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Oas Land der Ahnen. Du trägst, o Land der Ahnen, All unsre Welt in dir, Und freudig deinem Mahnen Zum Kampfe folgen wir; All unsre kleinen Fahnen Vereinigt dein Panier: — Du trägst, o Land der Ahnen, All unsre Welt in dir! Daß nie den Ruhm der Freien Der Fremdling uns versehrt; Daß jeder dein Gedeihen, O Heimat, liebend mehrt, Stehn wir zu dir und weihen Dir Herz und Arm und Schwert; Daß nie den Ruhm der Freien Ein Fremdling uns versehrt! Aus der franz.-schweiz. Lyrik d. Monnier (Geibel und Leuthold.) Giurz. Skizze von Kurt Zentkiewicz. (Nachdruck verboten.) Unaufhörlich summt der Propeller sein Lied. Metallisch hell tönen die Takte der Kolben und Räder — gleichblei bend, endlos, langweilig und doch melodisch. An den blitzenden Aluminiumtragflächen bricht sich die Sonne. Man ist so frei hier oben, so göttlich frei. Sorgen, Hummer — all das, was den Alltag so grau und so all täglich macht — lief; man unten. In der Luft ist man wirk lich Mensch, Herrenmensch. 800 900 Meter deutet der springende Zeiger an der kleinen, weißen mit Ziffern besetzten Scheibe. Sind wir wirklich so hoch? Unten liegt ein Dorf. Klein und fein und zierlich. Wie von Kinderhand gefügt. Grad und kor rekt ziehen sich die Feldmarken hin, gewunden die baum besäumten Chausseen. Und alles ist so nett auf einen Punkt zusammengerückt, oaß man es übersehen kann — ohne Elas, ohne jedes Hilfs mittel. Denn die Luft ist klar. Wie Glas so hell, jo durch sichtig. Dort drüben liegt in das Grau der unbestellten Felder eingebettet ein großer Klecks Quecksilber. Ein See. Und ein Boot darauf, das aussieht wie eine kleine, ganz kleine Eintagsfliege, wenn die Ruder bewegt werden. Eintagsfliege. Ja, Eintagsfliege! So ein kleines Tier chen, das am Morgen erwacht, am Tag des Lebens Süße und Leid durchkostet, um am Abend wieder in die große Welt des Nichts zurückzusinken — unbeklagt und unbeweint. Eintagsfliege. Sind wir denn mehr? Wir, die wir auf stählernem Luftroß den Aether durchschneiden, mit Maschinen die Welt zu bezwingen versuchen und die Elemente? Vielleicht sinken auch wir zurück nach ein paar glücklichen Stunden, Tagen oder Jahren. Eintagsfliegen. Stählern singt der Propeller sein Lied. Der Pilot hält das Ruder in festen Händen. Seine Nerven sind gespannt. Er achtet auf alles, er denkt an alles — er steuert das Schiff durch die Wogen der Luft. Es ist alles so klar, so gläsern, so unwahrscheinlich schön. Kein Staub, kein Alltag — keine Menschen. Ach könnten wir immer jo durch den Weltenraum schweben, jo unbe schwert. Jetzt liegt der See links unten vor uns. Und im mer noch sieht das kleine Boot aus wie eine Eintagsfliege. Was ist das nur? Warum kommen die Gedanken immer wieder auf das kleine Tier zurück, das Sinnbild wurde für alles Vergängliche? Grau dehnen sich die Felder, grau und öde. Es ist ja erst März. Aber im nächsten Monat wird alles grün sein, und frisch, und voll Leben. Ja, Leben! Leben, das ist doch schön, so schön, daß es jetzt — aber wirklich jetzt und in diesem Augenblick — zu Ende sein müßte. Hier in der Luft, hier oben, wo man so frei ist, müßte man enden. Eintagsfliege. Sie stirbt, nach dem sie einen Tag lang gelebt. Einen Tag lang, nur einen Tag. — Tak, tak. Stille, tiefe, eisige — tote Stille. Ein kalter Strahl fährt zum Herzen. Schwer schlagen die Pulse. Was ist?! Die Welt ist so rot, so blutig. Es saust in den Ohren. Kalter Schweiß perlt über die Stirn. Gelähmt sind die Glied«». Sturz! Wir sausen in die Tiefe! Zurück zur Erde, zurück zu