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84 nirgend klar, sonst könnten sie unmöglich zusehen, wie Blatt um Blatt verloren geht, oder sie sind weiter über die Tätigkeit dieser Pilze im Reben blatt nicht unterrichtet, sonst könnten sie nie mit dem Schwefeln und Spritzen erst dann einsetzen, wenn die Pilze schon längst aufgetreten sind und großen Schaden angerichtet haben. Der Zweck dieser Zeilen soll daher sein, uns in erster Linie die Bedeutung des Blattes für jede Pflanze, hier besonders die Rebe, zu vergegenwärtigen, um uns dann mit dem Schaden zu befassen, den die Pilze im Blattinnern an richten ; denn nur dann wird sich auch der etwas nachhinkende Winzer aufraffen, rechtzeitig und exakt zu schwefeln und zu spritzen, wenn er sich voll bewußt wird, was es mit Ausführung dieser Arbeiten zu retten gilt und welch hohe Werte er mit einem so geringen Einsatz an Zeit und Geld sich erhalten kann. Betrachten wir im Winter oder Frühjahr das Holz an einem Rebstock, so bemerken wir in größeren oder geringeren Abständen jeweils die Augen, Knospen, von verschiedener Stärke. Ver folgen wir das Austreiben der nach dem Schnitt verbliebenen Augen, so wird uns sofort auffallen, daß die entstehenden Triebe in ihrer Stärke ganz verschieden sind. Aus welchem Grunde wohl? So wie vorher volle, kräftige Knospen und kleine unvollkommen ausgebildete, vorhanden waren, so sind dementsprechend auch die Triebe geworden, denn die erste Nahrung bekommt der junge Trieb noch nicht vom Boden, bezw. von den Wurzeln aus, sondern diese Nahrung war in der Knospe aufgespeichert. Den Austrieb der Knospen, bezw. das Weiterwachsen, beeinflußt dabei wohl auch die Stellung derselben, sowohl zum Licht als auch zum Saftdruck; denn sobald der junge Trieb Blätter gebildet hat, findet eine starke Saftströmung nach diesen statt. Wenn nun in den Knospen solche Nahrungsvorräte für den jungen Trieb vorhanden sind, so müssen diese auch von irgend einem Pflanzenteil dort abge lagert worden sein. Somit sind wir schon an einer wichtigen Funktion der Blätter angelangt, denn diese allein sind es, die im Laufe des Sommers Reservenährstoffe in den Knospen der jungen Triebe aufspeichern und damit auf die nächstjährige Vegetation einwirken. Je mehr gesunde Blätter am Rebstock vorhanden waren, um so kräftiger entwickelt werden die nächstes Jahr zum Austreiben gelangenden Knospen sein. Wie nun diese wunderbare Arbeit der Blätter vor sich geht, überhaupt welch unentbehrliche Glieder des Pflanzenkörpers die Blätter sind, sollen die folgenden Zeilen behandeln. Es wurde vorhin schon erwähnt, daß mit dem Erscheinen der ersten Blättchen ein Saft zustrom nach denselben einsetzt. Dieser Saft ist weiter nichts, als von den Wurzeln der Rebe aufgenommenes Bodenwasser, in welchem die verschiedensten Nährstoffe, Bodensalze usw. auf gelöst sind, also diejenigen Nährstoffe, die wir mit der Düngung fortwährend dem Boden zu führen müssen, sofern derselbe durch langjährige Rebenkultur daran arm geworden ist. Dieses Bodenwasser, mitsamt den Nährstoffen, steigt durch die Wurzeln, Schenkel und Holztriebe bis zu den entferntesten Blättchen. In diesen findet dann erst die Verarbeitung dieser Nährstoffe statt. Zunächst verdunstet ein Teil des aufgenommenen Wassers durch die Blattoberfläche hindurch, so daß die Nährsalzlösung in dem Blattinnern kon zentrierter wird. Mit diesen aufgenommenen Bodensalzen usw. geht dann eine eigenartige Umsetzung vor sich. Die Pflanzenteile sind be kanntlich alle aus Zellen zusammengesetzt, die nicht tot sind, sondern fortwährend Lebens äußerungen betätigen. In den einzelnen Zellen sind kleine grüne Körperchen, die sog. Chlorophyll körner vorhanden, die als die Hauptarbeiter des Blattes, ja der ganzen Pflanze anzusehen sind. Diese Chlorophyllkörner haben die Eigenschaft, unter Einwirkung des Sonnenlichtes, aus den mit den Wurzeln aufgenommenen, nichtorganischen Stoffen, wie Säuren, Salzen, Bodenwasser usw. für die Pflanze organische, also richtige Pflanzen baustoffe zu bilden. Hierzu ist aber noch ein Gas nötig, das im Luftraum, überall gleichmäßig ver teilt, enthalten ist, nämlich die Kohlensäure. Also die Chlorophyllkörner verarbeiten bei Sonnen licht fortwährend die aus dem Boden aufge nommenen Stoffe und die Kohlensäure der Luft zu Pflanzenbaustoffen. Diese letzteren können nun verschiedene Zusammensetzung haben. Zu nächst entstehen stärkeähnliche Stoffe, die dann weiter verarbeitet werden zu eiweiß- und zucker haltigen Stoffen, je nachdem sie im Pflanzen körper verwendet werden. Die stärkeähnlichen Baustoffe werden z. B. zum Aufbau von Zellen, also zur Vergrößerung des Pflanzenkörpers verwendet, die eiweißhaltigen Baustoffe finden Verwendung zur Bildung der Samen und zur Vergrößerung des lebenden Faktors der Zellen, des Protoplasmas, während die zuckerühnlichen Baustoffe zum großen Teil in die Trauben wandern und dort als Zucker abgelagert werden. Auf der ganzen Welt ist kein lebendes Indi viduum, das diese Tätigkeit der Chlorophyllkörner ersetzen könnte. Sie allein nur können diese Pflanzenbaustoffe bilden, ohne sie würde es keine neuen Pflanzenmassen, kein Holz, keine Frucht, kein Brot geben, ohne sie wäre ein Leben von Pflanzen und Tieren und Menschen im jetzigen Sinne gar nicht denkbar. Diese Hinweise mögen genügen, uns von dem enormen Wert der Blätter zu überzeugen. Wenn bei dem Rebstock das Längenwachs tum aufhört, wenn keine neuen Blätter und