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Nr 155 Pulsnitzer Wochenblatt. — Sonnabend, den 31 Dezember 1910. Seite 2 Mamtmlyulig. Mit dem 1. Januar 1911 tritt das von der König!. KrelShauptmannschaft Bautzen als Konsistorialbehörde genehmigte Ortsgeseh über die Gebühren für kirchliche Handlungen in der Kirchgemeinde Pulsnitz in Kraft. Die Gebührenordnung liegt bis auf weiteres beim Kirchrechnungsführer zur Einsichtnahme aus. Nach erfolgter Druck legung wird sie jedem Haushaltungsvorstande zugestcllt werden. Pulsnitz, am 30. Dezember 1910 vsr Mrckenvorstand. Das Wichtigste. Als Nachfnlger des am 1. April 1911 in den Ruhe stand tretenden Präsidenten der BrandversicherungS- kammer Geheimen Rat Dr. Bonitz ist der Geheime Regierungsrat Beeger bei der Kreishauptmannschaft Bautzen in Aussicht genommen. Im Falle einer Vereinigung der Berliner Vororte Nixdorf und Treptow soll die neue große Stadt den Namen Neu-Köln erhalten. 47 Geistliche der bayrischen Diözesen verweigerten bis her den Modernisteneid, darunter auch der Univer- sitätsprofcssor und Hofpriester Dr. Birkner. Die Militärbehörden von Dover verhafteten einen an geblich deutschen Spion. In Reuß ä. Linie ist eine Konsistorialverordnung er lassen worden, nach der den Geistlichen jede Amts handlung bei Feuerbestattungen verboten ist. Bis jetzt liegt keine Bestätigung der über Madrid und Paris kommenden Alarmnachrichten von einer ge spannten Lage in Portugal vor. (S Ausl.) In Honduras ist eine Revolution ausgebrochen. OerMÄses und SüÄrsiscdss. Pulsnitz. Prosit Neujahr! Froher und aus wärmeren Herzen kommend schallt wohl nie ein Ruf, ein Glückwunsch im ganzen Jahre! Eine neue Spanne Zeit tut sich vor unseren Augen aus und zaubert frohe Lichter in unsere Blicke Mit den besten Vorsätzen haben wir die Schwelle des neuen Jahres überschritten und mit starkem Willen gedenken wir die Zunkunst zu zwingen. Den Mut zu neuem Wagen fühlen wir in uns. Alle Zagheit ist von uns gewichen Unsere Arme sind stark. Warum sollte sich da das Leben uns in dem neubegon nenen Zeitabschnitt auch nicht günstig zeigen? — Wer daS neue Jahr beginnt, der sollte eigentlich zuvor mit dem alten abrechnen. Eine kleine Schuld wird wohl so mancher auf seinem Konto haben. Und je leichter uns zu Mute ist, desto besser für uns und für unsere Mit menschen. Denn desto frohgemuter packen wir dann die Zukunft an und formen sie nach unserem Wunsche und nach unserem Willen. Wir prägen gewissermaßen unsere eigene Makellosigkeit dem neuen Jahre auf und weihen es mit Reinheit und Lauterkeit. Und werden dies auch nicht alle in der gleichen Weise vermögen, so ist es doch schon immer gut, wenn jeder einzelne bestrebt ist, sein Bestes zu tun. Und ganz wie im Leben des Einzelmen- schen, so ist es auch im Leben der Völker. Auch hier heißt eS: erst wägen, dann wagen! Denn nur die Na tion kann froh in die sonnige Zukunft des neuen Jahres schauen, die im alten Jahre nach bestem Wissen und Ge wissen für die Erhaltung des Friedens und oeS kultu rellen Fortschrittes in die Schanzen getreten ist. Denn durch derartiges Verhalten dient ein Volk nicht nur sei- nen persönlichen Interessen, sondern denen der gesamten Menschheit. Und das ist sicherlich eine Großstadt aller ersten Ranges, auf die eine jede Nation, wie insbeson dere unsere deute, ohne Eitelkeit und Ueberhebung stolz fern kann. Ein neues Jahr nimmt seinen Anfang. Viel versprechen wir uns von ihm, aber nichts unmögliches. Wir selbst wollen an unserem Glücke und Wohlergehen zimmern, was in unseren Kräften steht. Denn auch wir wissen: nur dem Mutigen gehört die Welt! Deshalb mit frohen und frischen Sinnen hinein in das neue Jahr! Und jedem, der so denkt, wie wir, rufen wir aus tiefstem Herzen den alten Glückwunsch zu: Prosit Neujahr! Pulsnitz. Ein Almanach für das Jahr 1911 mit Verzeichnis der Kram- und Vtehmärkte unserer Stadt, sowie