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VMM in« WMin EruMM AmM Nr. SS. T«Irbl»tk. Sonntag, den 1 Februar 4944 41. Jahr gar g Die Stellvertreter. Eislauf Novelleite von R. L. M allo. (Nachdruck verboten.) Bei Soltau L Co. ging das Telephon. „Ein Auftrag au Herrn Brückner — von dem Herrn Chef,!" meldete der Lehrling, der an den Apparat geeilt war. Wenige Minuten später stürmte Brückner, der Prokurist bei Soltau, ein blühender Mann von 30 Jahren, in das an das Bureau gren zende Kabineit, wo der Korrespondent, Herr Franz Wehrlow, mit dem Abschluß der Post sachen beschäftigt war. Verwundert sah er aus den Hereinstürmen den: „Nuir — ? Was gibt es denn, Brückner? Sie scheinen ja sehr alreriert?" „Bin ich auch! Der Chef hat telephoniert, ich soll sofort kommen — er wünscht mein Urteil wegen der neuen Druckmaschine —" „Nun — und?" „Wehrlow, Mensch, können Sie sich in die Gefühle eines Bräutigams von zwei Tagen l ineinden'en. eines rasend verliebten und ga lanten Bräutigams, der mit seiner Braut für heute nachmittag, also für diese nächste Stunde, verabredet hatte, sich auf der Eisbahn zu tref fen und nun just zu dieser Stunde aweisen muß!? Gerade wollte ich mich fertig machen — da kommt die Nachricht! Bella wird schon auf dem Wege zur Eisbahn sein — ein Bote sie also nicht mehr antreffen. Wehrlow — tun Sie mir den Gefallen und gehen Sie jetzt schleunigst dorthin und bestellen Sie meiner Braut —" „Gewiß, gewiß, Brückner, aber ich kenne ja Jkre Braut garnicht! Sie wissen ja, ich bin erst feit vier Wochen im Ort —" „Tut nichts zur Sache! Sie können gar nicht fehlen,! Beim Pavillon wollten wir uns treffen. Meine Braut i't mittelgroß, schlank, blond — reizend. Bestellen Sie ihr meinen schönsten Gruß und — —. Aber gehen Sie, geben Cie, Wehrlow, — — ich möchte Bella nickt warten lassen! Unsere Gränen a er kann ich doch nicht schicken! Sie sind der einzige geeignete Mann hier — also — —" An dem vom Wintevspnnenschein beglänzten See herrschte ein buntes, lustiges Treiben. Man rodelte, lief Schlittschuh und zuweilen sauste ein Segelschlitten vorüber an der in weißen und farbigen Sportkostümen sich tum melnden Jugend. Dort, wo die Sonne mir goldenen Licht wellen den See überflutete, schwärmte mit lautem Hallo und Jubelgeschrei eine Kinder- schav. Wiederholt den Mick dorthin lenkend, glitt in der Nähe des Pavillons eine junge Dame, offenbar wartend, aus und ab. Für eine glück liche Braut sah sie eigentlich zu zaghaft aus und die großen Blauüugen, die sich jetzt von der Kindergruppe loslösten und spähend den Eisplan überflogen, blickten auch nicht so zu versichtlich strahlend, wie bräutliche Augen blicken. Im übrigen aber war die Beschreibung Brückners von seiner Braut hier zutreffend. Das hübsche, dunkelgrüne Velvetkleid, mit schwarzem Krimmerbesatz umschloß knapp die mittelgroße Gestalt. Die Besitzerin war schlank, blond und — reizend. Dies konstatierte auch Herr Franz Wehr low, der an Brückners Stelle jetzt auf dem See auttauchte, und da er erstklassiger Kunst läufer war, mit großer Geschwindigkeit sich der RendezvoMstelle, dem Pavillon, näherte. „Beneidenswerter Mensch, dieser Brückner! Das Mädchen scheint ja entzückend," murmelte er. „So etwas Liebliches, Zages liegt über ihm ausgegossen — das ist mein Ideal. Ich bin nicht für die selbstherrlichen Frauen. — ßrch