalt und würden als Deserteure behandelt werden, wenn sie die Arbeit nicht wieder auf nehmen. „Populaire" warnt die Regierung vor diesen Maßnahmen und ihren Folgen. Die Füh rer verschiedener Arbeiterverbände erklären in der „Humanitee", die Maßnahmen und Drohungen der Negierung würden die Arbeiterschaft nicht eiuschüchtern. Die streikenden Verbände seien ge- willt, ihre Forderungen durchzusetzcn. Die phar mazeutischen Arbeiter haben gestern den General streik beschlossen; von einem ähnlichen Beschluß der Seeleute wird berichtet. Die in Bethune zusammengekommenen Ver treter der französischen Grubenarbeiter haben nach j Kenntnisnahme des Vertrages, der zwischen den j Vertretern der Grubenbesitzer und der Gruben- t arbeiter getroffen wurde, die Zugeständnisse für ! ungenügend erklärt und sich mit 108 Stimmen j bei -10 Stimmenenthaltungen für die Fortdauer - des Streikes erklär«. Man erwartet aus diesem Grunde eine Ausdehnung des Streiks aus das ganze nordfranzösische Kohlengcbiet. Die Streik- bewegung trägt überhaupt immer deutlicher j r«v»l»1i»»are» Charakter und wird die Lage heute auch von den Regie rungsstellen ernster angesehen. Man rechnet mit ernsteren Zwischenfällen und berichtet von kriegs gerichtlich abgcurteilten „Aufrührern". Am 23. Juni soll der eigentliche Generalstreik beginnen. Sie hereiWMeneil Belgier, i r Zn dem Distrikt von Malmedy hat eine . Probeabslimmung ßattgesunden, um zu sehen, > wieviel Einwohner für Deutschland und wieviel für Belgien stimmen. Das Resultat für Belgien war folgendes: In Malmedy nur 0 Prozent, in Bernestey 2 Prozent, Bruneville 25 Prozent, in Falize 25. Prozent, in Belleveau 25 Prozent, in Mont 2 Prozent, in Cheffroeu 25 Prozent, in Longfaye 1 Prozent, Oßvat 2 Prozent, Rolcrt- ville 50 Prozent, in Falk 1 Prozent, in Chod 2 Prozent, in Weywotthy 20 Prozent, in Mai- dres 5 Prozent und in Ondevall 25 Prozent. — Lie Abstimmung wurde aus Grund der Wahl listen vorgenommen. Vermutlich hätten die Belgier diese Abstim mung nicht vorgenommen, wenn sie diesen Aus gang geahnt Hütten. Die Tatsache selbst muß als Beweis dafür gelten, daß die Ententesuristen gegen die Argumentation Gras Brockdorsfs nichts einzuwenden wissen. Sie wollten seine guten Gründe gegen die Verschacherung von Menschen um materieller Vorteile willen mit einer vom Zaune gebrochenen Volksabstimmung aus der Welt schaffen. Tas ist ihnen in Malmedy kläg lich mißlungen, tvas wieder nur eine Stärkung unserer guten Gründe im Gefolge haben kann. FraazSstsche Agitation im Gaar-ebiet. Eine Vereinigung von 400 Saarbewohnern (!) in Elsaß-Lothringen wurde in Metz gegründet. Sie verlangt, daß die Saargegend an Frank reich „zurückkehren" müsse. Die Vereinigung wird in ganz Elsaß-Lothringen Ortsausschüsse gründen und im ganzen Saargebiet eine rührige Propa ganda entfalten. — Die Franzosen haben also trotz allem ihre „Angliederungsversuche" . noch nickt ausgcgeben. FranzSfische SichrrheitSwache für Dr. Dörte». Havas Melder aus Mainz: Dr. Dorten hat Wiesbaden nickt verlassen. Er steht ständig un ter Bedeckung. Es ist kein Angrisf aus den Minister gemacht worden. — Auch diese Meldung bestätigt von neuem den Eindruck, daß die Dor tensche „Republik" auf äußerst schwachen Füßen siebt. Auch