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„Und — und sie hat ein süßes, kleines Mädchen. Wie froh wird sie sein, dich zu sehen, Egon! Wir haben uns alle nach dir gesehnt. „Alle? Du auch?" Marga antwortete nicht, nur ein leises Zittern durch lief ihren Körper, Delmenhorst gab sie frei, und, weiter gehend, ließ er sich einen ausführlichen Bericht über alles Geschehene geben. „Mein armes Kind!" sagte er. „Meine arme, kleine Wally! Sie hat wirklich schwer gelitten und ihr Unrecht gesühnt. Nun, wir wollen sie jetzt bei uns behalten, sie und ihr Kind, und versuchen, ihr alles Leid vergessen zu machen. Nicht wahr?" „Ich behalte sie nur zu gerne hier", siimmte Marga zu. „Wäre ich nur nicht fortgegangen", murmelte Delmen horst vor sich hin. „Es war ganz unvernünftig von mir gehandelt — purer Egoismus. Doch wenn ich dir sage", wandte er sich zu Marga, „weshalb ich es tat, wirst du mich vielleicht entschuldigen." „Sage es mir!" bat sie leise. (Fortsetzung folgt.) „Stimmt!" Humoreske von Felix Hohberg. (Nachdruck verboten.) Oben, eine Treppe hoch, knarrte schon der Schlüssel ! im blechernen Briefkästchen, während der Herr Gemahl die Haustür wieder verschloß. Sie waren mit dem Nacht zug von einem Ausflug zurückgekommen. Er hatte erst die Schuhe noch sorgfältig gereinigt, denn Frau Wupperich wachte mit Argusaugen darüber, daß man keine Spuren auf der Treppe oder gar im Haus flur zurückließ. Inzwischen war sie nach oben geeilt und hatte die Endstation des staatlichen Postbetriebs einer genauen Inspektion unterzogen. Das kleine Ding war ihre Leiden schaft, und sie vollzog die etwa noch nötige Privat beförderung gewöhnlich in höchst eigener Person. Richtig, ein Brief! Schnell den Schlüssel, der gleich neben der Glastür hing. „Ah! eine ausländische Marke. Gewiß was ganz Besonderes!" Sie stürzte sich auf den Nähkorb, ergriff die Schere , — Damen haben mehr Zutrauen zu diesem Instrument als zu dem männlicheren Messer — und schnitt rasch den Rand an der Schmalseite weg. Herr Wupperich malte sich, während er gemächlich die Treppe heraufstieg, mit schadenfrohem Schmunzeln die § enttäuschte Miene seiner Frau aus. „Wird eine Drucksache oder etwas stenographisches > sein", murmelte er. Herr Wupperich war Vorstandsmit- glied eines Stenographenvereins, und seine Frau geriet über die „Spinnenfüße" jedesmal in nicht geringe Auf- ! regung. Was konnte da nicht alles ohne ihr Wissen aus- gemacht werden! „Das Stenographieren tollte von Gesetzes wegen oer- i boten sein!" hatte sie schon öfters erklärt. Aber diesmal hatte sich Herr Wupperich getäuscht. § Nachdem er noch die Glastür sorgfältig geschlossen und ! Überrock und Hut an den Ständer gehängt hatte, trat er ins Wohnzimmer. Triumphierend kam ihm seine Frau entgegen. „Hab ich's nicht immer gesagt? Da hast du's schwarz auf weiß!" Sie hielt ihm den Brief so dicht unter die Nase, daß er unmöglich etwas lesen konnte. „Was hab ich schwarz auf weiß?" fragte er, nahm die Brille ab und fing gründlich an zu putzen. „Daß du ein ganz schwieriger Charakter bist!" „Ich bin vollständig oom Gegenteil überzeugt. Schreibt das etwa der Herr Oberamtmann oder unser neuer Oberbürgermeister?" meinte er gelassen. „Kennst du die Firma L. Meyer, Maienfeld bei Ragaz?" fragte sie. „Nur per Renommee — aber allerhand Hochachtung!" versetzte er; ihm war ein Licht aufgegangen. „Ja, alle Hochachtangl" kam es als Echo von der besseren Hälfte zurück. „Da hast du, scheint's, deine Hand- s hrift zur Beurteilung eingeschickt, natürlich hinter meinem Rücken, und