Volltext Seite (XML)
NMklMWckl WM TLurtsBlcrtt. Nr. 299. Donnerstag, den 2S. Dezember 1913- Zweites Blatt TVerHrrcrcht Lasset ruhn die fleiß'gen Hände Und das Tagwerk sei getan! Müde sinkt der Abend nieder, Und die heil'ge Nacht bricht an; Sehnsuchtsvolle Ainderaugen Leuchten durch die Dunkelheit, Und die jungen Herzen ahnen Droh die gnadenreiche Seit. Lasset ruhn die regen Geister, Denen Schaffen eine Lust, Die im Streite erst erstarken . . . Heute komm' in jede Brust Das Gedenken früh'rer Tage, Und mit ihrem holden Schein Siehe in durchstürmte Seelen Wiederum die Jugend ein! Lasset ruhen Neid und Grollen, Und vergeßt auf kurze Frist Menschlich kleinliche Gefühle, Und was nicht vom Himmel ist, Denn für alle leuchtet nieder Aus der Höhe hell ein Licht, Das mit seinem heil'gen Strahle Alles Irdische durchbricht. Lasset ruhen Angst und Sorgen Denn für jedes arme Herz Wird der Heiland heut' geboreu, Und er weiß um Leid und Schmerz; Trostvoll blinken Lhristnachtlichter, Trostvoll tönt der Lieder Ulang Von der heil'gen Nacht der Nächte . . . Arme Seele, sei nicht bang' Nur die Liebe laßt nicht ruhen, Denn heut' ist der Liebe Fest, Das mit nie versiegtem Sauber Stillen Weg uns gehen läßt; Laßt uns freundlich Linkehr halten, Wo der Jammer klagt und weint, Laßt uns helfen, daß dem Aermsten Heut' das Lhristuskind erscheint! Anton Vhorn. Lastet ruhen Haß und Fehde, Denn die Stunden sind geweiht, Und entheiligt nicht die Gnade Durch des Alltags Sorn und Streit! Immer noch von Bethlems Zügeln Geht die Botschaft durch die Nacht, Jenes „Friede sei auf Lrden!" Das die Lngel kundgemacht. M WWsl des MWMMes. Das Dezemberdunkel verwandelt sich in Lenzeslicht. Hoch über Erdenhast und Erden last verkünden die Glocken mit ehernem Mund die Geburt des Erlösers, sein Evangelium der Liebe. Darum ist auch kein anderes Fest so. heimisch geworden wie Weihnachten mit seinem süßen Zauber und seiner Himmelsbotschaft. Aus dem Stern über Bethlehem strahlt uns die Liebe mit ihrer verjüngenden Kraft entgegen, die Liebe, die unser innerstes Wesen wunderbar er neut. Lassen wir sie davum leuchten, die Christ baumkerzen, im trauten Heim, und versäumen wir nicht, ihren Schimmer auch aufgehen zu lassen, wo Sorge und Not die Freude zu ver bannen drohen. Weihnachten ist ja das Fest der Gaben und des Wohltuns. Aber das rechte Geben will auch gelernt sein. Wie oft schmerzt das Nehmen mehr als das Darben! Es genügt nicht, daß wir von unserm Ueberfluß ein Scherjlein zur Linderung der Not beisteuern; wir müssen selbst Hand anlegen, dem Nächsten zu helfen. Das Christentum lehrt uns, die Armen nicht als Minderwertige zu betrachten, sondern sie brüderlich zu lieben. Der Weihnacht heiliger Engel will einkehren bei der ganzen Menschheitsfamilie und vor allein bei den Lei denden und Bedrückten, damit auch sie, von gutem Geist beseelt, das herrliche Fest in sich aufnehmen und auch ihnen die Weihnachtsker zen von jener glanzvollen Nacht erzählen, da himmlische Chöre den Erdenpilgern verkünden: Euch ist heute der Heiland geboren! Es bleibt eine unumstößliche Wahrheit, daß Jesu Geburt der Anfangspunkt eines neuen sittlichen und geistigen, eines neuen