den öden, grauen Feldern, zu dem Quecksilberklecks — zur Eintagsfliege. Tod? Fort mit dem Gürtel, der an den Sitz fesselt! Warum sind wir noch nicht unten? Wie lange dauert er noch, bis wir zerschellt am Boden liegen? Wo ist Rettung wo Hilfe? Wir wirbeln, wirbeln, drehen uns in tollem Tanz. De/ Wind spielt uns aus, singt uns das Totenlied. Der Wind, den silberne Drähte schneiden. Und der Druck im Kopf ist so unerträglich, und das Rot vor den Augen wird dunkler und dunkler. Fast ist es schwarz, schwarz wie die Nacht. Schwarz wie die Nacht, wie jene furchtbare Nacht, als der Sturm über der Ostsee tobte, als die Sirene heulte und die Wogenberge über das höchste Deck des großen Damp fers gingen. — — Was Nacht, was Orkan? Wir stürzen! , Und es gibt keine Rettung, es gibt keine Befreiung aus^ dem engen, rotledernen Sitz! 900 Meter waren wir hoch. 900 Meter sausen wir also durch den Raum — um zu zerschellen. Man wird uns fin den, mit zerschmetterten Gliedern wird man uns unter den Trümmern der Maschine hervorziehen — wenn wir nicht verbrennen. Nur nicht verbrennen! Nur nicht in Flammen sterbens — Der Wind singt in den Stahldrähten. Er singt so schau rig, so schrill Totenmusik. Wie lange noch diese Qual? Wie lange noch dieser hemmungslose Taumel durch die Luft. Wie lange noch ? Man hat keine Angst mehr von dem Tod. Warum eigentlich nicht? Nur dieser unerträgliche Blutdruck, dieses Sausen und Brausen im Gehirn, das Schlagen der Pulse, als wollten sie springen. Ein Schlag, ganz dumpf, fast sacht. Dann noch einer. — Es ist so still. Wir sind am Ziel, sind am Boden, wie der auf der Mutter Erde, von der wir schieden, um uns hinaufzujchwingen in den Aether. Wie war das eigentlich alles zugegangen, wie hatten sich nur die Sekunden des Sturzes gedehnt ? Drau ßen singt ein Vogel. Es klingt weit lieblicher als das Pfei fen des Windes im Gestänge. Die Wände sind so hell und so weiß wie der Vorhang, der sich leicht bauscht und von der Sonne beschienen ist. Es riecht so eigentümlich im Raum. Krankenhaus. — Wir hatten Glück! Kechtlos. Von Zoh. von Kunowski. Durch den mahlenden Sand zog Lise, der alte Schimmöl, den kleinen Wohnwagen des Zigeuners. Unbarmherzig strahlte die Sonne auf das Gefährt hinab, das nur lang sam voran kam. Nero, der Neufundländer, trabte mit weit heraushän gender Zunge trübselig im Schatten des Wagens nebenher. Es war kurz nach der Mittagsstunde, und das Dorf, da st» ihre Mittagsrast gehalten, verschwand nur langsam Hinte, ihnen. Petermann war ein alter Zigeuner, das Kesselflicker brachte ihm das nötige Geld, während Pelazia den Frauen der Bauern aus der Hand weissagte. Sie waren soweit ehrlich, wenn das ein Zigeuner überhaupt jein kann, und kümmerlich genug war ihr Dasein. Fast widerwillig schnalzte der alte Petermann da vorn mit der Zunge, den Schimmel anzutreiben, der fast am Ein schlafen war. Was tat es ihnen, ob sie früher oder späte, zum nächsten Dorf kamen? Sie erwartete niemand und versäumen taten sie auch nichts. Da wurde der Zigeuner jäh aus seinem Brüten auf geschreckt. Nero, der Hund, bellte plötzlich laut und wütend hinein in die Stille des sengenden Mittags. Petermann zog die Zügel an. Schon stand der Schim mel und senkte müde den alten Kops mit den halbgeschlosse- nen Augen. „Was gibt's?" fragte aus dem Wagen die Stimme der Frau. „Weiß ich's," sagte Petermann, der inzwischen mit stei fen Beinen vom Bock geklettert war und Umschau hielt. ,,Da kommen aus dem Dorf uns Leute nach, sie rufen und winken, was wird das wohl jein? Du hast doch nicht. Pe» larta?"