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unterbrach zuweile.n zaubrischer Wachtraum. Maud tauchte dann plötzlich in golddurchwirktem, karminfarbenem Seiden- gewanoe als Singhalesenprinzessin aus dem grünen Schleier von Farnen, die von allen Masten und Gaffeln oes Dschungels herab sickerten. So versäumte denn Oswald kaum, vor Sonnenunter gang nach Galle zurück,ukehren, wo er die beiden Damen im Ufergarten wie zufällig anzutreffen Pflegte. Schüchterne Klagen über die Einförmigkeit und langatmige Stille Galles wagten sicy dann leise hervor. Wenn man nur nach Europa könnte! Oswalds Bewunderung für die landschaftlichen Reize Indiens fand wenig Verständnis.' zu oft hatten die beiden Frauen die schreckhafte Erhabenheit des tropischen Abend- Himmels gesehen, der wie in bengalischen Flammen aufloht. Schrilles Pfeifen und lobendes Tamtamschlagen aus einem blumendurchdufteten Hindutempel mischte sich mit den metallnen Stimmen christlicher Besperglocken. „Heute und morgen und alle Tage!" meinte mit Bitterkeit die würde schwere Mama, die ihre Heimat, die Kathedralenstadt Canter bury nicht vergessen konnte. Später lockte der Bollmondschein sie auf die einst unbe zwinglichen Ringmauern, dem Wogenprall des indischen Weltmeeres zu lauschen. Oswald erzählte den Wachtraum von der Sinahalesenprinzessin. Miß Mauds Augen leuchteten kurz in Beglückung auf, dann aber seufzte leiser Vorwurf: Wir sind englisch! Auf einem felsigen Eiland drüben schüttelte der Monsum die Schattenrisse der Kokospalmen. Begierig lauschte die schöne Maud den kühneren Worten des jungen Gelehrten, und beider Hände fanden sich in stummer Sprache. Beseligende Hoffnung schien Unmöglichkeiten zu überbrücken. Kann er die Lotosblume des Südens nach der rauheren Heimat verpflanzen? Da scheuchte der Gruß eines Inders sie aus allen Träumen. Hastig trat er wie aus einem Hinterhalt zur Ge- sellschaft; blitzschnell begreift Oswald, daß ,ener ältere Rechte aus die Perle Ceylons geltend machen wollte. Man verab schiedete sich für heute, und der Deutsche ging nachdenklich — diesmal allein — in das Oriental-Hotel, aus dem blechern die Whiskystimmen der Pflanzer hervorschrilllen. von einem halb gelähmten Klavier begleitet. Erst nachher im Flimmern deS Mondlichts um gaukelten neue Wunschbilder deS jungen Professors Hangen und Bangen. Da tönte von ferne — doch horch, immer näher! — geliebte Weise. „Am Rhein, am Rhein, da wachsen unsere Reben...* Deutsche Matrosen zogen am Fenster vor über. Machwoll erwachte der Ruf der Heimat: der Zauber indischer Schönheit war jäh gebrochen. Irmgards blondes Köpfchen tauchte sieghaft lächelnd empor. Am frühen Morgen verließ Oswald fluchtartig Galle, um in einem Rasthaus mitten an der Urwaldstraße seine Forschungswerkstatl aufzuschlagen. Wie er später durch seinen Reisediener erfuhr, hatte Eile not getan. Jener Nebenbuhler, ein singhalesischer Makler, wollte den Fremdling zum Bade in die gefährliche Haifischbucht locken. Wenn das nicht half, sollten Tamikulis das Auslegerboot deS verhaßten Deutschen bei der Klippenbarre heimtückisch in die Brandung stoßen. Zwei auf einem Weg ... Skizze von Lilo Bork» Wiesbaden Aus der Landstraße sind sie zusammengetroffen, die Straße dehnt sich vor ihnen und scheint in ihrer grauen Ein tönigkeit endlos zu sein. Man sieht dem Alten diese Straße geradezu an, irgendwie ist er ihr ähnlich geworden, in den langen Jahren, da er sie entlang wanderte — diese oder eine andere. Der Junge neben ihm sieht ander- aus. Es ist noch etwas Frisches, Aufdegehrendes in seinen Schritten, die sich mit einer leichten Ungeduld denen des Alten anpassen. Der Alte