werde mich für die übernommene Mission selbst belohnen, indem ich Brückners Braut bitte, mir zu erlauben, sic auf ihrem Eislauf zu begleiten. Doch — was ist denn das?!" Wie der Blitz war Wehrlow herumgefah- rcn, denn lautes, gellendes Hilsegeschrei durch drang die Luft. Es kam von der sonnigen Stelle auf dem See her, wo die Kinderschar gejubelt, die jetzt ängstlich zusammengedrängt stand, während einige die Flucht ergriffen. — Sofort lenkte Wehrlow dortbin. Eine aber war ihm bereits zuvorgekom men. Indes er nach der Richtung geblickt, woher der Hilferuf gekommen, war die beim Pavillon Harrende schon dorthin abgeschwemt, und da sie sich der Unfallstelle bedeutend näher befand als Wehrlow, längst vor ihm ange langt. Er sah die schlanke Gestalt in dem dunkel grünen Velvetkleide wie ein Pfeil die Stelle erreichen und in der Kinderschar unterarrchend. Und nun war sie völlig seinen Augen ent schwunden. Plötzlich aber hallte abermals ein Hilferuf durch die Lust — ein schwacher, angstbebender Ruf. Die Kinder stoben kreischend auseinander. Taumelnd prallten sie gegen Wehrlow an, der in besinnungsloser Hast herankam. Ihm folg ten jetzt von allen Seiten hilfsbereite Schlitt schuhläufer. Brückners Braut ist in Gefahr — vielleicht in Todesgefahr — du mußt sie retten, um jeden Preis! pochte das Verantwortungsgefühl gegen den Kollegen in Wehrlow, neben dem Ge übl der Pflicht gegen den Nächsten und traumhaft das Verlangen: diese holde Mäd- cheirgestalt, die er noch kurz zuvor bewundert, zu retten — mit Gefahr des eigenen Lebens zu reiten — wenn — auch — für — einen anderen . . . Es war der oft erlebte Fall. Ein Kind war eingebrochen und die zu Hilfe Eilende war bei dem Rettungsverfuch gleichfalls gesunken. Bis zum Leibe in dem nassen Element, um- lammerte sie mit der Kraft der Todesangst das geborstene Eis, während sie mit dem lin ken Arm versuchte, das bereits bewußtlose Kind, ein achtjähriges Mädchen, über das Eis zu heben. — „Es sind Schwestern," sagte ein halbwüch siges Mädchen zu den Umstehenden, indes Wehrlow, als erster zur Stelle, der Erschöpf ten das Kind abnahm und es in hilfsbereite Hände legte. Unter dem atemlosen Schweigen der Menge ging er darauf ans Rettungswerk. Mit allen Vorsichtsmaßregeln tat er es, aber zielsicher dieses Werk voll-Ubrend. Als es ihm gelungen war, die Gefährdete auf feine starken Arme zu heben, da brach die am See har rende Menge in brausende Hurrarufe gus. Das Gelsicht des Retters aber war ernst, sehr ernst. Donn die Mädchenarme, die noch« eben so tapfer sich festgeklammert, versagten, nun sie sich um den Nacken des Retters legten, plötz lich — eine Ohnmächtige war es, die Wehr low an das sichere Land trug. Es war um die siebente Abendstunde, als der Prokurist Brückner zurückkehrend bei Sol tau L Co. eintrat. Bei seinem Erscheinen fuhren die Angestell ten von ihrer Arbeit auf, um im nächsten Augen.lick desto eifriger sich ihrer Arbeit wie der zuzuwenden. Verlegene Mienen — laut loses Schweigen. „Bin schon wieder da, meine Herren — alles zu größter Zufriedenheit geordnet," lachte Brückner in bester Laune. „Kollege Wehrlow nicht hier?" sprudelte er dann, dessen leeren Platz gewahrend. Und plötzlich aufgeregt: „Wehrlow ist doch nach dem Eislauf schon» hier gewesen?" Die Antwort blieb aus. Der Buchhalter räusperte sich und wandte