hast gedacht, der Herr werde dich ordentlich herausstreichen —" „Dame", wagte er einzuwenden. Er nahm den Um schlag, der noch auf dem Tisch lag und hielt ihn gegen die elektrische Flamme. „Hier hast du die Antwort, es stimmt alles!" fuhr sie fort. „Da bin ich aber sehr begierig", sagte er, während es ganz verdächtig um seine Mundwinkel zuckte, was sie in ihrem Eifer nicht bemerkte. Sie gab den Brief auch nicht aus der Hand. Aus ihrem Munde sollte er sein Urteil vernehmen, die Be stätigung dessen, was sie schon so ost behaupte: und er fast ebenso oft bestritten hatte. Diesen Hochgenuß wollte sie sich nicht entgehen lassen. Sie stellte sich in Positur, als ob sie ein Todesurteil zu verkünden hätte, maß ihn mit einem ihrer vernichtendsten Blicke unb begann die Vorlesung: „Sie sind intelligent, klar, die Phantasie spielt Ihnen keinen schlimmen Streich" —; „du stehst, man läßt dir Gerechtigkeit widerfahren, soweit es möglich ist", setzte sie hinzu. „Also Kopf ohne Herz! Stimmt!" bemerkte er. „Ja, herzlos, das hat deine arme Frau schon tausend mal erfahren", pflichtete sie ihm bei, froh, auch diesen Passus zu seinen Ungunsten deuten zu können. Dann las sie weiter: „Sie können öfters und ohne genügenden Grund recht scharf werden, Ihre Festigkeit geht bis zum Eigensinn." „Das ist ja noch sehr zart ausgedrückt", sagte er. „Nicht wahr, eigensinnig im höchsten Grade sollte es lauten?" — „Ganz recht." — „Es ist nur gut, daß du das einsiehst", sagte sie etwas milder, „vielleicht besserst du dich noch. Die Graphologie soll ja durch die Offen barung der Fehler zur Verbesserung deS Charakters bei tragen." „Meine Dankbarkeit wäre eine unbegrenzte, wenn sie dieses Wunder fertig brächte", sprach er mit komischem Pathos. „Sie befehlen gern und ertragen Widerspruch nicht leicht", fuhr sie fort. — „Na ja, stimmt auffallend. —" „Ja seufzt? sie, „wenn ich nur an unseren letzten Umzug denke. Nichts konnte man dir richtig stellen, überall hattest du zu tadeln. Kein Möbelstück, kein Porträt, keinen Spiegel fandest du am rechten Platze." „Finde ich auch beute noch nicht. Trotzdem steht aber noch alles, wie du es angeordnet hast." „Natürlich", fiel sie mit Schärfe ein, „es ist auch am besten so. Was verstehen die Männer davon! Recht haberisch bist du bis zur Tyrannei. Da heißt's weiter: „Auch sprechen Sie gerne und hören sich selbst gerne sprechen." „Stimmt!" sprach Herr Wupperich. „Ja, man hat dich erkannt. Wenn du einmal einige Gläser Bier getrunken hast, dann hörst Lu ja gar nicht mehr auf." „Ich trinke aber doch sehr selten Bier", wagte er einzuwenden. „Aber die Redseligkeit steckt doch in dir, man hat's herausgefunden." „Ja, sie muß wohl im Blute stecken", gab er zu. „Jetzt kommt der Schluß", sagte sie, „der trifft den Nagel auf Len Kopf: „Kurz, ein wenig umgänglicher Charakter." „Das muß ich der Wahrheit gemäß aus langjähriger Erfahrung bezeugen", erwiderte er. „Nicht wahr, ein Bild, wie es der Hofphotograph nicht treffender hätte machen können!" Damit legte sie das Blatt auf den Tisch und nahm den Hut ab. „Stimmt alles!" sagte Herr Wupperich, zog aus dem Kuvert ein kleineres Blättchen Papier heraus und reichte es ihr. „Da hast du auch die eingesandte Handschrift, sie ist nicht verstellt", bemerkte er ironisch. Kaum hatte sie einen Blick darauf geworfen, schleuderte sie es zu Boden, als ob sie glühendes Eisen berührt hätte. „Elender!" knirschte sie. Es war ein Kochrezept, das sie vor einiger Zeit ab geschrieben hatte, und Las ihr auf unbegreifliche Weise abhanden gekommen war.