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plötzliche Erkrankung Gustavs für die Ursache der unlieb samen Störung — den wahren Sachverhalt ahnte sie nicht. Obgleich Delmenhorst jeden festlichen Empfang durch seine Untergebenen abgelehnt hatte, so war das Tor doch mit « Fahnen und Girlanden geschmückt. Das Gärtnerpersonal stand vollzählig am Eingang des Parkes, und nachdem ein alter, im Dienste seines Herrn ergrauter Forstmart die junge Herrin begrübt und ihr Glück und Segen gewünscht, brachen die übrigen in ein lautes Hurra aus. Marga dankte den braven Männern, denen sie erklärte, der Frei herr sei unvermutet am Bahnhof zurückgehalten worden, werde aber bald Nachfolgen. Die Dienerschaft im Schloß zeigte sich weniger ersreut über das Erscheinen der neuen Gebieterin, die Leute hatten ohne eine solche viel Freiheit genossen und wubten. dab ' das bequeme Leben nun zu Ende war. Obwohl die herzliche Begrüßung von feiten ihrer an wesenden Tante momentan alle unangenehmen Eindrücke, die diese ungemütliche Heimkehr in Marga hervorgerusen hatte, verwischte, so wurde die erste Begegnung mit ihrer Stieftochter doch zu einer harten Prüfung für sie. Margas Umarmung kaum erwidernd, fragte Wally kurz: .Ist Papa nicht mitgekommen? Und wo sind Gustav und Onkel Rudolf?" -Sie kommen bald nach", erklärte ihr Marga. „Ich j glaube, Gustav fühlte sich nicht ganz wohl, und so blieben ! sie zurück." „Und du — du gingst allein fort?" klang es miß trauisch von Wallys Lippen. „Dein Vater wünschte es." (Fortsetzung folgt.) Ver kluge Eine Pferdegrschichte von Hugo Just. (Nachdruck verboten.) Bier Zirkusclowns saßen in einem Cafö und unter hielten sich, um keine Ausnahme von der Regel zu Machen, über die geringen Gagen, die ihnen der Direkte zahlte. „Bei so geringer Besoldung", murrte einer „hm mau nicht Lust, etwas Besonderes zu leisten, und da ist es auch natürlich, daß der Besuch des Publikums zu wünschen übrig läßt." „Natürlich!" rief ern anderer, ^aus Spariamkeit gibt man ja nicht einmal den Pferden hinreichend Futter, und da schimpft der Direktor auf das Personal, wenn einmal so ein Tier in der Manege versagt." „Jetzt will aber der Direktor eine ganz besondere Zugkraft vorführen", nahm nun der dumme August das Wort. „Habt ihr schon von dem klugen Hans gehört?" „Bon dem Berliner Pferd? Darüber berichten ja die Zeitungen alle Tage." „Nein, das meine ich nicht, sondern das Pferd, das bisher Sultan hieß." „Auf das der Direktor so große Stücke hält?" „Dasselbe. Er hat es jetzt Hans umgetauft und ist eifrig bemüht, ihm alles beizubringen, was das Berliner Pferd leistet." „Hahaha!" lachte einer der Clowns, „da wird er sich schwer täuschen. Dressieren läßt sich der Sultan, aber von ungewöhnlichem Verstand habe ich bei ihm noch nichts bemerkt." „Meine Herren!" nahm mit ernstem Gesicht ein anderer das Wort, „urteilen Sie nicht so schnell. Die Tiere sind heutzutage mit der Zeit mitgeschritten, und ihr Verstand grenzt oft an das Wunderbare. Sie kennen ja meinen Hund Gaston. Neulich bekam er die Hundesteuer quittung zu sehen. Sofort lief er nach dem steueramt. setzte sich vor die Tür und bellte laut — er wollte re klamieren." „Die klügsten Tiere sind ledemalls die Elefanten", nahm der »weite Clown das Wort. „Als ich noch in Indien Vorstellungen gab, passierte mir folgende Ge schichte: In einem Walde, der vielfach von Elefantenherden durchzogen wurde, schüttete ich einen Berg von Süßig keiten auf. Die Elefanten kamen, aßen die Süßigkeiten, verdarben sich die Zähne und liefen mit den fürchterlichsten Zahnschmerzen herum. Da gelang es mir, einem sehr alten Elefanten begreiflich zu machen, dab ich ihn von seinen Schmerzen befreien könnte. Ich zog ihm also seine Elfenbeinzähne aus, und froh, von seinen Schmerzen be freit zu sein, brachte