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AUW W Hohmßkill-Emßlhliltt ämnsn v«ZH»rs!r. «r. 121 Tonntag, den 81. Mai 1814 41. Jahrgang Pflngfkrn Will yZH Lhnel, Chemnitz Ein Ahnen strömt die Erde aus, Umklungen laut von Lenzfanfaren, Und dichter drängen sich die Scharen Zum großen, weiten Wallfahrtshaus. Aus Blütenschnee und Blättergrün Ersteht erneut das Fest der Maien Und aus der frohen Menschenreihen Will Helles Lebensfeuer glühnl Du frischer Geist im alten Raum, Den jedes Jahr wir neu erleben, Laßt Herbst- und Winterstürme beben, Es reift ein neuer Frühlingstraum. O heil'ger Geist kehr bei uns ein, Du Arzt für Freude, Glück und Trauern, Auf den die Menschen bittend lauern, Erfüll die Herzen mit dem Schein! Verlassen liegt das Städtemeer, In Flur und Wald ein Wogen, Wallen, Und Lieder über Lieder schallen, Ein heilig Wehen rings umher. Und diese Frühlingsreifezeit, Das ist das große Fest der Pfingsten, Dem Reichen so wie dem Geringsten Ein Markstein für den Lebensstreit. So schaff' das Pfingstfest einen Bau, Der alle Menschenherzen rühre, Der uns in Sinneseinheit führe Empor zum Licht, zur Sonnenau! Mag eS der Geist des Glauben« sein, Der uns verbrüdere aufs neue, Der Geist unwandelbarer Treue, Für Volk und Land stets eins zu sein! Pfingsten. Pfingsten und eine frühlingsprangende Welt gehören für uns zusammen. Kahl, dürr, ab- gestorben lag die Natur im Winter da. Woher nun das Sprossen, Schwellen, Blühen in Wald und Feld? Die Frühlingssonne weckte- neues Leben in der erstor enen Natur. Das Men- schcuherz gleicht auch einem zur Winterszeit erstor enen Baum. Winter ist's in der Seele, kein Friede, keine Freude, keine Kra t und keine Hoffnung wohnt darinnen; a'er heim, liche Furcht und Bangigkeit, wilde Leidenschaft und verze rende Sehnsucht, die in der ver- gi«glichen Lust und Freude zur Ruhe zu 'om- men sucht, erfüllen das arme Herz. Es sehlt das wahre, innere Leben, das Dasein ist ei« Vegetieren. Soll das Herz gesunden, soll der Mensch gene'en, muß er Leben-, sieghaftes, hoff nungsfrohes, ewiges, göttliches Le en haben. Eine belebende Sonne muß in die Seele schei nen. Pfingsten erzählt uns von dieser Herz lind Leben neugesjaltenden Gotteskrast. Nach dem Christus unser Sündenelend am Kreuze getragen, als Lebensfürst auferstanden und in die unsichtbare, ewige Welt, von der er aus gegangen, zurückgekehrt war, da sandte er den heiligen Gottesgeist in die Herzen seiner Jün ger, um in und durch diesen Geist nun sÄ.st in den Seinen gegenwärtig und wirksam zu sein. Des Geistes Wesen ist unsichtbar, aber sein erstes Hrrniederlommen geschah unter wahrnehmbaren Zeichen, um seine Herkunft und Art leimen zu lernen. Er stammt von o'en, aus der Ewigkeitswelt, wohin Christus zurückgekehrt ist, nicht von unten, von der Erde. Unter dem Brausen eines gewaltigen Windes erscheint er, um sein Kommen und seine Kraft anzudeuten. Unter der Gestalt feu riger Zungen läßt er sich auf die Jünger nie der, um anzuzeigen, daß die von Johannes verheißene Feuertaufe erüillt ist, daß das Feuer, das anzuzünden Christus auf Erden gekommen ist, nun brennt, daß er alles Un heilige und Arga, alle Sünde und Schuld ver zehrt wie Feuer, daß er «her zugleich auch wie die Frühlingssonne mit ihrem Licht und ihrer Wärme ein neues göttliches Leben weckt. Eine vorübergehende Erscheinung der Geistes ausgießung