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Mitteldeutscher Wirtschaftstag. Auswege aus der allgemeinen Krise. Nach vorausgegangenem Begrüßungsabend begann in Leipzig die Hauptversammlung des Wirtschaftsver bandes Mitteldeutschland unter dem Vorsitz von Landrat a. §. Freiherr von Wilmowski- Marienthal. General direktor Dr. Pielrkowski, M. d. R. W. R. sprach über „Die Arbeitslosenkrise". Neben den bekannten allgemeinen Ursachen der gegen wärtigen Arbeitslosigkeit kämen für die deutsche Wirt schaftskrise Ursachen besonderer Art in Frage. Zunächst der veränderte Altersaufbau der Bevölkerung, der durch die Not verstärkte Drang insbesondere der Frauen zur Erwerbstätigkeit und die zahlreichen Rückwanderer aus den abgetretenen Gebieten. Immerhin sei es der deutschen Wirtschaft gelungen, trotz der schweren Erschütterungen bis jetzt zwei bis drei Millionen Menschen mehr zu be schäftigen. Durch eine Überspannung der politischen Macht sei der aus die Arbeit entfallende Teil des Sozial produktes zu Lasten des Kapitals und der Rente ständig gestiegen. Die Kapitalversorgung der deutschen Wirtschaft sei nur zu etwa zwei Drittel des Bedarfs aus eigener Kraft möglich. Der Vortragende ist der Auffassung, daß die Tributlasten und die Einführung von entbehrlichen Nahrungs- und Genußmitteln die Arbeitslosigkeit von etwa 2,6 Millionen Menschen verursachten. Unberechtigt seien die Angriffe auf Rationalisierung und Zollpolitik. Die Arbeitslosenkrise sei vielmehr, soweit sie nicht weltwirtschaftlich bedingt sei, eine Selbstkostenkrise. Eine Senkung der Selbstkosten sei zum Teil bereits eingelreten. Anschließend sprach Regierungspräsident a. D. Dr Kutscher über „Die Agrarkrise als deutsches Wirtschaftsproblem": Die Rückwirkung der gesunkenen Kaufkraft im Bin nenmärkte auf die Landwirtschaft ergäbe einen neuen Beweis für. die Schicksalsverbunden heit der deutschen Wirtschaft. Das Barometer für den Stand der Agrarkrise bilde der Stand der Verschuldung. Die Entwicklung im lausenden Wirtschaftsjahr könne man an den Preisen messen und an den Nachrichten, die über die weitere Zuspitzung der Lage heute aus allen Landesteilen einliefen. Die Ver schärfung der Agrarkrise im deutschen Osten biete das klassische Beispiel dafür, daß weit über die zif fernmäßige Bedeutung des Anteils der Landwirte an der erwerbstätigen Bevölkerung das gesamte Erwerbs leben in Stadt und Land durch die Vernichtung der land wirtschaftlichen Kaufkraft zum Erliegen gebracht werde. Einen Ausweg aus der Agrarkrise bilde nur eine gleich zeitige Steigerung der Einnahmen und einer Senkung der Ausgaben. Voraussetzung für beides sei Ordnung im Staate und im Staatshaushalt. Eine selbstverständliche l Pflicht der Landwirtschaft sei, mit allen Mitteln um eine Besserung in der Qualität und der Marktherrichtung der Ware bemüht zu sein. Gegen eine schematische Preissenkung. Bedenken der Handelskammer. Nach Bekanntwerden des Entwurfs einer Verord nung, durch die die Preisbindungen wichtiger Marken artikel aufgehoben werden sollen, falls die Preise dieser Waren seit August vorigen Jahres nicht um zehn Pro zent gesenkt worden sind, wandte sich die Industrie- und Handelskammer Dresden sofort an die sächsische Negie rung und den Deutschen Industrie- und Handelstag gegen