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regelmäfsig schon in der 4. Klasse des Gymnasiums mindestens 900/0 der Schüler mit den Schriften dieses Autors vertraut waren, obwohl Karl May in den offiziellen Schülerbibliotheken verhältnismäfsig wenig angetroffen wird." Ich habe dieses Urteil ausführlicher wieder gegeben, weil es in zutreffender Weise auf reicher praktischer Erfahrung und ruhiger theoretischer Abwägung sich aufbaut. Es ist nun eigentlich überflüssig, noch der Frage zu gedenken, ob die Mayschen Schriften denn nicht der Jugend schädlich sind. Aber die wirklich böswilligen Verdächtigungen, die man nach dieser Seite oft hören kann, zwingen zu einer kurzen Zurückweisung. Gewifs sind die Bücher sehr spannend geschrieben; aber wer glaubt, dafs dies der jungen Welt gefährlich werden müfste, sie vom Studium ablenken, ihre Phantasie ins Ent legene und Abenteuerliche locken könnte, der irrt. Das wäre, wie Lorenz Krapp in seiner erwähnten Studie mit Recht betont, nur der Fall, wenn May die Spannung mit innerlich unwahren, abenteuer lichen Effekten erreichen wollte. Das erregende Moment bei May ist aber nichts weiter als die lebenswarme, folgerichtige Zeichnung der Men schen und Dinge; dasselbe Moment, das Charles Seasfields heute allgemein anerkannte Werke, das den Robinson Crusoe zu immer jungen Büchern macht. Die Handlung wächst ihm empor aus der konsequenten Schilderung von Mensch und Natur. In diesem Sinne äufsert sich auch Prof. Dr. L. Frey tag-Berlin im „Pädagog. Archiv“: „So oft ich einen May-Gegner nach dem Grunde seiner Gegnerschaft fragte, hörte ich: Ja, er verdirbt die Phantasie. . . . Von dem wohltätigen Einflufs seiner Werke, die sozusagen eine personifizierte, echt reli giöse Sittenpredigt sind, war gar nie die Rede.“