sich dem Fragesteller zu: „Herr Wehrlow ist auf dem Eise Lebensretter geworden und war nach der — Bekanntschaft — mit dem eisigen Element — natürlich — nicht imstande —" „Wie — was? Wehrlow — Lebensretter — aus — dem Eise? Dann muß ja ein Un fall passiert sein! Herr des Himmels am Ende — meine Braut — Bella — —? Aber so reden Sie doch, meine Herren . . .!" „Ruhig Blut, Brückner," beschwichtigte der Buchhalter. „Wehrlow schickte uns Bescheid. Darauf ist der Lehrling bei ihm gewesen. Wehrlow, der durch einen steifen Grog den Frost, der ihn schüttelte, zu bekämpfen suchte, hat erzählt, was er selbst wußte: daß ein Kind eingebrochen just in dem Augenblick, als er die Eisbahn betreten und Ihre Braut, am Pavillon stehend, entdeckt habe. Da sie der Unfallstelle nahe war, sei sie vor ihm dort ge wesen, aber bei ihrem Versuch, das Kind zu retten, selber eingebrochen. Ihm ist es dann gelungen, beide in Sicherheit zu bringen- Das ist alles." „Wie es meiner Braut geht, das wissen Sie natürlich nicht?" stieß Brückner, vergebens « « Allerlei Kurzweil. * « Denkfprüche. Das Leid ist eine dunkle Blüte, Doch tief im Kelch strahlt ihr ein Stern. Der Stern heißt: Gottes Vatcrgüte, Die ist dir auch im Leid nicht fern. * * * Ein ungestörtes Glück verlangen, Heißt Mondeslicht mit Netzen fangen, Den Sonnenstrahl mit Ketten fesseln Und Rosen fordern von den Nesseln. Rätselecke Rätsel. Mit deinem Sein bin ich sehr fest verbunden, Und sterb' ich, ja, dann stirbst auch sicher du, Und deines Lebens Kraft ist dir entschwunden, Begeb ich mich zur stillen Todesruh. Viel Eigenschaften, sagt man, soll ich haben, Mut kommt von mir, der Liebe Stoff bin ich; Sprich, hab' ich wirklich denn so hohe Gaben? Läßt dein Verstand sich leiten ost durch mich? Der Feder in der Uhr wohl mag ich gleichen, Die das Getriebe in Bewegung setzt, Von meiner Stelle darf ich nimmer weichen, Und bald stockt alles, bin ich nur verletzt. Drum schätze mich, erlaube immer, Daß mir der Dichter seine Lieder singt, Wohl mancher glänzet nur mit falschem Schimmer, Von dessen Ruhm die ganze Welt erklingt. Wechsel-Rätsel Vier Zeichen nennen dir mein Wort, So alt wie's erste Menschenleben, Nur Bösewichte treibt es fort, Sich diesem bösen Tuen zu ergeben; Doch auch das Schlachtenfeld stellt Dir oft dies gräßlich Schauspiel dar. Wie aus der Bibel wohl bekannt, Es nur aus Neid und Haß erstand. Nun streich' ein Zeichen und kehr' Das Wörtlein um, so nennt es gleich Dir eine Stadt gar reich an Ehr', Die heute noch in einem großen Reich. Anagramm. Ganz körperlos dahin ich schweben muß — Drei erste Zeichen stell' mir nur zu Fuß, Nimm fort das vierte, und in aller Eil' Verwandle ich mich in mein Gegenteil. Scharade. Die Erste kleidet Berg und Hügel, Sie zieht sich über Au und Fluß, Am Baches Rand, am Teiches Spiegel Vermißt man selten ihre Spur. Vuf der Hügel Sonnenrückcn, Wenn Luna freundlich uns erblinkt, Kannst du das zweite Paar erblicken, Wie sich's im leichten Tanze schwingt. Wenn einst nur, Lust hast du zum Fischen Und dich's zum schilfbewachs'nen Flusse zieht, Dann hörest du aus Strauch und Büschen Des Ganzen sanft melodisch Lied. Logogriph. Viel bewundert, viel besungen Jst's, des Lenzes Königin. Setz' drei Zeichen auf das Haupt ihm, Weist es gleich dir andern Sinn. Haucht es sonst viel Wohlgerüche, Süße Düfte rings herum, Wird es nun wohl meistens duften Nur — nach Tabak und nach Rum. Hieroglyphe«. (Von jedem Bild gilt der Anfangsbuchstabe. Die Vokale sind zu ergänzen.) (Auflösungen in nächster Nummer.) Auflösungen ans Nummer 4. Der Rätsel: 1. Der Nagel. 