den Erlaß dieser Verordnung. Die Kammer sieht in der Verordnung keinen Weg, die Fragen der Preisermäßigung und der Preisbindungen zu lösen, sondern einen volkswirtschaftlich nicht zu rechtfertigen den Eingriff in die Wirtschaft. Namentlich die schema tische Bindung an eine Preissenkung um 10 Prozent, Schloß Werfen bei Salz burg eingeäschert. Das historische Schloß Werfen bei Salzburg, eine vielen Rei- 'enden bekannte Sehenswür- bigkeck des Landes Salzburg, wurde vom Feuer zerstört Un- ichätzbare Kunstwerke, beson ders die alte Bibliothek und die weltberühmten Fürstenzimmer mit ihren alten Sobelins und Möbeln wurden restlos ein Raub der Flammen Das aus dem 11 Jahrhundert ltam- wende Schloß gehört dem Erzherloa Tugen. die in einem ganz willkürlich gegriffenen Zeitraum flatt- gesunden haben muß, hält die Kammer für höchst bedenk lich, da es Markenartikel gibt, deren Preise schon vor dem 1. August 1930 erheblich gesenkt worden sind, und an diesem Tage absolut so niedrig lagen, daß für sie eine nochmalige Preissenkung gar nicht in Frage kam oder kommt. Eine so schematische Benachteiligung einzelner, willkürlich herausgegriffener Waren sei daher durchaus unberechtigt. Sie Leipziger Messe - eine ReiWangeleseMit. Gegen die Streichung des Reichszuschusses. Die sächsischen Industrie- und Handelskammern brachten dem sächsischen Wirtschastsministerium und dem Deutschen Industrie- und Handelstag ihr lebhaftes Be dauern darüber zum Ausdruck, daß der neuerdings von der sächsischen Negierung beim Reichsrat gestellte Antrag auf Gewährung des Reichszuschusses für die Leipziger Messe wieder abgelehnt worden ist. Die Kammern wiesen demgegenüber besonders auf die überragende Stellung der Leipziger Messe als deutsche und internationale Messe und ihre einzig artige Bedeutung für die deutsche Wirtschaft, namentlich bezüglich des Ausiandabsatzes hin. Die Leipziger Messe ist als eine Rcichsangelegenheit anzusehen, der daher auch vom Reich ausreichende Werbungsmöglichkeiten im Auslande sichergestellt werden müssen. Gerade bei einer Notlage wie jetzt muß die Wirtschaft verlangen, daß alle Möglichkeiten, sie mit Aufträgen zu versehen, ausgenützt werden. Die Kammern haben sich nunmehr an den Reichs lag gewendet. lleberraschungen im Glashötter Stadtkonlurs. Klage gegen den Staatsfiskus. Der Bücherrevisor Winkler Hal Klage gegen den säch sischen Staatsfiskus erhoben, den er für den Konkurs von Glashütte haftbar machen will. Winkler behauptet, der Fiskus habe seiner Aufsichtspflicht nicht voll genügt, die vom Slaalskommissar vorgelegten Vermögensüber sichten seien falsch gewesen und außerdem hätten die Auf sichtsbehörden bei der Sanierungsaktion das geltende Recht verletzt. Über die Angelegenheit wurde bereits ver handelt und sie der Zuständigkeit halber dem Landgericht überwiesen. Weiter erfahren wir, daß neue Vergleichs- Verhandlungen zwischen der Stadt Glashütte und den Hauptgläubigern in Kürze stattfinden sollen. Die Gesamt schulden der Stadt belaufen sich auf etwa 2,5 Millionen Mark und die Deutsche Hypothekenbank in Meiningen steht hier mit etwa 1,5 Millionen Mark an erster Stelle. Es folgt das Sächsische Arbeits- und Wohlfahrtsministe rium mit Forderungen für Erwerbslosengelder von 250 000 Mark. Sprunghafte Steigerung der