Volltext Seite (XML)
3918 Nichtamtlicher Theil. 248, 23. Oktober. den Buchhandel d. i. in Form des vermittelnden Groß-Buchhandels, daß die Bücher wohlfeiler werden würden. Sehr einleuchtend ist das nicht. Jehl steht zwischen Verleger und Publicum ein Händler. Tritt der Groß-Buchhandel dazu, so stehen zwischen dem Producenten und Publicum zwei Händler, die beide eristiren wollen, und dennoch sollen die Bücherpreise wohlfeiler werden. Doch das mag hingehen. Jedenfalls hält er die gegenwärtigen Preise für zu hoch, und dieser Vorwurf ist schon öfter an den Buch handel herangetreten, noch in jüngerer Zeit im Reichstage, so daß es vielleicht nicht unangebracht ist, auf die Sache hier etwas näher einzugehen. Um sich von vornherein aus der Region des leeren Raisonnc- ments auf positiven Boden zu versetzen, hat man zwischen dem soge nannten wohlfeilen und dem Normalbücherpreise, d. i der Preis, wie er den wirthschaftlichen Verhältnissen eines Landes angemessen ist, zu unterscheiden. Wenn es richtig ist. daß nur ein ausgiebig entwickelter Verkehr, der seinem Lande in der Befriedigung der lite rarischen Interessen buchhändlerisch möglichst allseitig gerecht wird, damit aber auch genöthigt ist, seine commerciellen Ansprüche ent sprechend der materiellen Nationalleistnngsfähigkeit anzuspannen, — ich sage, wenn es richtig ist, daß nur ein solcher Verkehr einen Normalbücherpreis zu ermitteln und herzustellen vermag, so hat Deutschland im Durchschnitte einen Normalbücherpreis. Denn Niemand ist im Stande, einen Buchhandel zu nennen, der auf einer höheren, in gesetzmäßiger Bewegung erreichten Entwickelungsstufe steht, als der deutsche. Dagegen gebe ich alsbald und ohne Bedenken zu, daß Deutschland nicht die wohlfeilsten Büchcrpreise aufzuweisen vermag. Sogar das sonst so theure England hat niedrigere Preise. Wir haben nichts, was in der Wohlfeilheit den Schilling-Ausgaben Shakspeare's und anderen englischen Massen Unternehmungen, vor nehmlich Reproductionen, gleichkommt. Daneben hat jedoch Eng land auch wieder die theuersten Bücherpreise der Welt. Ich verweise auf die fashionable Literatur mit ihren Guincenpreisen. Der Gegen satz des englischen Bücherpreises in seiner Höhe und Spottwohlfeil heit ist ein Abbild der socialen Verhältnisse Englands. Diese Eigen tümlichkeit in Verbindung mit den ftricten kaufmännischen Grund sätzen des englischen Buchhandels hindert den Import englischer Literatur auf dem Continent mannigfach. Denn die wohlfeilen Bücher können ohne verhältnißmäßig starken Aufschlag nicht mit Nutzen hier vertrieben werden und die theuren literarischen Erzeug nisse finden wiederum nur ein beschränktes Publicum. Die seit dreißig Jahren lebhaft producirende, nahezu 1300 Bände Standard- Literatur umfassende Leipziger l'auebnitL' OoUeetion ok Liitigst ^.utstors, welche den ganzen Continent und noch ein weiteres Ge biet beherrscht, findet ihre Förderung vornehmlich durch diese Ver hältnisse. Frankreich kennt den englischen Gegensatz im Bücherpreise nicht. Ganz conträr, ist es darin ausgesprochen demokratisch. Im Preissatze der populären Literatur hält es wohl mit Deutschland so ziemlich die nämliche Stufe inne, aher in wissenschaftlichen und son stigen Specialleistungen ist es vielfach wohlfeiler als wir. Dies läßt sich verschiedenartig erklären. Für Philologie, einzelne Zweige der Theologie und andere wissenschaftliche Literatur hat Frankreich z. B- in den romanischen Ländern einen Hauptmarkt. In den Leistungen des guten Geschmacks auf dem Gebiete der technischen Literatur rc. steht es aber allen Ländern gegenüber bevorzugt da. Noch in jüngerer Zeit sind Pariser Ornamentenwerke von wunder barer Schönheit aufgetaucht, und das zu einemPreise, dessen Mäßig keit man sich nach deutschen Verhältnissen nicht klar zu machen ver steht. Hier ist es nun das tonangebende Ansehen Frankreichs nach der guten