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Nr. 27 PAPIER-ZEITUNG 985 aufbauen, ebenso Menagerien oder Thiergärten, Jagdzüge, Rennbahnen, Kunstreitergesellschaften und Regimenter von Soldaten. Dann giebt es zum Spiel und zur Belehrung der Kinder Schaubühnen verschiedenster Art mit verstellbaren Kulissen und Figuren. War es früher namentlich die Darstellung der Geburt Christi im Stall mit den Weisen aus dem Morgen lande, die auf der kleinen Schaubühne verwirklicht wurde, so finden zur Zeit auch andere biblische Szenen, wie die Kreuzi gung und Auferstehung des Heilandes in gleicher Weise Ver körperung. Aber auch die Märchen haben den Luxuspapier- Fabrikanten ein weites Feld geboten zur Darstellung einzelner Szenen, sei es in Form einer kleinen Schaubühne, sei es als plastisch wirkende Illustration von Bilderbüchern, wie nicht minder die deutschen Trachten, desgleichen diejenigen anderer Völker für die Darstellung in Papierpuppen ein schönes und belehrendes Motiv bilden. Für derartige Puppen giebt es in dessen auch doppelseitige Kostüme, in welche die Puppe von unten hineingeschoben und dann mit Hilfe eines kleinen hölzernen Untersatzes aufgestellt werden kann. Unter den Gesellschaftsspielen, zu deren Herstellung Papier mit anderen Stoffen Hand in Hand geht, ist der »Burenkrieg« neu und interessant. In Briefpapier verdrängt eine Neuheit so schnell die andere, dass man kaum alle festhalten kann. Die Rokokozeit scheinen wir auf diesem Gebiet überwunden zu haben und sind nun bei dem Empire-Stil angelangt. Das Papier Empire ist ganz schlicht, hell getönt in den verschiedensten Farben erhältlich und hat nur eine ganz schmale abstechende Kante an den Kuverts, während bei den Briefbogen das Monogramm in der Regel in Antiqua-Lettern anders gefärbt ist. Das Biarritz-Papier ist blaugrau mit dunkleren Punkten und Goldarabesken verziert. Im Ton ist diesem das neue »Bavaria-Papier« ähnlich, doch fehlt daran jeglicher Schmuck, während das Leinenpapier Teile de Bretagne, ebenfalls schlicht, hell violett und neapel gelb gefärbt ist. Als »letzte Neuheit« wird das Papier Tapisserie orientale gemeldet. Es ist hellblau mit feiner dunklerer Schraifirung und hat an der rechten Seite herunter eine feine goldene Borde in orientalischen Motiven, während das Mono- ramm in Antiqua in der linken oberen Ecke angebracht ist. ie Kuverts haben auf der Schlussklappe ebenfalls eine schmale goldene Borde. Neben den Transvaal-Kriegskarten nachOriginal-Aufnahmen, die man sich auf Abonnement direkt von Afrika senden lassen kann, suchen sich jetzt die Ansichtskarten von der Pariser Welt-Ausstellung, von dort versendbar, sowie Karten mit bunten Kreisornamenten, mit welchen sich durch Schwingung prächtige Farbenspiele erzielen lassen, die Gunst des Publikums zu erwerben. Neu sind auch die kleinen Rollen mit gummirten Papier streifen, die man aufhängen kann. Ausserordentlich praktisch sind die neuen Taschenstifte, einschiebbar in eine Metall hülle, die wie der Bleistift eine breite Form hat, sodass ein Fortrollen vom Tisch ausgeschlossen ist, ebenso der dreitheilige Breloquestift, dessen ebenfalls breite Metallhülle drei kleine runde Bleistifte enthalten, die statt des Holzes einen Mantel von Metall haben. H. P. Pariser Ansichtskarten Eigenbericht, Nachdruck verboten Welche enge Verkettung zwischen den Völkern besteht, dafür giebt der Krieg in Transvaal wieder einen neuen Beweis. Weil dort am anderen Ende der Welt John Bull und Ohm Paul einen Streit mit einander ausfechten, soll in der ganzen zivili- eirten Welt Mangel an Papier herrschen, wie aus Amerika, Deutschland, England, Schweden, Frankreich und Kanada übereinstimmend gemeldet wird. Im täglichen Leben macht sich diese Noth vorläufig noch nicht fühlbar; wir scheinen uns im Gegentheil in jener Epoche der grössten Verschwendung zu befinden, die jeder Noth voranzugehen pflegt. Wie während der Dreyfus-Affaire in Frankreich, so steigert sich jetzt in England der Absatz der Zeitungsblätter in unerhörter Weise. In Frankreich hat hingegen der Absatz von Postkarten einen aussergewöhnlichen Aufschwung genommen, und auch hier ist der afrikanische Krieg eine der unmittelbaren Ursachen. Die allgemein hier herrschende Sympathie für die Buren und die Abneigung gegen England findet auf den Bildern der rostkarten vielfältigen Ausdruck, und jedermann glaubt zum Erfolg der »guten Sache« beizutragen, wenn er seine Kor respondenz auf