2. Vorsprechen. Des Rezept-Rätsels: Kinotheater. Des Gleichklangs: Ahnen. Der Scharade: Adventwoche. Des Bilder-Rätsels: Dankopfer. Liil-er-Ze^ug. Nr. 5. Redaktion, Druck und Vertag von Horn L Lehmann, Hohenstein-Ernstthal. 1914. Alte Geschichten Der Abend dämmert, es wirbelt der Wind Den Schnee von des Landhofs Dache, Sroßmütterchen sitzt am warmen Kamin Mit den Kleinen im trauten Gemache. „Erzähl uns nun, Großmütterlein!" „Recht gern, ihr närrischen Dinger, Ihr müßt nur brav und bescheiden sein," Und mahnend hebt sie den Finger. Dann fängt sie an: „Es war einmal" — Und die Kinder, sie lauschen und lauschen; Sie hören das Bellen des Hofhundes nicht Und des Sturmes Zischen und Rauschen, Und nicht das Schlagen der Gchwarzwalduhr Und der Stunde rasches Verrinnen, Sie sitzen und horchen mit Mund und Ohr, Versenkt in Träumen und Sinnen. Großmutter weiß der Geschichten viel Aus fernen, vergangenen Tagen, Von Riesen und Zwergen, von Burgen und Seen, Seltsame Märchen und Sagen; Von Nixen und Elfen, von Rübezahl, Musikanten und Lumpengesindel, Und wie Dornröschen in Schlaf versank, Gestochen von giftiger Spindel. Vom Weibe, das tanzt' in feurigen Schuh'n, Von sieben Raben und Schwaben, Vom Aschenbrödel und Drosselbart Und Hans, dem glücklichen Knaben; Von der großen Stadt tief unter der See, Vineta, der schlummernden Leiche, Auch wohl zum Schluffe von Meister Till Schalkhafte, lustige Streiche. Großmutter weiß der Geschichten so viel, Als Blätter von Büschen und Bäumen, Die Kinder lauschen mit Ohr und Mund, Versenkt in Sinnen und Träumen; Und die kleine Marie, sie lächelt und — schläft. Süll wird es im trauten Gemache; Und der Wind schläft auch, und die Sterne steh'n Hell über des Landhofs Dache. F. W. Weber Was die Engel im Himmel droben tun. Märchen von Tante Martha. Habt ihr Kinder schon einmal darüber nach gedacht, was die kleinen Engelein im Himmel zu tun haben mögen oder dachtet ihr gar, sie springen und singen nur den ganzen Tag? O nein, die lieben Engelein haben auch wie die Menschenkinder hier unten auf Erden ihre Tätigkeit, denn sonst würde ihnen die Zeit gar lang werden. Ein Engletn aber hat mir ein mal im Traum erzählt, wie im Himmel das Tagewerk vollbracht wird. Frühmorgens, wenn die Englein ausge schlafen haben, müssen sie zuerst die liebe Sonne putzen, damit sie hell und freundlich die Erde bestrahlt; dann sagen die kleinen Men schenkinder, die früh zur Schule müssen: Heute wird ein schöner Tag, die Sonne scheint." Andere Engel sind damit beschäftigt, den Mond, der die ganze Nacht am Himmel geleuchtet hat, wieder blank zu machen, damit er auch in der folgenden Nacht wieder seinen Zweck erfüllt. Und was meint ihr gar, was die vielen, vielen Sternlein, die nachts am Him mel stehen, den lieben Engletn für Arbeit machen! Da haben sie alle Hände voll zu tun, denn jedes einzelne Gternlein will geputzt sein, dabei sind die kleinen Engel fröhlich und guter Dinge bei ihrer Arbeit, die ihnen viel Freude macht. Auch der Wettermacher und HtmmelSpfürtner Petrus, der den Schlüffe! zur Himmelspforte bei sich trägt, braucht die