Volltext Seite (XML)
Z Korporal Spohn Von Hans Bethge (Nachdruck verkoken.) In der Armee Napoleons, beim 36. Linienregiment, diente der Korporal Franz Spohn. Er stammte aus Koblenz. Diese deutsche Stadt gehörte damals zu Frank reich: erst im Lause der Befreiungskriege, mit dem Be ginn des Jahres 1814, fiel sie an Deutschland zurück. Spohn war ein Mann der Pflicht, der Kühnheit, der schnellen Tat, ein Vorbild für seine Leute. Er hat sein Leben gelassen für den Kaiser, dem er diente, in einem Augenblick, der diesem äußerst gefahrvoll zu werden drohte. Es war während der Schlacht bei Austerlitz. Napoleon äugte mit Falkenblick umher und erkannte, daß die Schwen kung des rechten Flügels nicht mit der Präzision erfolgte, die er für geboten hielt. Erregung überkam ihn, und kurz entschlossen ritt er auf seinem Schimmel allein dem rechten Flügel entgegen, um Ordnung zu schaffen. Der Ritt war unvorsichtig. Er hatte nicht bemerkt, daß er auf diese Weise einer kleinen Abteilung versprengter Kosaken vor die Gewehre geriet. Da er es erkannte, bog er schnell ab, in ein Gehölz von Buchen und Erlen. Die Kosaken folgten ihm, entschlossen, sich eine so kostbare Beute nicht entgehen zu lassen. Der Kaiser gab dem Schimmel die Sporen, einen so wilden Galopp hatte er lange nicht geritten. In dem Gehölz stand Korporal Spohn mit einigen seiner Leute. Er erkannte, was vor sich ging, pflanzte sich kurz entschlossen aus dem Sandweg vor dem Kaiser auf und rief: „Mir den Gaul, Majestät, und Euren Hut! Laßt mich für eine Weile Cure Rolle spielen, — rettet euch seitwärts durch die Erlen!" Napolean sprang ab, ging schnell beiseite und trat in ein Gebüsch. Spohn hatte den Dreispitz aufgesetzt, hatte sich in den Sattel geschwungen, den Kragen hochgeschlagen und jagte weg wie der Teufel. Jetzt drangen die Kosaken in das Wäldchen, das Getrappel ihrer kleinen Pferde brauste am Kaiser vorüber, sie ahnten nicht, daß er neben ihnen in dem Buschwerk stand. Als sie verschwunden waren, trat der Kaiser hervor. In Begleitung der Spohnschen Loute eilte er seitwärts durch den Wald und gelangte wohlbehalten, wenn auch ohne Gaul und ohne Hut, zurück zu seinem Stab. Die Gefahr, in der er ge schwebt hatte, kümmerte ihn nicht mehr, die Schlacht nahm ihn in Anspruch bis in die letzten Pulse seines Geblüts. Unterdessen hatte Spohn den Wald durchquert und raste weiter über die Felder. Er hörte Lie Kosaken hinter sich her, ihre wilden Ruse, das Gestampf ihrer Gäule. Er wußte, sein Ende war nahe, — es konnte nichts anderes mehr kommen als das Ende. Blitzschnelle Vorstellungen stobten durch sein Hirn: Du reitest hier als seiest du der Kaiser und bist es nicht. Das Schicksal will, daß du dein Leben läßt für deinen Kriegsherrn, der nicht einmal ein Deutscher ist. Du hast ein Weib in Koblenz, das du liebst, sie hat blondes, sanft gewelltes Haar, und du hast zwei Kinder, die an die Rückkehr ihres Vaters glauben. Und auch eine Mutter hast du in Koblenz, eine Mutter mit grauem Scheitel, Mutter, Mutter, Mutter, — plötzlich sah er nur noch sie, und es war ihm, als ob ihr alter schöner Kopf sich zu ihm neige, als fasse sie ihn um und zöge ihn liebevoll an ihre Brust. Da waren die Kosaken. Rechts war einer und links, er spürte ihren heißen Atem, sie griffen nach dem Zügel des Schimmels, und als sie nun Spohns Gesicht erkannten, ! schrien sie auf vor Wut. Sie machten schnellen Prozeß. ! Sie zogen die Säbel und schlugen ihn zusammen aus eine erbarmungslose Art. Als die Schlacht zu Ende war, erinnerte sich Napoleon ! seines Korporals. „Ich muß sehen, was aus ihm gewor- l den ist", sagte er. Mit einigen Offizieren und