Schleswig? Nachrichten aus Schleswig zufolge scheint ein dort tätiger früherer ReickStagSabgeordneter den Ehrgeiz zu besitzen, die Rolle des Staatsanwalts Dr. Dorten für Schleswig nachzuahmen. Mau darf annehmen, daß ihm das gleiche Schicksal bereitet wird, Ivie Dr. Dorten. Ja Haimover haben die Welfen eine rührige Tätigkeit cnljah tet, die die Wiedereinsetzung des Herzogs von Eumberland zur Folge haben soll. Lie rheini schen „Reinsälle" haben aber auch hier uüe eine Dusche gewirkt. Mert gegen die LoSreitzurrgS- bestrebnngeu Nus ein an den Reichspräsidenten gerichwles Tele- gramm des VorßandeS des Deutschen und des Preußischen Städtetages, der sich darin gegen die LoSlösungsbeßrebungen der Rbeinlandc aus sprach, ist folgende Aulwort vom Reichspräsiden, ten Ebert .eingegangen: Die Entschließung des StädtetageS zu den hochverräterischen Machenschaften gewisser Ele mente in den Rheiniauden ist mit Freuden zu begrüßen. Auch ich bin seit überzeugt, daß keine deutsche Stadt und keine Volksvertretung eines deutschen Gebietsteiles die Schmack auf fick la den wird, die Volksgemeinschaft in diesen Tagen der Not unseres Vaterlandes zu verleugnen. Die ReickSregierung^ wird dem unnatürlichen Treiben der wenigen pßichtvergcßcuen und irregeleiteten Volksgenossen in den bedrohten Gebieten um jp entschlossener eutgegcntreten, als sie sich hierbei mit dem gesamten deutschen Volk eins weis;. Je schwerer die Zeit, um so sesler muß sich die deutsche Treue bewahren. Rundschau. Abg. Günther verzichtet a«f ein Mandat zu« Nationalversammlung Das Mitglied der Nationalversammlung Os kar Günther in Plauen i. V., früher sächsischer Staakminißer, bat sein Mandat zur National versammlung niedergclcat. An seine Stelle tritt Oberpfarrer Ende aus Lichtenstein-Callnberg. Das Mandat zur Volkskammer übt Günther nach wie vor aus. So bedauerlich es ist, wenn ein parlamentarisch erfahrener Mann wie der Abg. Günther sein Mandat zu einer Volksvertretung niederlegt, so einleuchtend ist doch dieser Schritt mit Rücksicht auf die Tatfache, daß Günther Trä ger eines Doppelmandcües Ivar. Nachdem er auf eine weitere parlamentarische Tätigkeit in Wei mar verzichtet hat, kann er seine volle Kraft der Arbeit der sächsischen Volkskammer widmen und braucht sich nicht mehr unnötig zu zersplittern. Großadmiral von Holtzeudorff 's-. Im Krankenhause zu Prenzlau ist an den Folgen einer Operation, die wegen eines allen Krebsleidens notwendig «var, der Großadmiral und Chef der Hochseeflotte a. D. von Holtzen- dorsf im Alter von liti Jahren gestorben. Er war während des Krieges Ches des Admiralsta bes und trat am 1. August 1918 in den Rube- stand. Wissell bleibt -ei seinem Programm Zu den Meinungsverschiedenheiten zwischen ' dem ReichSwirtschaftSminister und dem Kabinett . verlautet, daß im Kabinett vollständige Einstim migkeit über die Pläne des Reichswirtschaftsmini- sters Wissell herrscht. Andernfalls 'würde der Reichswirlschaftsminister die Konsequenzen ge zogen haben. Der Reichswirtschaftsminister steht vollständig auf dem gleichen Standpunkt, den er bisber in seinem Programm bekundet bat, und ist der Auffassung, daß uns nur eine planmäßige Wirtschaftsorganisation ausrechlerhaltcn kann, und zwar soll diese Wirtschaftsorganisation