Seite, welches in den Calcül gezogen werden muß; der > natürliche und feingebildete Sinn und Geschmack der Franzosen in kunstindustriellen Dingen sichert solchen mustergültigen Schöpfungen überall ihr Heimathrecht, und der wohlfeile Preis ist eine vollkom men begründete Selbstwürdigung außergewöhnlicher Verbreitungs- fähigkeit. Doch was heißt Deutschland, England und Frankreich? Das Eldorado des wohlfeilen Bncherpreises und — was damit Hand in Hand zu gehen hat — des Massenumsahes ist Amerika! Der ehe malige nordamerikanische Verleger und spätere Nationalökonom Carey gibt in seinen D6ttor8 on international eop^ri^bt eine Reihe von Beispielen amerikanischer Nachdrucke von englischen Wer ken, welche in der einen und der anderen Art einen ganz enormen Unterschied Nachweisen. So kostete Lravclo'Z klne^elopoäia nach amerikanischem Gelde in England 15 Doll., die amerikanische Aus gabe dagegen nur 4 Doll., von ^Ii8ou'8 Lurope die billigste Aus gabe in England 25 Doll., in Amerika nur 5 Doll. n. s. w. Noch toller sind zuweilen die Differenzen im Absatz. Von der in Eng land so populären Tupper'schen krovorbial kkilo8opli^ wurden dort z. B. im Ganzen etwa 15,000 Exemplare zu 7 Schilling ab gesetzt, in den Vereinigten Staaten hingegen 200,000 Exemplare zu durchschnittlich 50 Cent. Schon bei einem glänzenden Gastmahle, welches die New-Aorker Buchhändler im I. 1837 einer großen An zahl von Schriftstellern, Gelehrten und auswärtigen Berufsgenossen gaben, wurde ähnlich wie von Carey die Thatsache triumphirend für amerikanische Verhältnisse verzeichnet, daß in einem Falle, wo sich das englische Original mit 4000 Exemplaren Absatz habe begnügen müssen, der amerikanische Nachdruck 100,000 Exemplare an den Mann gebracht habe. Die Art und Weise, wie Carey diese Thatsachcn zu erklären sucht, zeigt, daß sein Drang zur Nationalökonomie ihn nicht dahin geführt hat, dem Berufe, dem er zunächst angehörte, dem Buchhan del, in seinem Wesen und seinen Bedingungen etwas näher auf den Grund zu sehen. Hierüber hinaus ist seine Schrift ein wahres Curiosum von amerikanischer Selbstberäucherung und souveräner Verachtung und Geringschätzung europäischer Verhältnisse. Die amerikanische Decentralisation macht nach ihm alles; damit ist Amerika das Land des öffentlichen Schulunterrichts, der weitverbrei teten Intelligenz in allen Dingen und damit auch eiues Bücher markts, wie er ohne Gleichen in der Welt dasteht (tbi-, eountr^ pr686Qt8 a marlcet kor boolc8 ok alw08t ä68eriptiou, uu- parallelecl in tsts worlci). Ein halbes Jahrhundert früher habe man in Amerika kaum Schriftsteller gekannt, gegenwärtig d. i. im Jahre 1853, wo Carey's Schrift erschien, zahle es mehr Geld an Autoren als Frankreich und England vereint, noch zwanzig Jahre später (das würde also die Jetztzeit sein), und es würde wahrschein lich mehr zahlen als die ganze Welt zusammen genommen. Wenn daher Amerika mit Recht das „Paradies der Frauen" ge nannt werde, so könne es nicht minder als das „Paradies der Auto ren" gelten. Amerika ist anerkanntermaßen ein Paradies, das Paradies der Großprahlerei, und Carey beweist nichts schlagender als dies. Zweck seiner Schrift ist, den Abschluß einer Literarconvention mit England zu bekämpfen. Daß Amerika sich nicht beeilt, seinen Nach druck durch einen Vertrag mit England aufzugeben, so lange dies nicht die Rücksichten auf die eigene literarische Production und die Stellung seiner eigenen Schriftsteller gebieterisch erheischen, da gegen läßt sich im Grundsätze nicht viel einwenden. Allein die Art und Weise, wie Carey zu Gunsten des Nachdrucks und gegen die Forderung amerikanischer Schriftsteller auf Abschluß des Vertrags polemisirt, ist eine krämerhafte, und seine ewige Berufung auf die Forderung wohlfeiler Bücher zu Gunsten allgemeiner Volksbildung, das alte Argument der Nachdrucker und Nackdrucks-Vertheidiger, ver-