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w. 93. Unterhaltungs-Beilage ms. zum Hohenstem-Ernstthaler Tageblatt AiiTtsblatt. . Grs«chsirrt rvöckentlich zrveirrrcrt Druck und Verla« von I. Ruhr Rachsvlger Or Alban Krisch, Hohenstein-Ernstthal. Vas Glück von Delmenhorst Roman von Marie Walter. (S. Fortsetzung.) Delmenhorst verabschiedete sich bald, nachdem er noch Gelegenheit gefunden hatte, Margas Tante von seiner Verlobung mit ihrer Nichte in Kenntnis zu setzen. Die alte Dame war so überrascht, daß ihr die Worte fehlten, ihrer Freude darüber Ausdruck zu geben; erst als sie mit Marga allein war, wünschte sie ihr mit überschwänglicher Herzlichkeit Glück zu dem Ereignis. „Wer hätte das für möglich gehalten!" sagte sie kopf schüttelnd. „Ein Freiherr von Delmenhorst, der um nieine kleine Marga wirbt! Du wirst jetzt wie eine Königin in seinem Schloß regieren und eine der vornehmsten Damen im Lande sein. Wie stolz wäre dein Vater gewesen, hätte er das erleben können!" Mit großer Spannung sah Marga dem Eindruck ent gegen, den die Nachricht ihrer Verlobung auf Delmen horsts Kinder machen werde. Das Resultat war ein höchst überraschendes. Gustav schien sich zu freuen, denn er schrieb einen sehr herzlichen Brief an Marga, Wally hin gegen, die bisher eine so große Zuneigung für ihre Er zieherin an den Tag gelegt batte, zeigte sich im höchsten Grade unzufrieden, dieselbe künftighin als Stiefmutter be trachten zu müssen. Sie zählte jetzt sechzehn Jahre, war also nur um fünf Jahre jünger als Marga und hatte bereits davon geträumt, nun bald die Herrin im Hause zu sein und als einzige Tochter des Freiherrn von Delmen horst in der Gesellschaft sine Rolle spielen zu können. Dieser Traum war durch das Dazwischentreten einer Stiefmutter zerstört worden, und der Gedanke, sich mit dem zweiten Platz begnügen zu müssen, verstimmte Wally dermaßen, daß sie fick fast feindselig gegen Marga ver hielt. Diese hatte, dem Drängen ihres Verlobten nach gebend, schließlich in eine baldige Heirat eingewilligt. Die Trauung fand in aller Stille statt, und Delmenhorst ent führte alsdann sein junges Weib nach der Schweiz und nach Italien, während Gustav unter Obhut seines Onkels, Wally bei Verwandten ihres Vaters blieb. Die nächsten Wochen waren für Marga eine Zeit un getrübtesten Glückes. Obgleich auch sie, wie seine Kinder, stets eine gewisse Scheu vor Delmenhorsts ernstem, oft geradezu unnahbarem Wesen empfunden hatte, obgleich sie wahrnahm, daß er einen eisernen Willen besaß, 10 konnte sie sich doch während ihrer Hochzeitsreise in keiner Weise über ihn beklagen. Er schien um zehn Jahre verjüngt zu sein, war heiter, gesprächig, voll zarler Aufmerksamkeiten und unermüdlich, seinem nmgen Weibe alle Natur- und Kunstschönheitcn der Länder zu zeigen, die sie bereisten. „Bist du zufrieden, Marga?" fragte er sie eines Abends, als ne zusammen am L-traude von Nervi saßen und dem Spiele der Meereswogen zuschauten. Ich fürchte manchmal, Unrecht getan zu haben, daß ich dich und deine Jugend an mich fesselte; aber vielleicht irre ich mich, vielleicht fühlst du dich doch nicht unglücklich an meiner Seite." „Gewiß nicht!" oersicherte Marga, mit sonnigem Blick zu ihm aufschauend. „Ich habe mich noch nie so glücklich gefühlt wie jetzt." Marga ein. nicht genau mit der Wahrheit*, falls nicht." „Findest du, daß Herrn Möllers Einfluß auf Gustav ein durchaus günstiger ist?" wagte Marga zum erstenmal das heikle Thema zu berühren. Delmenhorst schien diese Frage zu verstimmen. „Wie kannst du das denken!" sagte er mit leichtem Stirnrunzeln, „Möller ist der ehrlichste, harmloseste Mensch unter der Sonne. Du hast doch nichts gegen seine Anwesenheit in Delmenhorst einzuwenden?" Marga vemeinte, dachte aber im Süllen, daß, selbst wenn sie Einspruch erhoben, sie damit doch nichts «uS- gerichtet hätte. . . „Möller hat wirklich viel für den Jungen getan", ver teidigte Delmenhorst seinen Schwager, „er hat ihn unter richtet wie ein älterer Bruder, kurz, sich ihm völlig ge widmet. Ich setze volles Vertrauen in ihn und hoffe, daß du ihm freundlich entgegenkommen wirst, wenn wir nach Delmenhorst zurückkehren." „Ich werde mir Mühe geben", versprach Marga ernst. Es war ihr, als sei ein Schatten auf ihr sonniges Glück gefallen, allein diese momentane Empfindung schwand rasch, als ihr Gatte seinen Arm um sie legte und mit zärtlicher Stimme, die ihr wie Musik ins Ohr klang, sagte: „Siehst du den Stern dort oben? Siehst du, wie er funkelt? So wie er am Himmel leuchtet, so bist du auch, meine Marga, der Stern, Ler meinen Lebensabend (Nachdruck verboten.) „Und ich hoffe, es wird immer so bleiben", sagte er, sichtlich befriedigt von ihrer Antwort. „Solange völlige Offenheit zwischen uns herrscht, wird kein Schatten auf unsere Ehe fallen. Doch diese Furcht hege ich gar nicht, denn du bist die Offenheit selbst. Es ist die Eigenschaft, die ich am höchsten schätze." „Ich ebenfalls", stimmte Marga leise bei. „Das hat mich auch so sehr zu dir hingezogen", ge stand er, „deine Offenheit und Wahrheitsliebe. Ich wünschte, du könntest beides aus Wally übertragen. Sie ist nickt immer aufrichtig — vielleicht ein ererbter Fehler", fügte er leise seufzend hinzu. „Ich möchte dich darauf ausmerksam machen, Marga, wenn du es nicht schon selbst gemerkt haben solltest. Wally hat von — ihrer Mutter" — die Worte kamen zögernd, fast widerwillig über seine Lippen — „nicht nur das Außere, sondern teilweise auch den Charakter geerbt. Es mag hart klingen, allein, wenn ich dächte, sie könne ihrer Mutter in allem ähnlich werden, so möchte ich sie lieber tot wissen." Er machte eine Pause, dann begann er von neuem: „Lange beurteilte ich alle Frauen nach der einen und hielt mich von ihnen fern, bis ich — dich fand. Vielleicht beurteile ich auch Wally un gerecht; dennoch bitte ich dich, sie zu hüten, darüber zu wachen, daß sie sich nicht eines Tages zu Torheiten oder zu versteckten Handlungen hinreiben läßt. Ich vertraue st« dir völlig an — tue für sie, was du kannst." „Ich halte Wally nicht für unaufrichtig", warf „Sie nimmt es aber ...» — —, entgegnete Delmenhorst, „und Gustav, fürchte ich, eben