unabhän gig von den uns noch unbekannten Friedens bedingungen schon jetzt svstematisch in die Wege geleitet werden. Die Rücktrittsabsichlcn Wissclls werden damit für unrichtig erklärt. Die Tagung -er Natioualversammlvsg ist aus Sonntag oder Montag binauSgeschoben worden. Tie Versammlung soll wieder in Wei mar abgehalrcn werden. Offiziere aus dem MaavschaftSstaade Die Regierung besetzt eine Anzahl von Leut- nagtsßelleu mit llnterossizieren. Die erste grö ßere Rate Unteroffiziere wurde dieser Tage zu Leutnants befördert. Der Reichswehrminisler sprach persönlich den Beförderten seinen Glück wunsch aus. Ein« „Jovaltbenstkuer". Vom Eiubeitsverbaud der Kriegsbeschädigten Deutschlands wird uns geschrieben: Dutch die dem Deutschen Reiche auferlegten Laßen machl fick die Erschließung immer neuerer Einnahmeguel len notwendig. Der Einbeitsverband der Kriegs beschädigten Deutschlands, Sitz Leipzig (Gc- schäftsslelle: Kaiserin Augußa-Straße 63), iß be strebt, jederzeit an der sozialen Kriegsbeschädig- ten- und vAmerbUebcnenfürsorge uützuarbeilen und hat zum Zwecke der ausreichenden Versor gung' der Reichsregiernng Vorschläge unterbreitet, um dadurch laufende (gelber zur Gewährleistung der Rentenzahlung aufzubringen. Wenn irgend eine neue Steuer berechtigt ist, so dürfte es in erßer Linie die Jnvalidenßeuer sein, zu der gerne jeder mitsühleude Mensch seinen Beitrag zablen wird. Deutscher Sozialtsteutag Von« 2I. bis 28. Juni l!U9 findet im ehe maligen Herrenhausein Berlin ein deutscher So- zialißentag statt, der von dcr Zentralstelle für die Einigung der deutschen Sozialdemokratie cinbc- ruken ist. Er sott die Einigung dcr soziatislischen Arbeiterschaft vorbcreßcn. Die Meuschrnverluste b«i -er Befreiung M8«cheus, die jetzt amtlich, aber obne Gewähr für die Richnglcit feßgeßellt worden sind, umsasscn vom 80. April bis zum 8. Mai: 220 Zivilpersonen, die durch zufälliges Erschießen oder ähnliche lln- glücksfälie ums Leben gekommen sind. Im Kampfe fielen 38 Regierungssoldaten, 93 Rot gardisten, 7 Russen und 7 Zivilisten, zusammen 145 Personen. Standrechtlich erschossen wurden 42 Rotgardisten, 144 Zivilisten, zusammen 186 Personen. Verwundet wurden 303 Personen. Bahapest gibt klein bei. Die ungarische Räteregierung verbreitet einen Funlspruch, in dem sie zum Zwecke der Einstel lung der .Kriegsoperationen eine Zusammenkunft von Vertretern der Tschecho Slowakei, Rumänien und Jugoslawien unter dem Vorsitz eines Ver treters der alliierten Staaten in Wien vor schlägt. Die Regierung der ungarischen Räterepu blik sei zu allem bereit, Ivas einen gerechten und billigen Frieden zwischen den Völkern sowie die gegenseitige Verständigung fördere und dem Blut vergießen ein für allemal ein Ende mache. M- «ad MW aoa Textilien. lieber Anträge auf Aus- und Einfuhrbewilli gung für Textilien aller Art (textile Rohstoffe, Halb und Fertigerzeugnisse einschließlich des Per- edelungSverkehrs) wird von jetzt ab durch die Reichsstelle für Textilwirtschaft entschieden. An träge aut Einfuhrbewilligung sind demgemäß nicht mehr bei dem Reichskommissar für Aus- und Einfuhrbewilligung, Berlin W. >0, LUHolv- llser 6.8, sondern bei der ReichSslelle für Textil wirtschaft, Ausländsabteilung, Berlin W. 8, Jä- aerßraßc 