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115 Autorität gründet sich nur auf das Recht des Säbels, jeder Kriegshäuptling wird Richter in Fricdcnszciten, und nimmt, so jung er auch sein mag, den religiöse» Charakter eines Greises, eines antiken Patriarchen an. Nach der Kirche wie in das Feld lager folgen ihm mit völliger Ergebenheit alle Glieder seines Stammes, die er dafür wie seine eigenen Kinder zu behandeln gehalten ist. Jeder Phis oder albancsische Clan hat ein Ccn- traldorf, genannt Phar oder Dschcta, Wörter, wovon das eine vom Griechischen und das andere vom Slavonischcn abstammt, und welche Herd oder Familie bedeuten. Wo dieses Volk in unmittelbarer Berührung mit dem Europäer gelebt hat, wie auf den ehemalig venetianischcn Inseln und im Königreich Neapel, welches zahlreiche albancsische Colonien umschließt, haben die Phchre allmählig feudale Formen angenommen, im inner» Albanien dagegen haben sic den alte», diesen Völkerschaften am klebenden, demokratischen Charakter bcibehalten. Durch einen zu sehr ausschließlichen Familicngeist haben sich die Albanesen gleichsam in cinc Menge von kleinen Pharen ein gepfercht. Jede von diesen Gruppen nimmt ihre Kula tbc- scstigtcn Thurm) ein, glaubt, im Schutze ihrer Zinnen, den an der» Trotz bieten zu können, und wcigcrt sich, in Folge einer übertriebenen Familicnliebe, den benachbarten Pharen, die cincs von seinen Gliedern verletzt hat, Gerechtigkeit «»gedeihen zu lassen. So macht das Ucbermaaß von Freiheit und Macht der Familie die Ausübung der Privatgcrechtigkcit nothwendig; ein einziger Mord zieht deshalb Hunderte imch sich, welche als Rc- vrcffalicn begangen werden. Diese häuslichen Faidas nennt man Tschcta, ein tatarisches, noch jetzt bei den Turkoma- »en Anatoliens gebräuchliches Wort, um einen Angriff auf Han- delS-Karavanen zu bezeichne». *) Der während der Tscheta 2m Alt-Jlirischen bezeichnet Schtctn Plünderung, und schiele wnti nnf Raub nnegehcn. 8*