Postkarten besorgt, auf denen dem »britan nischen Tiger«, übel mitgespielt wird. Unzählig sind die Kom binationen, in denen dieser Tiger in Thier- oder in Menschen gestalt dargestellt wird, und die bekannten Figuren der Königin und Chamberlains wiederholen sich in allen möglichen Situati onen. Die Bilder sind meist Klischees nach Federzeichnungen und mit leichten Wasserfarben überzogen. Sie nehmen die Hälfte oder drei Viertel der Karte ein, manchmal bedecken sie sogar die ganze Oberfläche, sodass nur für die Unterschrift Platz bleibt. Diese Postkarten dienen natürlich nicht zur Korrespondenz, sondern der hier noch neuen Mode, einander interessante Bilder von aktuellem Interesse zuzusenden. Unter diesen Bildern giebt es aber auch eine Menge solcher, die nichts mit der Politik gemein haben. Dazu gehört z. B. eine ganze Serie, die unter dem Gesammttitel »La Vie Parisienne« verschiedene mehr oder minder pikante Darstellungen aus dem gesellschaftlichen und Vergnügungs-Leben von Paris enthält. Szenen und Gruppen aus den neuesten, in den hiesigen Variete- Theatern aufgeführten Revuen, wie z. B. der prachtvolle Spitzen-Aufzug (defile des dentelles) aus Paris Boycocott, die kostümirten Gestalten hervorragender Künstler und Künstlerinnen, wie Sarah Bernhardt als Hamlet, besonders erfolgreiche Zirkus- Szenen, allerlei lustige und verdriessliche Vorgänge hinter den Kulissen, die Fahrten im Boulogner Wäldchen zu Wagen, zu Pferde und zu Automobil, die Jagd nach der Frau zu Fuss und per Fahrrad, dies sind die in dieser Serie am häufigsten vorkommenden Gegenstände. Mode und Frauenschönheit bilden ein unerschöpfliches Thema zu stets neuen Darstellungen. Von den vergangenen Moden werden zumeist vier Epochen: Das XVI. Jahr hundert, Directoire, Empire und Renaissance, in einzelnen Bildern oder in Gruppen wiedergegeben. Die einzelnen Bild chen sind gewöhnlich schief in der linken Ecke oben an gebracht, sie sind äusserst fein gezeichnet und leicht kolorirt. Reizend sind die Zusammenstellungen von je zwei Damen auf einem Bilde, von denen die eine ein junges Mädchen, diezweite eine junge Frau darstellt. Wir sehen sie im vertrauten Gespräch und Arm in Arm bei der gleichen Beschäftigung, wie Blumen pflückend, beim Schlittschuhlaufen, Einkäufe machend usw. Ein neuer Reiz kommt hinzu, wenn auf den Bildern auf die vier Jahreszeiten Rücksicht genommen wurde, sodass uns z. B. die Frübjahrstoiletten des 18. Jahrhunderts, die Winter toiletten der Direktoriumszeit, usw. vorgeführt werden. Auch in den Darstellungen moderner Toiletten finden wir die gleiche Anordnung, d. h. die Gruppirung zu zweien und die Eintheilung nach den Jahreszeiten. Auf einer Postkarte sehen wir auf der Mittelfläche die vier historischen Epochen in einzelnen Bildchen in der Weise zusammengestellt, dass sich von dem weissen Kartengrund zuerst ein grünes viertheiliges Blatt abhebt, dessen Theile herzförmig sind. Auf jedem Blättchen befindet sich dann mit dem Kopf nach aussen gerichtet ein Modebild. Bei vielen modernen Modebildern befinden sich noch ver schiedene sinnbildliche Zuthaten. So sehen wir z. B. das Bild einer reizenden Pariserin in dekolletirter Taille mit Blumen hütchen in sehr satten Farben fast über die ganze Karten oberfläche schief gestellt. Sie lächelt und hebt drei Finger in die Höhe, offenbar um die Stunde für ein Stelldichein zu be stimmen. Unten rechts am Büstenabschluss ist ein brennendes Herz angebracht, dessen züngelnde Flammen den unteren Theil des Bildes einrahmen. Auf eine andere Karte ist der Kopf eines elegantenjungenMannes gemalt, dessenKragen,Kravatte und Kravattennadel mit der grössten Genauigkeit die letzten Mode neuheiten wiedergeben; in seiner rothbehandschuhten Rechten hält er eine brennende Zigarre, deren Rauchwolken einen länglich viereckigen Rahmen bilden. Auf der Innenfläche dieses Rahmens sieht man in der rechten Ecke ein grünes Kleeblatt, und der weisse Raum ist für die Inschrift be stimmt. Elektrogravüre. Dieses in Nr. 79 von 1897 beschriebene patentirte Verfahren zur Herstellung von gravirten Stahlplatten auf galvanischem Wege wird durch den Erfinder Josef Rieder in Leipzig auf der Pariser Weltausstellung in Betrieb vor geführt werden. Mit dem Bau der dazu nöthigen Vorrichtungen befasst sich die Elektrogravüre-Gesellschaft in Leipzig. Der Erfinder hofft die Vorrichtungen in Kürze so zu vervoll kommnen, dass das Verfahren in die Praxis eingeführt werden kann.