religiösen Lebens der Menschheit war. Und wenn wir an die Kraft denken, die alles Dunkel erhellen will, an die Kraft, die von Christo ausgegan gen ist und die heute noch wirft, so können wir nicht anders, als mit Freuden den Ge dächtnistag der Gebutt des Erlösers feiern. Wo immer ein Mensch dem Geiste des Welterlösers Raum gibt, wird in tiefster Seele der Lobge sang widerhallen: Ehre sei Gott in der Höhe, Friede aus Erden und den Menschen ein Wohl gefallen! Kaum waren vier Jahrhunderte verflossen, seit Christus in die Welt gekommen, so stan den die Tempel der Götter verlassen im römi schen Reich. Das Kreuzeszeichen, vorher ein Symbol der Verachtung und schmachvoller Hin richtung, wurde, mit Christi Namen verbunden, das Ehrenzeichen der Menschen und das Sym bol des Glaubens, der Liebe und der Hoss nung. Die Menschen begannen die Jahre zu zählen von Jesu Geburt an, um damit aus- zudrücken, daß eine neue Zeit angebrochen sei. Kein Name wird so oft genannt in der Wett wie der seine; keines andern Geburtstag wird Jahr für Jahr gefeiert in allen Erdteilen, kei nes andern Geschichte wird, wie die Geschichte Jesu, in Hunderten Sprachen gelesen. Niemand wird behaupten, das seien nur Aeußerlichkeiten. Das Weihnachtsfest ist so recht das Fest der Hoffnungen und der Wünsche. Im Weihnachts- fest erhebt sich der Glaube an die Kraft des Lebens, die ewig wirksam ist. Und so recht zum Ausdruck bringt diesen Gedanken der immergrüne Tannenbaum, der mit seinen strah lenden Lichtern das blühende Leben versinn licht. Von dem Orte aus, wo ein Weihnachts baum steht, webt sich ein magisches Band ost bis zu den weitesten Fernen hin, und ein jeder, der Weihnachren feiert, fühlt sich, sei es in der volkreichen Stadt, sei es draußen auf dem Lande, sei es fern in der Fremde, wo oft genug der deutsche Tannenbaum durch ein exotisches Ge wächs ersetzt werden muß, als ein Mitglied der großen Weihnachtsgemeinde. Weihnachten ist das Fest, wo wir, die wir alle mehr oder weniger Egoisten sind, uns befleißigen, das liebe Ich auf einige Zeit zu vergessen und liebend der anderen zu gedenken, die uns mehr oder weni ger nahestehen. Schnell geht das Weihnachtsfest vorüber, und bald sind die flammenden Kerzen des Tan nenbaumes herabgebrannt. Aber die Summe der Liebe, die am Weihnachtsfest in den Her zen der Menschen rege wird, verglüht, wenn es die rechte Liebe ist, nicht so schnell wie die Kerzen des Weihnachtsbaumes. Wenn wir das Weihnachtssest recht begehen, dann werden wir dabei lernen, auch über das Fest hinaus unse ren Mitmenschen mehr als bisher Verständnis und Liebe entgegenzubringen und wenn wir uns alle bemühen wollten, das Weihnachtsfest in diesem Sinne zu feiern, dann werden wir, wenn auch langsam, so doch sicher, der Zeit ent gegenreifen, wo die Botschaft „Friede aus Erden und den Menschen ein Wohlgefallen,!" mehr denn heute offene Ohren und offene Herzen findet. Wohlan, so sei uns denn willkommen, Du Fest der Feste sondergleich! Dein hehrer Segen möge frommen Jedwedem, ob er arm, ob reich! O, trage weithin Deine Schwingen! Vom Alpenfirn zum Meeressbrand ' Mögst Du der Weihnacht Segen bringen Heut jedem Haus und jedem Stand!