Kamenz, Königsbrück, Bischofswerda, Dresden und Angabe der Portotaxen liegt für unsere geehrten Abon- nenten der heutigen Nummer bei. Wir bitten dem Al manach wieder die geneigte Beachtung wie im verstosse- nen Jahre schenken zu wollen. — Zum ersten male ist der von uns herausgegebene, gesetzlich geschützte Puls- nttzer Geschäftskalender für 1911 mit Rtesen- block und Geschäfts-Empfehlungen in den Restaurants hiesiger Stadt wie der näheren Umgegend zum Aushang gekommen. Auch diese Neuerung wolle man gefälligst beachten und die Inserenten bei Bedarf berücksichtigen. — Die - Königliche AmtShaupimannschaft Kamenz gibt bekannt, daß der Gemeinderat in Vollung die Ein ziehung des von der Palsnitz-GroßröhrSdorfer Straße (dem sogenannten Vierenwerge) abzweigenden schräg über die Flurstücke 11 und 13c des Flurbuchs für Vollung führenden und auf die sogenannte Straße L auftreffen den Fußwegs bedingungsweise beschlossen hat. Ein. sprüche gegen diese Einziehung sind zur Vermeidung des Verlustes des Widerspruchrechtes innerhalb drer Wochen hier einzureichen. Demitz-Thumitz. (Absturz einer Steinwand.) Im Steinbruch der Firma Sparmann L Co. löste sich plötzlich eine etwa 50 Zentner schwere Steinwand los. Beim Absturz di ser Stetnmafse haben zwei Steinarbeiter Beinbrüche erlitten. Dem Arbeiter Rodig aus Schmölln, der verheiratet ist, wurde der Unterschenkel des linken Beines förmlich zermalmt, und der aus gleichem Orte stammende Johann Birke trug einen Bruch des Ober- schenkelS des linken Beines davon. 8. Dresden, 30. Dezember. (Angesehene Wil derer.) Auf Naundorfer Revier sowie im alten Moritz- burgerTie: parke stand in letzter Zeit das Wildern in hoher Blüte. Jetzt ist es gelungen, die „Herren Wilddiebe" ab- zufassen und zur Anzeige zu bringen. Auf Naundorfer Revier wurden wiederholt Tellereisen aufgestellt gefunden. Als Täter ist ein dortiger wohlhabender PrivatuS ermittelt. Ebenso sind die Wilderer, die im Moritzburger Tierparke wiederholt Rehe erlegt hatten, festgestellt worden und zwar in der Person eines bekannten Dresdener Kaufmanns und eines Moritzburger Torwächters, der schon seit langen Jahren im Königlichen Dienste steht. — (Die Angelegenheit des Prinzen Max von Sachsen.) Die „Köln. Volkszeitung" meldet aus Rom: Prinz Max von Sachsen wurde kurz vor seiner Abreise nach Freiburg in der Schweiz nochmals, vom Dominikanergeral Pater Cormier begleitet, vom Papst Pius X. in einer dritten Audienz empfangen. Leipzig, 30. Dezember. (Anatomische Präpa rate in Flammen.) Im Gebäude der Anatomie brach heute morgen infolge von Unvorsichtigkeit einer Warte frau, die einer brennenden Gasflamme Benzol zu nahe brachte, ein Feuer aus. DaS Arbeitszimmer des Pro fessors vr. Spalteholz brannte vollständig aus. Dabei wurden wertvolle Präparaie vernichtet, die für die Hy gieneausstellung in Dresden bestimmt waren. Deutsches Reich. Breslau, 30. Dezember. (Der Moderniste neid in der Diözese Breslau.) Der Modernisteneid wird auf Anordnung des Kardinals Kopp in Breslau in dieser Woche bis zum 31. d. M. ge leistet. Derjenige katholische Geistliche, der sich weigert, den Eid zu leisten, wird ohne weiteres in Rom angezeigi und vom Amte suspendiert bezw. tritt AmlSenlsetzung ein. — Die Neuwahlen zum Reichstage dürften voraussichtlich erst Ende Oktober oder Anfang November 1911 stattfinden. Daß dieser Termin in Aussicht genom men worden ist, kann nach der Berliner Korrespondenz als sicher gelten, da die Armeekorps beauftragt worden sind, bei Aufstellung des Uebungsplan S für 1911 in der Zeit vom 15. Oktober bis 15. November tunlichst keine Reservisten und Landwehrmänner zur Hebung cinzuziehen. Auch die Bezirkskommandos sind bereits darauf hinge wiesen worden, daß die Neuwahlen wahrscheinlich in die Zeit der Kontrollversammlungen, also in den November fallen werden, und die Tage der Reichstagswahl mit Kontrollversammlungen