Volltext Seite (XML)
Verstehend neigte die Besucherin das Haupt. Sie er hob sich. „Ich werde meine Bekannte von Ihren Wünschen unter richten! Vielleicht darf sie nächste Woche selbst einmal Her kommen —?" „Wie Sie meinen. Gnädigste! Aber ganz ohne Ver bindlichkeit, bitte ich —!" „Gewiß, Herr Major! Ich habe gar kein besonderes Interesse daran — nur aus Menschenfreundlichkeit wagte ich den Gang — sie bat mich jo dringend! Ihr großes Vermögen hat sie durch teilweises Verschulden ihres Man nes, der mit dem meinen sehr gut bekannt war, verloren! Und dann die ganzen Zeitumstände jetzt —" Der Hund war aufgesprungen und drängte sich schnup pernd an die Dame heran, die ihn liebkosend streichelte. „Welch ein prächtiges Tier —" bemerkte sie. „Aber noch nicht so erzogen, wie er sein soll. — Prinz, Platz —!" Der Major begleitete die Dame nach der Tür. „Ich bitte nochmals, die Störung zu entschuldigen!" sagte sie mit ihrer weichen, sehr wohltuenden Stimme. „Bitte sehr! Sehen Sie, gnädige Frau, jetzt muß ich mir meinen Kaffee machen — und noch so allerlei be sorgen —" er seufzte ein wenig — „wie unerfreulich das doch ist!" Er verneigte sich und schloß die Tür hinter ihr. „Eine sehr sympathische und anscheinend schöne Frau!" mußte er denken. Ein dichter schwarzer Schleier hatte ihr Gesicht verhüllt — der warme, herzliche Blick leuchtender, Heller Augen war ihm aber im Gedächtnis haften geblieben. Line nicht große, aber sehr gut gewachsene Erscheinung, die in Kleidung, Haltung und Ausdrucksweise die voll endete Dame verriet. Einen Augenblick ging es ihm durch den Sinn — „ob sie nicht für sich selbst —Dann aber wäre es ganz unmöglich gewesen, sie zu engagieren, ob wohl es sehr angenehm gewesen wäre, ein solches Wesen um sich zu haben; jedoch seinem ganzen Gefühl hätte es widerstrebt, eine Dame Magddienste für sich tun zu lasten! Es war etwas an der Fremden, das einen Ton in ihm nachklingen ließ. Ob es ihre schöne, schwingende Stimme war? „Wieder nicht!" dachte er mit Bedauern. Er seufzte. Ls wurde jetzt langsam ungemütlich. Wie sah seine Woh nung aus! Er hatte selbst schon öfter nach dem Staubtuch greifen und manche Arbeit verrichten müssen, woran er früher nie gedacht! Nach ungefähr einer Stunde klingelte es. Freudig leuch tete es in seinen Augen auf — es war Hortense, dem Klingelzeichen nach! „Ich bin schon wieder da —lachte sie ihn fröhlich an; sie drückte ihm einige Paketchen in die Hand — „da, Kuchen und etwas zum Abendbrot! Ich habe nämlich die Absicht, heute hier zu bleiben, vorausgesetzt, daß es dir angenehm ist — denn meine Sehnsucht ist groß —" „Ob aber noch größer als die meine, bezweifle ich roch —" und zärtlich küßte er sie. Sie schmiegte sich in den Klubsessel aus dunkelbraunem Leder, der in der „Rauchecke" des Herrenzimmers stand, und bediente sich mit einer Zigarette — „du kannst ruhig weiter arbeiten, Maurus, ich will dich nicht stören —" „— eine so angenehme Störung, mein Sauselchen, nach so vielen weniger angenehmen, wagte ich kaum noch zu erwarten —" „Wer und was hat dich denn heute so viel gestört?" „In komischer Verzweiflung strich er über den glatten ounklen Scheitel. „Die Anzeige im Tageblatt ist schuld daran! Nicht weniger als sieben Bewerberinnen haben sich nach Tische seit ungefähr ein Uhr persönlich vorgestellt — die eine gab förmlich der anderen die Tür in die Hand! Und die Post brachte heute auch so viele Briefe — nicht zum Durch finden! Und doch noch immer kein Ersatz für die Holz mann — es ist zum Verzweifeln! Dieses Leben, mit jo vielen Kleinlichkeiten belastet, ist wahrhaftig schlimmer als lm Schützengraben! Ich komme mir beinahe schon lächerlich vor in dem, was mir zu tun obliegt —" wie jetzt zum Beispiel den Tee brühen zu unserem gemütlichen Teestündchen, gelt? Gib doch mal einen Teller her — ich will das Gebäck anrichten! Und einen Gefallen kannst du mir noch tuv: muß das Hundevieh immer bei dir im Zimmer sein? Mick macht es rasend nervös, Mauru» —- „Aber Sauselchen, du weißt doch, daß Prinz ein An denken an meinen kürzlich verstorbenen Freund