war, daß die Angehörigen fremder Nationen die Gnadenbotschast zu Pfingsten ver standen, als ob sie ihnen in ihrer eigenen Sprache verkündet würde. Die bleibende Frucht des Pfingstgeistes aber war, daß die Jünger selvst wie wunderbar verändert waren. Die ehemals armen Fischer, die es nicht gewagt hatten, für Jefum einzutreten, fingen an, mit großer Freimütigkeit von dem gekreuzigten und auferfiandcnen Jesus vor König und allem Volke zu verkündigen. Einst waren sie neidisch Ein Wintertraum Roman von Anny Wothe. Forlsetzuox. (N chdruck verboten.) I9I2 VVotl v, I^ip-iß'.) Ernst schob er Jngetids gefaltete Hände, die sie ihm beschwörend auf die Brust gelegt, von sich, und erwiderte hart: „Du selbst hast bereits Deinen Weg ge wählt, Jngelid, indem Du mir bekanntest, daß Du diesen da, der mein Bruder sein soll, mehr lie.st als mich. Ich kenne Dich besser, Deinen Hang zum Phantastischen und Außergewöhn lichen, der Dich voll Leidenschaft James Wood, dem kühnen Flieger, in die Arme treibt. Sei's darum! Ich kann und will Dich nicht halten! Sei glücklich mit ihm, wenn Du es kannst, und möge nie die Stunde kommen, in der Du mich her-ei sehnst, dem Du all sein Glück und seines Lebens Wonne grausam zerstörtest." Und sich zu James wendend, sagte er kühl und schneidend: „Wehe Dir, wenn das Opfer, das hier ge kracht wird, umsonst wäre. Jngetids Unglück zahlst Du mir mit dem Leben, auch wenn Du mein Bruder bist." Janies wollte zu ihm treten, ihm ein hef tiges Wort ins Gesicht schleudern, aber Jnge lid hinderte es- Sie flüchtete an James Brust, und ihre Augen bettelten zu ihm auf, daß er tiefauffeufzend seinen Arm um ihre Schuller lecke, und ihren Kopf beruhigend an sich drückte. Da wandte sich Leo l>aslig ab. Sein Blick suchte fast drohend die alte Frau, die wie be täubt, ganz zusammengesunken war, und kein Wort mehr fand in all ihrem Jammer, daß sie deu Sohn zum zweiten Male verloren. — „Leo," bat sie noch einmal nm emporge hobenen Händen. Er schüttelte heftig den Kopf. „Nein," entgegnete er kalt. „Nie kann und werde ich vergessen, daß meine Mutter ihr Kind verließ, daß sie das Leben meines Va ters einsam und elend machte, nie kann ich das verwinden. Du, und Dein Sohn da, Ihr nehmt mix nun auch die Braut- Ich habe kei nen Teil an Euch. Seht zu, wie Ihr zurecht kommt im Leben. Was weißt Du, wie oft ich als Knabe verzweifelt nach meiner Mutter schrie, wie ich den Vater quälte, warum meine Mutter tot war, und warum er mir nicht eine neue Mutter gäbe, wie sie andere Kinder hät ten. Ich wollte geliebt, gekost und geherzt sein. Meine Mutter aber stand unterdes auf der Bühne und rührte fremde Leute zu Tränen, indes ihr Kind sich in Sehnsucht verzehrte, und sein Vater vor der Zeit alterte und ein einsanier, trauriger Mann wurde, weil sein Weib von ihm ging. Und das alläs sollte vergessen sein, weil es der Frau, die mir das Leben gab, „ach drei ßig Ja ren einfällt, daß sie noch ein anderes Kind gehabt? Nein, so wohlfeil ist Kinder- ie e nicht. Unsere Wege scheiden sich für immer. Möge sitz Dein Leben freundlich gestalten, aber fern von mir — ich bin der echte Sohn meines Vaters." Mit einem wimmernden Laut sank Marga Wood zusammen. „Bruder," nahm James, Jngelid freilas- scud, das Wort, „Bruder, sei nicht hart mit i r. Du kennst nicht den reichen Sä-atz der Liebe, der in ihrem Herzen quillt, und den sie, weil