Gemeinde- Wohlfahttslaffen. Der Sächsische Gemeindetag hat Regierung und Land tag fortgesetzt auf die sprunghafte Steigerung der Wohl fahrtslasten der Gemeinden hingewiesen, namentlich auf die geradezu erdrückenden Lasten für die Fürsorge der Wohlfahrtserwerbslosen und die Krisenunterstützten. Die jetzt vorliegenden Zahlen lassen erkennen, daß seit dem 1. Oktober 1929, also in eineinviertel Jahr, die Zahl der Wohlfahrtserwerbslosen in den sächsischen Gemeinden von 15 509 auf 88 581, die Zahl der Krisenunterstützungs empfänger von 19 827 auf 113 805 gestiegen ist. Die kom munalen Spitzenverbände haben berechnet, daß in der ersten Hälfte des Rechnungsjahres 1930, also in den Mo naten April bis Oktober 1930, die Bezirksfürsorgever- bände und Gemeinden insgesamt 19 Millionen Mark auf bringen müssen. Dafür haben sie Anfang August eine Staatsbeihilfe von vier Millionen Mark erhalten. Es verbleibt also ein ungedeckter Bedarf von 15 Mil lionen Marl. Für das dritte Quartal 1930 werden min destens weitere 20 Millionen Mark für diese Unterstützun gen ausgebracht werden müssen. Die Gemeinden erhoffen deshalb vom Landtag, daß er den Betrag von 2,5 Millionen Mark, den die Regie rung für die Unterstützung der Bezirkssürsorgeverbände eingestellt hat, entsprechend dem sehr viel höheren Be darf und der katastrophalen Finanznot der Gemeinden er höht, und daß die Regierung den vom Landtag benötig ten Betrag sofort flüssig macht, um zn verhüten, daß die Auszahlung der Unterstützungen, von der die Erhal tung der Ruhe im Lande abhänat. ins Stocken gerät. Aus -er sächsischen Landwirtschast. Wie die Pressestelle der.Laphwtttschaftskammer mitteilt, veranstaltet die Ökonomische Gesellschaft ihre nächste Versamm lung am Freitag dem 16. Januar in Dresden «Drei Raben) mit einem Vortrag von Rittergutsbesitzer Kurt Wunderling, Neukirchen, über „Fruchtfolge, Bodenbearbeitung und Dün- auna tn der eiaenen Wirilchait- Zumpe macht Karriere ^ioes Pechvogels lustige Geschichte von Aritz Körner Anton Zumpe aus Buxtehude, der kleinen Stadt in Hannover. 4. Sohn des ehrsamen Schuhmachermeisters Gottlieb Zumpe . . . von ihm und seinem Schicksal sei dem Leser berichtet. Anton war der Jüngste! Wie er selber sagte, war er mit seinem älteren Bruder nur entfernt verwandt . . . denn er war 25 Jahre alt, während der Herr Ministerialdirektor Georg Zumpe schon 40 Lenze zählte. Zum Ministerialdirektor würde es Zumpe wohl nie ge bracht haben; denn dazu hatte er eine viel zu fröhliche, unbe kümmerte Lebensauffassung. Er war jung, jung und noch mals jung, und wer ihn ansah, den großen hübschen Bur schen, 1,8l) groß, mit den braunen Schelmenaugen, dem mußte ja das Herz im Leibe lachen. Es gibt so hin und wieder Menschen, die eigentlich nichts sind, was ihre äußere Lebensstellung anbelangt, die aber das Leben unbekümmert und tapfer nehmen und zwingen . . . wahrhafte Lebenskünstler und Lebensbe zwinger. Genug mit der Vorrede! Ich will von dem fröhlichen Leben eines fröhlichen Menschen und seiner wunderlichen Schicksalskurve erzählen. * Auf der Rennbahn Grunewald. Es war ein warmer Maientag, nicht zu heiß, eine Brise aus dem Osten kühlte angenehm und Anton Zumpe lehnte .m-der Barriere der Rennbahn. Ein Zufall hatte ihn herausgeführt. Um die Mittags stunde war er