19, einzureichen. Bei Anträgen auf Einsuhrbewilligung für Schweizer Waren ist da- bei ivie bisher Voraussetzung, daß die Anträge vor der Einrcickung der zuständigen Schweizer Stelle Vorgelegen haben und diese durch einen Vermerk aus dem Antrag die Erteilung der Aus fuhrbewilligung aus dcr Schweiz in Aussicht ge stellt hat. Anträge aus Ausfuhrbewilligung sind wie bisher bei den zuständigen Zentralstellen für Ausfuhrbewilligungen einzureicken. Von diesen werden sie jedoch nicht mehr au den Reichskom missar für Aus- und Einfuhrbewilligung, sondern an die Ausländsabteilung dcr NcichSstclle für Tcrtilwirtschaft wcitcrgelcilet. Ausgenommen von dieser Regelung sind Anträge aus Aus- und Ein fuhrbewilligung, die im Austauschverkehr gestellt werden: sie sind nach unc vor beim Reichskom missar für Aus- und Einfuhrbewilligung, Berlin W. >0, Lützow Ufer 6'8, cinzureichen und wer den auch von diesem erledigt. Dem Reichskom- mißar ist im übrigen nur die Behandlung gnmd- sätzlickcr Fragen Vorbehalten. Es empfiehlt sich daher, auch alle Anfragen in Aus- und Einfubr- angclegcnhcitcn über Tertilien, soweit sie Einzcl- fällc betreffen, unmittelbar an die Reichsstelle für Tenilwirtschgß, Ausländsabteilung, gelangen zu laßen. Tic Form der Ans- und Einfuhrbewilli gung bleibt unverändert; sic werden nach Ivie vor durch Ausdruck des NamenßempelS und des Amtssicgels des Rcichskommissars für Aus- und CinsubrbewiUiguna vollzogen. SozfMMraWll Parteitag. Nachdem der ParlciauSsckuß schon am Mon tag in Weimar zusanunengctreten war, erfolgte gestern, Ivie schon kurz berichtet, die eigentliche Eröfsnuug deS Parteitages, zu dem in diesem Jabre äußerlich daS festliche Gewand der Stadt fehlt. Von den führenden Männern sind u. a. die Minister NoSlc, Wissell, Schmidt und Heine erschienen. Scheidemann wird heute Mittwoch er wartet. Die Eröffnungsansprache hielt Hermann M ülIcr vom Partcivorstand. Er verliest ein Telegramm des Reichspräsidenten Ebert, worin dieser dem Parteitag glückliche Erfüllung seiner schwierigen Ausgaben in schicksalsckwerster Zeit Wünscht, und gebt dann die Entwickelung seit dem Würzburger Parteitage noch einmal durch. Lie Sozialdemokraten haben ihre Republik, so sagt er, errichten müssen auf einem Schutt- und > Der Kampf um das Testament. Roman von Carola o. Eynatten. 57 Csallovary schäumte innerlich und konnte sich trotzdem diesem Vorschlag nicht widersetzen. Dagegen erhob Ehrenreich Einsprache. Erhöbe den Sekretär gekauft, er ließe ihn nicht durchsuchen. „Den Sekretär mögt Ihr gekauft haben, daS darin befindliche Dokument aber habt Ihr keines falls mitgekanst, und es ist auch ganz wertlos für Euch,* antwortete der Maler. Als der Händler dagegen protestierte, drohte Mayersteiu mit der Anzeige und dem Einschreiten der Polizeibehörde. DaS wirkte, aber trotzdem wie- derholte Ehrenreich: „Wie heißt anzeigen? Kann ich mit meinem rechtmäßigen Eingentnm nicht ma chen, ivaS ich will?" Mayersteiu «var aber der Verhandlungen müde und gebot Elias, die wartenden Herren Hornbostel und Kerkhelyi hereinznrnfen, die draußen auf-und ubgingen. Elias rief ihnen schon von weitem zu: „Wir haben den Sekretär, das Gerichtsoll ihn aufmachen! Kom men Sie gleich, Herr Mayerstein braucht Sie!" Mayersteiu bat die Freunde, bei dem Sekretär Wach« zu halten, während er zum Stuhlrichter gmge. Er forderte den Advokaten auf, ihn zu be gleiten. Dieser dankte eisig; wenn die Herren blie ben, bliebe auch er. Mayerstein ging, geführt von Elias. 