Du ihr verloren warst, über mich allein ausfchüttete, der ich Dir, Gott weis:, wie weh es mir tut, so viel genommen. Reich mir die Hand, vergiß nicht, daß sie uns bei den das Leben gab, daß sie ein Anrecht dar an" hat, daß wir sie lie en." Freimütig, mit warmem Blick hat e er Leo die Hand entgegengestreckt, dieser aber lachte hohnv-oll auf, ohne die Hand zu nehmen. „Ich habe kein Talent für derartige Senti- mentalitöten. Auch Brüder können Todfeinde sein, und Kinder brauchen ihre Eltern nich. zu kennen. Wenn es Euch aber eine besondere Genugtuung bereitet, so könnt ihr alle drei uüssen, daß Ihr mich elend gemacht l;a t, grenzenlos elend." Ohne einen Blick für seine Mutter und Jngelid, stürzte Leo zur Tür hinaus. „Leo, geh nicht von uns," ries Jngelid schluchzend, „nicht so, nicht so!" Janies umfing sie mit seinen Armen. „Mein holdes Lieb," flüsterte er zu ihr her- n eder, „unser schöner, stiller Wintertraum klingt trübe aus, und unserer armen Mutter lat er Schneelasten aus das wehe Herz gelegt." In zärtlicher Sorge richteten Jngelid und James Marga Wood empor, die ohnmächtig am Baden lag. Als sie wieder zu sich kam, irrten ihre Augen noch einmal suchend im Zimmer um her, dann brach sie wieder mit einem wim mernden Laut zusammen. Ihr Sohn, ihr endlich wiedergefundener Sohn hatte sie verlassen, kalt, herzlos, wie sie einst ihn verließ. lind die Schneefrau webte draußen noch immer an dem Leichentuch, das sich weit über Berge und Täler spannte. Im Oberhof war es still geworden. Zwar lag noch hoher Schnee auf den Bergen, aber die Rodel- und Bobbahn war vereist, und wartete darauf, daß die milde Frühlingssonne sie wieder frei maßte von der harten Last. Die Sportleute waren wieder heimgekehrt, und' der Fünf-Uhr-Tee im Schloßhotel, wo sonst immer ei« 'o reges Leen benschte, hatte ganz aufgehört. Das war immer das Zeichen, da die Spor.saison vorbei. Nur das Sanatorium l)atte noch Gäste. In einem großen, luftigen Gemach, in tws die junge Frühlingssonnc schien — es war Ende Februar — saß Komtesse Irmengard am Fen ster, und las aus einem Buche vor. Sie trug ein einfaches, graues, langschlep pcndes Voile-Kleid, in der Taille nur durch eine dicke, graue Seidenschnur gehalten. Ihr rotgoldenes Haar, das seltsam in der Sonne. funkelte, hob sich fast blendend von dem stump fen Ton des Kleides. Der Mann mit der k reiten, roten Nar e ü er der Stirn, der auf einem Ruhe rett, von einer seidenen Decke umhüllt lang ausgestreat lag, und die Augen halb geschlossen hielt, ver wandte kein Äug? von dem zarten, blassen, süßen Gesicht des Mädchens, das in den lan gen Wochen seiner Krankyeit ganz schmal ge worden war. Und Irmengard las: „Ui d sie gingen mitsammen durch den wei ten, Weißen Wald, und jeder von ihnen wußte, daß der Tod ihnen zur Seite schritt. Aber sie kehrten nicht um, sie schritten weiter, immer weiter in das weile, weiße Reich hinein. Und die Flocken fielen zur Erde, lind Und weich, und deckten sie zu, wie mit schimmern, dem Sammet. Und der Schneewind strich über das stille Grab wie im Traum, und erst als der Schnee schmolz, fand inan die Stätte ihrer letzten Ruhe." Irmengard seufzte tief auf, und besorgt flogen ihre Augen, während sie das Buch zu klappte, zu dem Kranken. „Sie war schlecht gewählt, diese Lektüre, Max, verzeihe," sagte sie ausstehend und an das Lager tretend, „aber Du