schiebt den abgegriffenen Hut aus der Stirn zurück. Seine tiefliegenden Augen treffen den Gefährten. „Wie lange bist Tu schon unterwegs?" — Ter Junge lacht kurz auf: „Zwei Jahre. Erst oder schon — Wie Tu willst! Und Du?" Im müden, ausgemergelten Gesicht des Alten er- Wacht ein glückliches Leuchten. „Wie lange? Ich weiß es schon nicht mehr, aber nun ist es bald zu Ende!" — ,Lu Ende?" Wie ungläubig das klang. „Ja!" Sein Glück macht den Alten gesprächig. Der Brief, durch den ihn der kürzlich getroffene Jugendfreund an seinen Sohn empfiehlt, knistert in seiner Tasche. „Nicht hier sterben müssen, m dem Dreck. Du weißt ia nicht, was das heißt", sagt er. Finster hat der Junge zugehört. „Ich komme nicht mehr davon los", sag, er und lacht ein wenig dabei, aber es ist kein schönes Lachen. „Warum?" „Warum?!" Wieder diese- bittere höhni/che Lachen. Das Gesicht des Burschen sieht Plötz, lich alt und verbraucht aus. „Der Vater ist im Kriege ge fallen. Dann habe ich mit dem Bruder zusammen die Mutter ernährt." Der Bruder heiratete sein Mädel. Tann wurden wir arbeits'os Es war ein Hundeleben, und die Mutter kränkelte Sie ging einfach daran kaputt, weil die Lungen den Treck der Großstadt nicht mehr ertragen konnten. Als sie tor war, faß ich auf der Straße." Er bleibt einen Augen blick stehen: „Hast Du schon einmal in einer Stadt wie Berlin A'-Veit gesucht?" Es ist wie eine Drohung in seiner Stimme. „Weißt Du, wie das ist, wenn die Kleider anfangen zu zer- lumpen, wenn die Leute einen, bevor man noch ein Wort ge sprochen hat, wie einen lästigen Bettler hinauslagen und einem allenfalls noch eine Kupfermünze nachwerfen? Wenn der eigene Bruder mit seiner Familie sich schämt, einen zu kennen?" Tas gebräunte Gesicht des Sprechers zuckt in einem Gemisch von Scham und Wut. „So lange man anständig ge kleidet ist, geht es. Aber nachher.. " Er holt tief Atem. „Nachher ist man ein Nichts, ein Treck, ein gemeiner Kerl, vor dem sich die Kinder fürchten und um den die Frauen auf der Straße einen Bogen machen, als wär' er nicht ein Mensch, auf die gleiche Art gezeugt und geboren wie sie selbst'" Eine Weile gingen sie stumm n-benemander. „Du wirst verkommen, in dem Dreck! Alle verkommen wir hier." Die Stimme des Alten klingt brüchig wie splitterndes GlaS. „WaS gehtS Dich an? Tu kommst ja jetzt 'raus." ,„Ja." Wieder eine Weile Schweigen. Tie gleichmäßigen Wanderschritte der beiden Männer rücken näher an das Dors heran. Ohne daß er es will, kagt der Alte: „Glaubst Du wohl, daß Du letzt noch raus könntest? Aus dem Leben da, meine ich, von der Straße weg?" Der Trotz in dem Gesicht deS Burschen zerfließt in müde Hoffnungslosigkeit. „Wie — 'rauskommen? Arbeit kriege ich ja doch nie mehr." — Der Alte sieht in das lunge Gesicht, in daS sich die ersten Runen einzugraben beginnen, die glei chen Runen, die auch sein Gesicht zerfurcht haben, und er denkt daran, wie das Leben hier draußen den Jungen immer weiter Herunterreißen wird, bis er wirklich zum Verbrecher geworden ist. Der Alte kennt das Leben auf der Landstraße, und er weiß, wie man ihm verfällt. Im Vorwärtsschreilen Mit er neu das Knistern des Briefe-... DaS Torf ist ganz nahe. Bor einem Hause bleiben die beiden stehen. Seltsam, wie schwer ihnen der Abschied wird, weil sie soviel voneinander wissen. Der Alte hält den Brief letzt in der Hand. Sie zittert unmerklich. In der Tür steht der junge Bauer. „WaS wollt Ihr?" Scharf ist diese Stimme, aber nicht unfreundlich. Der Alte gibt sich einen Ruck. .