2». Kapitel. Der Stuhlrichter Laszlo Peli war für alle, die seine Dienste in Anspruch nehmen wollten, ein schwer zugänglicher Manu, wie Mayerstein bald ersehen sollte. Im AmtSlokal erhielt er den Be scheid, Herr Peli habe sich in seine Wohnung zu rückgezogen, ausnahmsweise, werl die FrauStuhl- richter morgen große Wäsche hätte, wäre aber nach zwei Uhr wieder zu sprechen. Damit «var dem Künstler aber schlecht gedient, er konnte die Freunde nicht stundenlang in» Ma- gaH»n sitzen lassen. ES blieb also nichts übrig, als de» Slnhliichtci m seinem Ban anszuscheuchen. Mit ein paar Zeilen ans eine Visitenkartegeschrie ben, bat er in dringlicher Angelegenheit um kurzes Gehör. Diese Karte gab er in PeliS Wohnung einem laugen, verwahrlost ausseheuden Menschen ab, den er im Verdacht hatte, ein zu häuslichen Dienstlci- stnngeu kommandierter Arrestant zu sein, und stand nun wartend in dem grau getünchten Korridor. Der Diener kam nicht wieder, dafür hörte man aber Herrn Peli in seinem Zimmer eine regelrechte Li tanei der kräftigsten Schimpfworts und Flüche ab beten. Mayersteiu hatte den hohen Beamten im Mittagsschläfchen gestört. Nach etwa fünf Minuten kam der zweifelhafte Mensch in der weißleiuenen Jacke wieder und rief Mayerstein mürrischen Tones zu: „Der gnädige Herr Stnhlrjchter hat jetzt keineZeit, er muß schla fen, und Ihr sollt Euch zum Teufel scheren.Wenn Ihr was vorzubringen habt, könnt Ihr nach zwei Uhr aufs Bureau kommen." Mayerstein wurde nun so grob wie möglich mit dem schmutzigen Kerl, der sich unterstanden, einen so respektwidrigen Ton anzuschlagen, und be sorgte daS mit so lauter Stimme, daß Peli auf sei nem Sofa jedes Wort verstehen mutzte. Der Lange war auch »licht still, und so entstand ein Heiden lärm, der auch den gewünschten Erfolg hatte. Eine Tür wurde anfgerissen, und ein rnndes, rotes Ge sicht zeigte sich, zu dem ein langer schwarzerSchnurr- bart und eine kurze, dicke Gestalt gehörten. „Wollt Ihr augenblicklich Eure Mäuler Hal- ten? — Krummschlietzen laß ich Dich, HundSvieh verd—I" Eine Weile noch ging es in dieser Tonart wei ter, Peli hörte erst auf, als ihm der Atem ausging. „Herr Stuhlrichter," machte sich der Maler des Mannes Schweigen zunutze, „»nein Name ist May- erstem, Maler aus Budapest —" „Ein verfl — Deutscher, ein unverschämter Cu- jon — l" „Halt, Stnhlrichter!" und Mayersten» schrittauf ihn zu mit drohendem Blick in sein »veinseligeS Gesicht. „Hier bist Du keine Amtsperson, hier bist Du «stoß der Lniüo Veli, und ich kann Dich ohr feigen, kann Dich dnrchprügcln, ohne daß cs mehr kostet, als die gesetzliche Geldstrafe, die ich für die sen Spatz mit Vergnügen zahle!" Der Dicke zog sich schleunigst gegen die Tür zu rück, durch die er gekommen war, sein Schnurrbart sträubte sich, und er schrie ans Leibeskräften: „Timo! Timo! Wirf die Kerls die Treppe 'runter!" Timo zeigte sich nicht wieder. Dafür kam aber eine Dame in mittleren Jahren zum Vorschein, hinter der ein paar lachende, nengierige Kindergc- sichter