mochtest ja so gern das Brich zu Ende hören von dem Win tertraum, der so schnell verrann." Der Kranke nickte. „Komm einmal her zu mir, Irmengard, so ganz nahe, daß ich Deine Hand fühle, daß ich sie halte." Irmengard kniete an Köppings Lager. Ihr Lockenhaupt ruhte auf seiner Brust, und die und ehrgeizig, nun aber demütig, selbstlos, voll brennender Liebe zu allen Menschen. Einst waren sie feige und furchtsam, hatten ihren Herrn in der größten Not verlassen, nun find sie niit Freuden bereit, für ihn ihr Leben hin zugeben. Einst ungeduldig, heftig, streitsüch tig, nun geduldig, sanftmütig, friedfertig. Einft sterbensscheu, jetzt hoffnungsfreudig. So kann und will der Gottesgeist heute noch das In- nere des Menschen umwandeln und neues Le ben beginnen. Er weckt Glauben, schenkt Ge- wißheit der Sündenvergebung, erquickt in allen Anfechtungen, in der TrllbsalShitze weht er ihnen himmlische Frühlingsluft in die Seele hinein, sodaß sie, selbst wenn'S zum Sterben geht, seligen Trost l>aben, weil er ihnen naw Hause winkt in die selig« Heimat, die er ihnen bereitet l>at, wo er, Jesus, selber ist. E.-K. WIMMWMM^-MWWWMWWWWWWWWWWWWWWWWIWWWWMWW»« Sonnenstrahlen huschten wie züngelnde Flam- men darüber hin. „Noch ist mir alles wie ein Traum," flü- sterie er mit matter Stimme, „noch fasse ich nicht, wie alles geschehen. Und Du, Irmen gard, bei mir, immer, bei Tag und bei Nacht? Heute hörte ich von der Schwester, daß allein Deine unermüdliche Pflege, Deine Sorge, Deine stets wache Aufmerksamkeit mich dem Tode abgerungen, dem Tode, der Evelyn mit sich nahm." „Du darfst Dich nicht au'regen, Max!" bat Irmengard zärtlich. „Vergiß das Gräßliche, das all Deinen Lebensmut gebrochen, und ver suche wieder zu leben — zu leben —" sie stockte — „für mich!" Er streichelte mit der schlanken, jetzt so kraftlosen Hand zärtlich ihr Haar. „Wie soll ich Dir nur danken, Irmengard, das'- Du so unbeirrt um Welt und Menschen in der Stunde der Not und Gefahr Dich zu mir bekanntest vor aller Welt, daß Du mich gepflegt hast, tvotzdem Onkel und Tante Dich fast mit Gewalt vchi hier entfernen wollten. Sie ha'en sich ganz losgesagt von Dir — ih weiß es — nachdem Prinz Günther so brüsk 'und eigentlich wenig prinzlich die Ver lobung mit Dir gelöst." Ein schwaches Lächeln huschte über Jr- mengards feine Züge. „Wie konnte er anders handeln, Max? Ja, er gab mich leicht frei, viel leichter, als ich je gehofft, denn schon am ersten Tage, wo ich mich ihm verlobte, da wußte ich, daß ich .nie ^ein Weib werden konnte, daß ich nur Dich geliebt, und Dich immer lieben werde." Die krankhaft großen dunklen Sammet augen Köppings hingen strahlend an dem stillen Mädchengesicht, das, zart und fein wie ein Blumenblatt, sich über ihn beugte. „Sie haben mich verstoßen," kam es wie ein Hauch über ihre Lippen, und ein zitternder Klang war in ihrer Stimme, „weil ich Dich liebe. Ich habe nun nichts mehr aus der weiten Welt, als nur Dich, Dich allein!" Er preßte das schlanke, süße Geschöpf fest an sich. „Wie liebe ich Dich, meine Irmengard. Noch immer fasse ich es nicht, daß ich damals, als ich an Deine Untreu« glaubte, mich so Hals über Kopf von Evelyn betören ließ, und mich in ihre Arme stürzte, um zu vergessen. Ich habe hart gebüßt. Noch schaudere ich, wenn ich daran denke." (Fortsetzung folgt.) Orsks^er LsiösnIiÄUS OksmnUr, Lei« ?08t- u. krolleE^^ ULL