angekommen, hatte seinen Bruder aufgesucht, aber der war im Ministerium. Er rief die Nummer, die ihm angegeben wurde, an und erfuhr, daß sein Bruder zur Zeit beim Minister weile, und daß es lange dauern könne. Da entschloß sich Anton, etwas zu unternehmen, er las das Rennbahnplakat. Pferderennen! Zweimal hatte er diesen Rennen schon beigewohnt und der Sport hatte ihm ausgezeichnet gefallen und so kam es, daß er jetzt an der Barriere stand und verloren über den grünen Rasen blickte. Dann seufzte er auf, denn er dachte daran, daß er in vier Rennen schon 20. die Hälfte seines derzeitigen Barvermögens — verwettet hatte! Immer daneben! Er sah nach rechts! Mit einem Male wurde seine Stimmung freundlicher, denn nicht weit von ihm standen zwei reizende Damen und musterten die Pferde, die eben auf dem Geläuf erschienen. Die ältere der beiden Damen sagte plötzlich: „Hast du schon gewettet, Uschi?" „Nein, Mama!" kam die Antwort. Ich habe schon dauernd verloren. Was soll ich denn wetten?" „Ganz einfach, liebes Kind. Das Pferd, das deinen Namen trägt! Uschi!" Ein glockenhelles Lachen kam als Antwort. „Aber Mama, das Pferd hat doch gar keine Chance!" „Es ist ein Verkaufsrennen. Uschi, da ist alles möglich." „Wenn du meinst, Mama!" In dem Augenblick fielen die Augen der Damen plötz lich auf Anton, der ganz andächtig, versunken in die Schön heit des etwas eigenwilligen Blondkopfes, Uschi ansah. Aber, als ihn die beiden Augenpaare trafen, da zuckte er zusammen wie ein ertappter Sünder, riß den Hut herunter und verbeugte sich knapp und elegant. „Verzeihen Sie, meine Damen!" sagte er nicht ohne Befangenheit, „ ... ich ... ich bin Ihrem Gespräch ge folgt . . . aber. . . !" Keck kam es aus Uschis Munde: „Sie wollen wohl auch Uschi wetten?" Zumpe nickte. „Wenn Sie gestatten, meine Gnädigste! Ich muß es geradezu als einen Wink mit dem Schicksals pfahl auffassen. Wenn das Pferd Ihren reizenden Namen trägt, dann muß es ja gewinnen!" Die beiden Damen lachten hell auf. Die muntere Art Antons gefiel ihnen gut und dabei war es wirklich ein bildhübscher Junge. „Wollen Sie mir ein Tiket mitbringen?" fragte Uschi. „Aber mit Vergnügen! Wie hoch wünschen Gnädigste zu wetten?" Dabei bekam er aber innerlich einen Schreck, denn er hatte nur noch 20.— bares Geld einstecken. „Wie hoch? Oh nicht hoch! Das ist doch ein Verkaufs rennen, da riskiert man höchstens einen Zehner!" „Gern, meine Gnädige ... ich werde Ihnen ein Tiket über 10.— mitbringen." Er verbeugte sich abermals und schritt zum Totalisator. „Ein hübscher Mensch!" sagte die ältere der beiden Damen und blickte dem Davonschreitenden nach, während sich die Pferde zum Start begaben. Uschi nickte. „Ja, Mama . . . Georg ist nicht ganz so hübsch!'' „Aber, liebes Kind! Du muht bedenken . . . !" „Ich weiß schon, Mama! Ich Habs ja auch eingesehen, aber glaubst du, manchmal wünschte ich, er ... er wäre nicht so streng und steif, wäre etwas mehr ein frischer, flotter Junge! Ich glaube, das ist er nie gewesen!" „Nein, Georg hatte immer nur Zeit für seine Karriere." „Leider! Du, Mama, der Herr . . . aus Berlin ist der aber nicht!" „Kaum! Dazu spricht er ein zu klares Hochdeutsch! Ich taxiere ihn auf Hannoveraner!" „Könnte sein! Paß auf, Mama! Gleich geht das Rennen los! Wie sieht denn Uschi aus?"