nicht besetzt werden dürfen, da bekanntlich an diesem Tage die Kontrollpflichtigen unter Milttärgesetz stehen und sich jeder Kundgebung sozialistischer Art zu enthalten haben. — (Sozialdemokratieund Krankenkasse.) In Verbindung mit den in letzter Zeit in der Presse und im Reichstag lebhaft geführten Erörterungen über die sozialdemokratische Vorherrschaft in den Ortskrankenkassen wird der „Kreuzztg." von einem ihrem Leser geschrieben: „Kürzlich starb der Vorsitzende der Buchbinderkranken kaffe, nämlich ein Arbeitnehmer, denn so weit geht die Parität nicht, um einen Arbeitgeber zu diesem Amt zuzulaffen. Ohne die im Vorstande sitzenden Arbeitgeber zu befragen, beschaffte der andere Teil des Vorstandes aus Kaffenmitteln einen Kranz mit großer roter Schleife, der bei der Beerdigung als Widmung des Vorstandes voraufgetragen wurde. Die Arbeitgeber-Vorstands mitglieder waren empört, doch half es nichts mehr. Ein Mitglied, daß die Innung vertrat, hatte sich auf seine Anfrage noch einer höhnischen Bemerkung des Kranzträgers auszusetzen. Die Arbeitgeber mußten also für eine sozialdemokratische Demonstration — anders kann man die rote Schleife nicht auffasfen — ihr Geld mit hergeben. Der als Aufsichtsbehörde angerufene Magistrat konnte keine Remedur eintreten lassen, weil derartige Fälle außerhalb seiner amtlichen Funktionen liegen. ES ist nun dem Oberpräsidenten Mitteilung von dem Vorgänge gemacht worden." Wird die sozialdemokratische Presse auch hier bestreiten, daß eine Wohlfahrtseinrichtung, die neutral sein sollte, zu sozialdemokratischen Parteizwecken mißbraucht wor- den ist? Belgien. (Die Sozialisten und der König.) Die belgische Kammer hatte am Freitag ihre letzte Sitzung vor den Ferien. Die Sozialisten haben in ihr bei der Beratung über die Zivilliste des Königs Albert wieder ein mal eine kleine Szene veranlaßt, die sehr bezeichnend für ein Land ist, in dem die Sozialisten bereits eine so starke Stellung wie in Belgien innehaben, und das Königtum sich ganz passiv verhält. Die Sozialisten ließen durch den Jüngsten ihrer Fraktion erklären, daß sie gegen die Zivilliste stimmen müßten, um ihre republikanische Ge sinnung zu bekunden. König Albert sei aber ein braver Mann, den sie achten würden, wie sie auch die Priester achten, die in ihrer Rolle bleiben und sich nichr um die Politik kümmern. König Albert habe mehr Würde und Charakter wie das Ministerium, das am Ruder bleibe, obwohl eS wisse, daß es nicht die Mehrheit des Volkes hinter sich habe. Die Sozialdemokraten seien fest davon überzeugt, daß der König sich nicht an den Thron klam mern werde, wenn einst der Tag kommen werde, an dem er ihn verlassen müsse (!!!) Sie seien fest davon über zeugt, daß König Albert dann nach der Kammer kommen werde, um dort den Vertretern des Volkes seine Krone zur Verfügung zu stellen. Die Kammer ist nunmehr bi zum 24 Januar in die Ferien gegangen. Am selbigen vorigen Freitag, an dem die Sozialisten dem König in obiger Form seine dereinstige Exmittierung ankündigten, wurde in Brüssel der Jahrestag der Thronbesteigung durch militärische und Schulfeiern begangen. Portugal. (Der Exkönig und seine Ge treuen.) Die über Paris in London eingetroffenen Nachrichten aus Lissabon von einer portugiesischen Gegen revolution zugunsten der Wiederherstellung der Monarchie werden dort sehr ernst genommen. Vor einigen Tagen wurde gemeldet, daß zwischen König Manuel und in Lon don weilenden portugiesischen Royalisten geheime Ver handlungen stattgefunden hätten, die sich über fünf Tage er streckten und des entthronten Königs ganze Zeit in Anspruch nahmen. Natürlich bringt man jetzt di se Verhandlungen mit dem Ausbruch neuer Unruhen in Lissabon in Ver- bindung. Fast sämtliche Mitglieder des ehemaligen diplo matischen KorpS von Portugal gehören zu den Anhängern des Königs, und eS ist bekannt, daß sie in eifrigem Brief wechsel mit den Royalisten in Lissabon standen. Die Regierung soll dieser Gegenrevolution nicht gewachsen sein. England. Dover, . 