Bahl ist." „Ah was —! Um einen Köter macht man doch nicht so viel Umstände wie du —" Ihre Worte taten ihm weh; sie sprach oft sehr ge- dankenlos und unüberlegt. Wenn er sie nicht so genar zu kennen glaubte, hätte er wirklich annehmen müssen, sie habe gar kein Herz und Gemüt! Ach, und er wußte es doch besser! Hortense las einige Briefe, die Maurus vorhin er wähnt. „Sollte die Wahl wirklich so schwer sein? Was sich hier anbietet, ist doch so vertrauenerweckend —! Ein mal mußt du dich ja doch entschließen! Sei doch nicht sr schwerfällig, mein Schatz! Du degradierst dich ja durch derlei Arbeiten, die eines Mannes und eines Majors un würdig sind —" „Glaubst du, daß ich darüber so erfreut bin? Aber nach den Erfahrungen mit meinen beiden letzten Haushälterin nen wird man mißtrauisch und wählerisch, ehe man ein« endgültige Entscheidung trifft! Mir fehlt Geld, Wäsche — sogar — Silber —" sagte er in leichter Verstimmung. Hortense legte die weiße, brillantenfunkelnde Hand vor den Mund, um ein kleines Gähnen zu unterdrücken — „gerade, als wäre ich in einem Kaffeekränzchen, in dem man sich seine Dienstbotennöte kl^gt!" bemerkte sie spöttisch Er wurde ein wenig rot. „Du bist doch selbst Hausfrau gewesen, Hortense —" es klang fast, als wollte er sich entschuldigen. „Aber in einem anderen Stil, mein Lieber!" wider, sprach sie hochfahrend, „ich hatte nicht nötig, mich um etwas zu kümmern, da mir ein gutgeschultes Personal zur Ver fügung stand! Der Alltag kam mir nie zu nahe! Ich hasse überhaupt den Alltag! Darum auch lebe ich, so lange ick allein bin, in Pensionen, weil ich keine Lust habe, mi^ vom täglichen Kleinkram aufbrauchen zu lasten." „Sauselchen, vergißt du die Zeit, in der wir leben- Die Umwertung aller Werte? Für viele, und nicht die Schlechtesten, hat sich so vieles geändert! Wie manch« meiner Kameraden zum Beispiel tun jetzt die niedrigsten Arbeiten, um ihr Dasein zu fristen! Den täglichen Klein- kram kann man sich leider nicht mehr fernhalten — und der nimmt einem die meiste Kraft —" Das durfte nicht sein. War sie bei ihm, sollte er nur an sie denken! Schmeichelnd strich sie über sein Gesicht: „Nicht grübeln! Kannst ja doch nichts ändern! Genieße die Stunde — du —" und sie küßte ihn. „Ja, die Stunde, in der ich dich im Arme halte —" leidenschaftlich drückte er sie an sich, „ach, Sauselchen, könn test du immer bei mir sein! Warum willst du nicht?" „Weil ich keine Lust habe, eine brave Hausfrau zu werden, die ihrem Manne die Strümpfe stopft und das Esten kocht!" dachte sie spöttisch — manchmal war Maurus doch recht naiv! Laut sagte sie: „Maurus, nur in deinem Interests! Ich würde dich enttäuschen! Und dann: ich hab« ein gut Teil meines Vermögens verspekuliert! Ich muh es dir doch gestehen! Oh, nun machst du solch böses Gesicht — du kannst doch keine arme Frau heiraten, eine Frau, die sogar schon Schulden hat! Ja, ja, bei meiner Schnei derin!" Hortense lachte lustig — „und wie impertinent diese Person schreibt und mich dringend um Bezahlung ersucht! Sie muß halt warten, bis die Papiere wieder günstiger stehen! Schau nur, welch ungebildete Handschrift und mangelhafte Orthographie der Brief zeigt —" sie suchte ihre Handtasche, — ich meine doch, daß ich die Rech nung bei mir hatte — ja, hier —" sie reichte ihm Las Briefchen, und, an seine Schulter gelehnt, deutete sie lachend auf einige kleine, unbedeutende Fehler. Und in ihrem zärtlichen Getändel mit ihm hatte sie wohl ganz vergessen, daß er ihr die Rechnung nicht wieder zurückgegeben, sondern sie stillschweigend unter seinen Briefbeschwerer gelegt, der aus einem Stück einer Hand- granate bestand. Maurus war innerlich über die Höhe der Rechnung doch erschrocken; sie zu bezahlen, würde seine Einteilung und seine Berechnungen doch empfindlich aus dem Gleich gewicht bringen! Aber er war so verliebt in Hortense, daß er noch mehr für sie getan hätte! Ueberdies war es zum ersten Male, daß er ihr in einer solchen Weise be- hilflich war. Bisher hatte er ihr nur Geschenke gemacht und Aufmerksamkeitei' «rwiesen. lFartietzung folgt.)