einer kleinen Abteilung Reiter machte er sich auf und trabte durch den Wald. Der Kaiser schwieg, er sah voll Er griffenheit das Gebüsch, in dem er sich versteckt hatte, und wies darauf hin. Endlich, wett draußen im Feld, fand man den Deutschen in einer roten Lache. Der Dreispitz des Kaisers lag neben ihm, mit Blut befleckt. „Gebt mir den Hut", sagte der Sieger von Austerlitz, — und er setzte feinen alten Dreispitz auf, ohne ihn zu säubern. Auf seiner Stirn bildete sich ein dünner, dunkelroter Rand vom Blute des Gefallenen. Er ließ dem Toten die Brieftasche abnehmen, die Uhr, das Geld, und steckte alles persönlich zu sich, um es Ler Witwe zu übermitteln, mit der Anweisung auf eine be sondere Pension. Dann bezeichnete er eine Stelle am Waldrand, wo man dem heldenmütigen Mann ein Grab schaufeln sollte. Das war Franz Spohn, ein Deutscher, der treueste Korporal des Kaisers, dem er diente, ein Vorbild feiner Loute, ein Mann der Pflicht, Ler Kühnheit, der schnellen Tat. Es regnet Fische Nach einem der letzten großen Wirbelstürme in Mittel amerika, die Hunderte von Menschenleben vernichteten und ganze Ortschaften zerstörten, wurden weit entfernt von dem nächsten See oder Fluß zahllose Fische auf dem trockenen Lande gefunden. Und sofort entstand in der Masse der Mestizen — den besonders abergläubischen und zum Mystizismus neigenden Mischlingen — die Ansicht: die Heiligen haben Fische regnen lassen, damit wir in unserer Not nicht verkommen! Allerdings: Mit Wundern hat ein solcher Fischregen nichts, aber auch gar nichts zu tun. Son dern auch er hat — wie die meisten der uns aus ver gangenen Jahrhunderten überlieferten Sagen und Mär chen — eine sehr natürliche und vollkommen verständliche Ursache: nämlich die Wirbelstürme oder Windhosen! Be kanntlich haben Windhosen die unheimliche Eigenschaft, bei rasend schneller Fortbewegung um ihren eigenen Mittelpunkt zu rotieren. Durch diese Rotation saugen sie mit gewaltiger Kraft alles, was ihnen Widerstand bietet, auf, schleppen es oft meilenweit mit sich und lassen es erst in riesiger Entfernung vom Ort der Katastrophe wieder zu Boden fallen. Auf diese Weise sind schon schwere Haus dächer, junge Bäume oder Gerätschaften emporgerissen und weite Strecken durch die Luft gewirbelt worden. Fast bei allen Wirbelsturmkatastrophen wird gemeldet: „Die Haus dächer wurden von der Windhose mehrere Meilen weit fortgetragen!" Und wer die saugende Kraft der Wirbel stürme kennt, wird sich durchaus nicht darüber wundern, daß sie Gegenstände im Gewicht von mehreren Zentnern meilenweit fortgeschleppt haben. Auf Lie gleicke Weise, wie hier geschildert, entstehen nun — wenn besondere Voraussetzungen erfüllt sind — auch die sagenhaften Fisch regen. Eine Windhose ist in solchen Fällen durch einen besonders fischreichen See oder Meerbusen gerast und hat mit dem Wasser auch eine Anzahl von Fischen angesaugt. Erst wenn nach vielen Meilen ihre Kraft allmählich ver sagt, läßt sie ihre „Beute" nun zu Boden fallen. Und staunende Menschen finden dann Plötzlich mitten in einer Wüste, weitab von dem nächsten Gewässer, zahllose kleine Fische auf dem Trockenen liegen . . . Und schließlich noch ein Bericht aus der Neuzeit: Am l8. Mai 1928 wurde von Professor Charles Condat in Nordkarolina ein Fischregen beobachtet, der etwa zwölf Kilometer von dem nächsten See entfernt über einem Felde niederging. Professor Condat hat seinerzeit mehrere Artikel über dieses Ereignis in amerikanischen Zeitungen veröffentlicht, die aber von den verschiedensten Setten heftig angegriffen wurden, denn — der Amerikaner wollte sich seinen Wunderglauben nicht nehmen lassen.