„Ich habe einen Brief Eures Vaters." Der lunge Bauer kommt näher. „Ach, der neue Knecht? Euer Sohn ist das? Ich dachte schon, Ihr selbst wolltet Euch verdingen." Er geht auf den Jungen zu und reicht ihm die Hand. ,Hst gut so! Einen kräftigen ,ungen Kerl können wir gebrauchen. Kommt, Alter, Ihr könnt auch mit uns nacht mahlen." Die beiden von der Landstraße stehen wie erstarrt. Im Gesicht des Alten zuckt es eine Sekunde lang. Er sieht da- Rot im Gesicht des Burschen, das ungläubige Staunen in seinen Blauaugen, und er atmet ties auf. Dann reicht er dem Bauer den Brief. „Jawohl, Bauer , sagt er, so fest es seine brüchige Stimme erlaubt. „Mein Sohn. Nehmt ihn gut auf, und — Gott befohlen!" Einen Augenblick wundert er sich selbst über den frommen Gruß. Er legt seinem lungen Ge fährten die Hand auf die Schulter und sieht ihn an „Laß mich daS Opfer nicht umsonst bringen!" liegt in diesem Blick. „Denk einmal an mich!" Dann schreitet er mit seinen gleichmäßigen, etwas müden Schritten die Dorfzeile eutlang, den gleichen Weg zurück, den sie gekommen sind. Betroffenheit, ungläubiges Staunen liegt in den Blicken deS Burschen. „Warum hat er es denn so eilig?" fragt der lunge Bauer erstaunt. „Er konnte doch erst mit uns essen?" — „Kommt zu Tisch!" klingt die Stimme der Bäuerin über den Hof, und der Bauer zieht seinen neuen Knecht am Aermel über die Schwelle. Er bemerkt nicht, daß dessen Augen einen seltsam feuchten Schimmer haben. — „Sein Vater hat ihn gebracht", sagt drinnen der ,unge Bauer zu seiner Frau, der Bursche wiederholt unbewußt: „Mein Vater, ia!" — Und denkt an eine lange graue Landstraße... Sonntagsbeilage Pulsnitzer Tageblatt ' >'»77—.777-.-/. . . "7 I- »erlag .Pulsnitzer Tageblatt" S. m. b. H,, Pul-nitz. Echriftleltung: Walter Mohr, Pulsnitz. Deutscher Advent Durch diese Tage heimlicher Erwartung, stillen, hofs- nungsfrohen Rüstens und Webens klingt der alte Advents- gruß Gottes aus altem Prophetenmund: Siehe, dein König kommt zu dir. Und die Adventsgemeinde singt und bekennt: Macht hoch die Tür, die Tor macht weit. Es kommt der Herr der Herrlichkeit, ein König aller Königreich, ein Heiland aller Welt zugleich. . . Ein Helland aller Welt zugleich. . . Wir singen es, wir hören es, wir predigen es, und wir verstehen und glauben es nicht. Ein Heiland aller Wett — das hätte uns in unserer drückenden deutschen Not der Gegenwart unter Umständen doch etwas zu bedeuten. Das ist dasselbe, was so gläubig froh durch das Weihnachtslied klingt: Christ, der Retter ist da. Und in der Tat — das hat etwas zu bedeuten. Gott schenkt unserem deutschen Volke wieder Adventszeit. Und das bedeutet, daß er mitten in die deutsche Not der Gegenwart, mitten in das Elend und die Sorgen der Arbetts- und Er werbslosigkeit hinein, seinen Adventsgruß spricht: Siehe, dein König kommt zu dir. Dies Wort gilt zuerst der christlichen Gemeind«, die ihm betend antwortet: „Macht hoch die Tür, die Tor macht wett . . .", das gilt der gläubigen Einzelseele, die in stiller Kammer betend spricht: „Komm, o mein Hei land, Jesus Christ, meins Herzens Tür dir offen ist", das gilt aber ebenso unserem ganzen deutschen Volk. Diesem Voll, das in so tiefe Not gefallen ist und am Rande des Bürgerkrieges und der Verzweiflung um sein nacktes Leben ringt, den Adventsgruß Gottes zu sagen, das ist die besondere Aufgabe christlicher Verkündigung in diesen Tagen des Advent. Siehe, dein König kommt zu dir. . . ein Heiland aller Welt zugleich! Und was wird die Antwort auf diesen Gruß Gottes sein, der Eegengruh, den das deutsche Volk gibt? Nun, die Fronten sind breit, di« diesen Gruß überhaupt nicht hören wollen und die ihn ablehnen. Da ist die große Front der Gleichgültigen, die Front derer, die im Diesseits ertrunken und versunken, nur kennen Essen und