er mir auch alle anderen Elefanten, die sich von mir die Zähne ausziehen ließen. Ich hätte damals reich werden können, aber bei meinen Versuchen, den Zirkus bei den wilden asiatischen Völkerstämmen populär zu machen, verlor ich alles." „Was will das sagen" rief der dritte, „ich, meine Herren, ich besaß einen dressierten Goldfisch." Selbst die in solchen Sachen abgehärteten Clowns stießen Rufe des Staunens aus. „Was haben Sie ihm denn beigebracht?" „Nichts, gar nichts! Aber, bitte, meine Herren, ur teilen Sie nicht zu früh. Ich beabsichtigte nämlich nichts Geringeres, als meinem Goldfisch das Sprechen beizu bringen, aber ich kam keinen Schritt weiter mit ihm. Je doch bemerkte ich an feinem verschmitzten Gesicht, daß er mich sehr wohl verstehe. Da er aber niemals Miene machte, mir nachzusprechen, was ich ihm oorsprach, so wollte ich ihn in meinem Arger aus dem Fenster werfen. Schließlich aber gewann eine humanere Regung Ober hand, und ich ging hinunter an den Fluß und schüttete ihn aus dem Goldfischglas ins Wasser. Da erhob er noch einmal den Kopf über dem Wasserspiegel, rief deut lich „Danke!" und verschwand in den Fluten." Die Clowns lachten, mit Ausnahme des August, der grämlich vor sich hinsah. „Nun, August", fragte einer, „dir ist wahrscheinlich nicht ganz wohl?" „Nein, nicht besonders", lautete die Antwort, „und mir wird auch nicht eher wohl werden, als bis wir diesem Direktor " Plötzlich unterbrach er sich, sprang auf und rief: „Halt, ich hab's! Wenn ihr mit dabei seid, wollen wir unserm Direktor einen Streich spielen, aus dem er sich vielleicht eine Lehre nimmt. Wir müssen dann aller dings auch der: «Stallknecht, der den früheren Sultan und jetzigen Hans zu bedienen hat, ins Vertrauen ziehen." Eifrig steckten die Clowns die Köpfe zusammen. Zum Zirkus des Direktor Toüun gehörte ein kleines Bureau, das ein Pult für den Direktor und einen Tisch § mit einer Schreibmaschine für den Geschäftsführer enthielt. ! Zu der Zeit, in der diese Geschichte spielt, war der Geschäfts führer nach dem nächsten Bestimmungsort des Zirkus vor- ausgefahren. Als Direktor Tollim an diesem Lage (ern Bureau be- lrat, wäre er beinahe auf den Rücken gefallen, denn auf dem Stuhl vor der Schreibmaschine saß niemand anders i als sein Pferd, der kluge Hans. Er hatte dem Hengst das ausdauernde Sitzen anläßlich einer Pantomime beigebracht, und Hans rührte sich auch nie eher von seinem Sitz, als bis er das ihm bekannte Zeichen zum Aufstehen erhielt. Doch hier im Bureau war das Sitzen natürlich ganz un angebracht. Daher konnte man eS dem Direktor auch nicht verdenken, daß er sofort zu schimpfen begann, den Gaul nach dem Stalle führte und eine große Untersuchung über den Urheber des Streichs anstellte, die aber refilltat los verlief. Er sollte noch mehr Grund zum Staunen haben. Als er in sein Bureau zurückkehrte, bemerkte er, daß in der - Schreibmaschine, vor welcher der Hengst gesessen hatte, - ein Brief stak, welcher folgendermaßen lautete: „Alter Tollini! GW nur Deine Versuche auf, mir Rechnen, Mathematik, Geschichte und Geographie beizubringen. Wenn man nur einmal täglich Hafer kriegt, und noch dazu so wenig, so kann man dafür nichts Besonderes leisten. Wer gut schmiert, der gut fährt. Das kannst Du Dir auch sonst zu Herzen nehmen. Vor allem zahle Deinen Clowns eine anständige Gage. Du hast augenblicklich ganz vorzügliche Clownkräfte, und Du sollst einmal sehen, was sie leisten können, wenn sie anständig honoriert werden. Der kluge Hans." Ob der Brief für die Clowns die gehofften Folgen gehabt hat, ist mir nicht bekannt. Nur soviel steht fest, daß die Zeitungen augenblicklich die Nachricht verbreiten, der kluge Hans lerne das Schreiben auf der Schrerm Maschine. Sie hätten ruhig hinzufügen können, daß «r es bereits verstehe.