anftanchten. „Laszlo,. vergiß Du Dich wieder so weit zu Flu chen uvie ein Schweinehirt, Du, ein königlicher Stuhlrichter!" fuhr sie auf ihn los, ohne von May- erstcin und seinem Begleiter Notiz zu nehmen. Das Erscheine» der Dame halte den Herrn Stnhlrichter klein gemacht, küid es klang äußerst zahm, als er auf diese Vorwürfe erwiderte: „Die ser Meusch, Jelka —" „Das ist kein Mensch, Laszlo, das ist ein Herr!" schrie daun Jelka in-einem Ton, der jede Entgeg nung abschnitt. Flüsternd aber setzte sie hinzu: „Dummkopf, mach, daß Du forlkommst! An seiner Grobheit sieht man, daß eS ein vornehmer Herr ist, der Dich uni die Stelle bringen kann!" Gehorsam, wie er gegen seine Frau stet? sein mochte, schwand Laszlo. Dame Jelka aber lud Mayerstein mit liebenswürdigem Lächeln in den „Salon" ein. Sie öffnete eigenhändig die Tür, und sagte als Fran, die weiß, was sich schickt: „BelicbeuSie voran zu gehen, mein Herr!" „Bitte, gnädige Frau Stuhlrichter!" weigerte sich der Maler. Frau Peli lächelte ihm zu und schlüpfte graziös über die Schwelle deS SaloyS. Sie fühlte sich sehr geschmeichelt. „Belieben Sie Platz zu nehmen," bat sie, und begann dann eine langatmige Entschuldigung für ihren Gatten. Der Maler unterbrach sie, indem er sich vor- stellte: „Mayerstein, Maler auü Budapest." In Frau Jelka» Gesicht malte sich anaencbme Enttäuschung. Nichts weiter, als ein Maler? — Wie dumm, daß sie sich geängstigt und so viele Umstände gemacht hatte! Das süßliche Lächeln schwand von ihren Lippen und ihr Oberkörper reckte sich straffer. Dcr Künstler deutete diese Wandlung richtig. Er war aber entschlossen, nicht au Boden zu ver- liereu und fuhr fort: „Mein Name dürfte der gnä digen Frau nicht ganz unbekannt sein, denn Seine Majestät hat verschiedene Gemälde von mir an gekauft, und auch Seine Erelleuz der Herr Justiz minister, mit dem ich persönlich bekannt bin. End lich gedenkt mein Freund Gyula Szalngay meiner fleißig in der „Gerechtigkeit", die Sie gewiß nut Interesse lesen." Die Stnhlrichterin wurde mit einen» Mal wie der ganz so liebenswürdig, wie zuvor und vcr- sicherte eifrig, sie wäre von Gyula SzalugayS „Schriften" hingerissen, bezaubert, trotzdem sie ihn und sein Blatt mit aller Inbrunst haßte. „Darf ich fragen, Herr Mayersteiu, was sie von meinem Manne wünschen?" fragte die Dame, nm der Unterhaltung eine andere Wendung zu geben. Sie durfte es wissen und erhielt eine kurze Dar stellung dcr Sachlage im Magazin des Krämers Ehrenreich. „Ach ja," stimmte Frau Jelka Peli bei, „mit dem Juden kann man nicht vorsichtig genug lein! — Ich bitte mich einen Augenblick zu entschuldigen, ich will nur rasch meinem Mann sagen, nm wa-S eL sich handelt; er wird gleich kommen. — Belie ben ein Buch?" Mayerstein dankte; die Dame verschwand. Herr Laszlo Peli erschien schneller, als derKünst- ler cs erwartet hatte, schon zum AuSgehcu gerüstet und mit sehrfreundlicher Miene. Er schüttelte dem Maler die Hand und sagte bieder: „War vorhin nicht so böse gemeint! — Wissen ja, Herr Maycr- stcin, ein bisfel heftige Leute sind gewöhnlich die besten!" Dann ließ er sich des Künstlers Anliegen genau auSeinaudersetzcn. „Bin nicht ganz klug ge worden ans dem, was meine Frau mir erzählte." Mauerstein lächelte verständnisvoll, 2^2.17