Trinken, Vergnügen und Lust, Ruhe und Schlaf, die Front derer also, die um dieser Diesseitigkett willen die Hauptschuld an Deutschlands Zusammenbruch tragen, weil sie, als die weltanschauliche Geisterschlacht geschlagen wurde, die alles entscheidet, nicht anttaten und dem Feind das Feld ließen. Werden sie in Erkenntnis ihrer Schuld und Selbstlüge aufwachen und hören den Gruß Gottes, der auch ihnen gilt: Siehe, dein König kommt zu dir? Da ist die Front derer, die jede Religion ablehnen und den Adventsgruß Gottes benutzen, um ihm ihre Kampfansage und Haßruf entgegenzustellen. Auch ihnen, die nicht wissen, was sie tun in dämonischer Besessenheit, gilt der Gruß Gottes, der ihren Haß überwinden will: Siehe, dein König kommt zu dir! Da ist schließlich die Front derer, die sich nach Gotterleben ausstrecken und sehnen, die da schreien nach Gott, die aber Christus nicht wollen, ihn nicht wollen am Rassestolz und völkischem Empfinden, die da schreien nach Gott und sich aus edlem Selbstbewußtsein selbst erlösen wollen und deshalb an Christus vorübergehen. Auch ihnen, und gerade ihnen gilt der Gruß Gottes: Si.he, dein König kommt zu dir. Ihnen will der ewige Gott shr Schreien und Sehnen erfüllen und in beseligendem Gott- erlebcn begegnen dadurch, daß er sie mit ihrer deutschen Sehnsucht an den König Christus bindet, daß sie im Glauben bekennen: Du, Gott, bist mir zu mächtig geworden. Dein Christus hat mich überwunden, daß sie bekennen wie Thomas aus allem Kampf, Gottessehnsucht und Zweifel heraus: Mein Herr und mein Gott. Gott hat nur den einen Gruß, den er in die Welt der Menschen hineinspricht und mit dem er den Menschen begegnet: Siehe, dein König kommt zu dir. Und deutsches Volk, was wird deine Antwort sein? In Einem sind wir uns alle einig, in welcher Front wir auch stehen, in dem nämlich: Wir wollen Deutschlands, und das heißt unserer Kinder und unsere Zukunft. Nun, aus dem Dunkel der Waldnächte und des Waldlebens in das Feld der Geschichte trat das deutsche Volk in dem Augenblick, als Missionare ihm den Herrn Christus verkündigten. Ihn nahmen sie auf als den Lichtkönig, als das Friedekind Gottes, als den Helianth, d. h. dm Retter aus Dunkel und Nacht. Das Wort Heiland, das wir so oft brauchen, weichlich brauchen, ist mit dem ganzen männlichen Ernst und der Freude eines jungen Volkes am Morgm seiner Geschichte erfüllt. Die ihrer Auslösung entgegengehende germanische Volksreligion hatte eine dumpfe Weltangst und Weltuntor gangsstimmung ausgelöst. Die nahm der Lichtkönig ab, indem er das Junge Germanenvolk in seine lichthelle Ewigkeit hineinsteltte. Und daraus entstand deutsche Geschichte und deutsche Sendung an die Welt. In dem Augenblick, wo md- gültig die deutsche Seele von Christm zertrennt ist — und die Stunde ist nicht mehr weit — wird das deutsche Volk wieder eintauchen in die dunkle Nacht der Geschichtslosigkett. Das ist die ernste Lehre einer fast anderthalbtausmdjährigm Geschichte. Gott schenkt uns deutschen Advent und grüßt wieder — noch einmal? — unser deutsches Volk: Siehe, dein König kommt zu dir. Auf die christliche Gemeinde, auf dich, du einzelner Christ, ist eine außerordentliche Verantwortung ge legt. Dem Propheten Jeremia hat Gott in der ersten Stunde seines Lebens gesagt: „Du sollst für dies Volk nicht bitten, denn ich will dich nicht hören." Damit war das Ende dieses Volkes besiegelt. Uns ist das tägliche Gebet und Schreien als heiligste Aufgabe auferlegt, daß Gott mit seinem Geist den König Christus Tinen öffnet auch in unserem Volke und gerade in unserem Volke. An diesem Beim ent scheidet sich unbedingt Deutschlands Zukunft, die auf unsere,