30. Dezember. (Ein neuer deutscher Spion in England?) Die Militär behörde verhaftete heute eine Persönlichkeit, die deutscher Abkunft sein soll und welche dabei betroffen wurde, wie sie sich in der Nähe einer der Hauplbefestigungen bei Dover Aufzeichnungen machte. Amerika. Newyork, 30. Dezember. (Deutschland- fahrt der amerikanisch-deutschen Krieger verbände) Aus Anlaß des 25-jährigen Regierungs jubiläums des Kaisers im Jahre 1913 und zur Enthüllung des Denkmals zur Erinnerung an die Schlacht von Leip zig wird der Verband der deutschen Kriegervereine in Nordamerika wiederum eine Deutschlandfahrt veranstalten. Neueste direkte Meldungen von Hirsch's Telegraphen-Bureau Tetschen, 31. Dezember. (FolgenschwereExplo- sion.) In HilgerSdorf bei Neustadt in Sachsen explo dierte die Acetylenbeleuchtungsanloge. Ein Arbeiter wurde in Stücken zerrissen, das Haus schwer beschädigt. Linz, 31. Dezembe. (Bluttat einer Wahn sinnigen.) Die Gattin des Bahnbediensteten Ranftel durchschnitt in einem Anfall von Wahnsinn ihrem 6 Wochen alten Kinde mit einem Rasiermesser den Hals und brachte ihrem vierjährigen Töchterchen lebensgefährliche Ver- letzungen bei, woraus fie sich selbst die Kehle durchschnitt. Warschau, 31. Dezember. (TerroristischerUeber- fall.) In der Franziskanerstraße drangen mehrere Ter roristen in eine jüdische Bäckerei ein und griffen die Fa milie an. Der Bäcker wurde schwer verwundet, seine Tochter tödlich vorletzt und feine Fraw erschossen. Zahl reiche der Tat verdächtige Personen wurden bereits verhaftet. Paris, 31. Dezember. (Portugiesisches De- menti.) Auf eine Anfrage über die Gerüchte, die über Unruhen in 'Portugal verbreitet worden sind, telegra- phierie der portugiesische Minister des Aeußeren dem „Matin": Sie können aufs kategorischste erklären, daß im ganzen Lande vollständige Ruhe herrscht, und daß bisher kein Versuch gemacht worden ist, diese zu stören. Die Mehrzahl der ausgebrochenen Streiks ist ohne jede Erregung beigelegt worden, einzig und allein durch das Schiedsgericht der Republik, das sich aus Unternehmern und Arbeitern zusammensetzt. Seit dem ist ein neuer Streik nicht ausgebrochen. Andererseits ist die Landar mer sowohl wie die Marine vollständig in Takt. Die Zurückziehung der Kriegsschiffe von Lissabon ist erfolgt aus Gründen des Dienstes, andererseits wurden sie nach Madeira beordert, um den dortigen Bewohnern Schutz gegen die Cholera zu gewähren. Kein Anzeichen von Un zufriedenheit hat sich unter der Besatzung gezeigt. Die Gerüchte, nach welcher die Regierung die Schiffe auS Furcht vor einer Meuterei unter der Besatzung zurückge zogen hat, sind vollständig erfunden. Was die Nachrichten von einem monarchistischen Komplott anbelangt, das hier entdeckt worden sein soll und wonach die Urheber des Kom plotts bereits verhaftet sind, so sind diese ebenfalls erfunden. Eine einzige Verhaftung ist vorgenommen worden, näm lich die des Erfinders solcher Erzählungen. Sie können bestätigen, daß seit drei Monaten in der Republik die größte Ruhe herrscht. Einige Unruhestifter verbergen sich an einigen Punkten Portuga'S und versuchen van dort aus tendenziöse und vollständig erlogene Nachrichten nach dem Auslände zu verbreiten. London, 31. Dezember. (Die Besitzungen der Familie Braganza.) Der Lissaboner „Times Kor respondent erfährt von dem portugiesischen Finanzmini ster, daß in Erwartung der Stückzahlung der vom Staate der königlichen Familie gewährten Vorschüsse der Finanz minister beschlossen hat, dem König Manuel die Nutznie- sung aus den Besitzungen der Familie Braganz zu ge statten. Montbelliere, 31. Dezember. (Wirbelsturm.) Ge stern abend wurde ein Trambahnwagen von einem Wir belsturm erfaßt und umgeworsen. Mehrere Insassen er litten Verletzungen.