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Nr. 18 PAPIER-ZEITUNG 625 und wann ich geboren war, dasselbe wurde von meinem Vater und meiner vor 80 Jahren verstorbenen Mutter festgestellt. Nun begann die Vorlesung des zur Verurteilung vorliegenden Verbrechens. Strafantrag und Mahnung an den hohen Gerichtshof, die Sache ja nicht zu leicht und zu milde zu beurteilen. Es wird zu viel gesündigt in der Welt, und diesem Uebel kann nur durch strenge Strafen abgeholfen werden. Ich war nach diesen Reden wie geknickt und hätte mich jetzt beinah gesetzt. Aber schliesslich durfte ich doch auch etwas reden. Sei es nun, dass mir die Grösse des eben geschilderten Verbrechens nicht recht klar war (in Wirklichkeit hatte ich also ein armes Mädchen einige Stunden beschäftigt und derselben Gelegenheit gegeben, sich ein paar Groschen, die eie jedenfalls nötig brauchte, zu verdienen) oder dass mir vor Aerger die Worte im Halse stecken geblieben sind, ich muss wohl keine rechten Worte der Entschuldigung ge funden haben. Der Gerichtshof zog sich zurück, kam wieder und verkündete, weil ich so geduldig, wollte sagen noch unschuldig, also noch nie vorbestraft sei, wollte man mir mildernde Umstände zubilligen, und ich war zu 10 M. Geldstrafe und Tragung sämtlicher Kosten, die nicht zu knapp waren, verurteilt. Ich hatte im ersten Moment die Absicht, Berufung einzulegen, schliesslich hatte ich von der Sache aber doch genug und denke: bezahlst. Als unbestrafter Mann war ich hineingegangen, als bestrafter kam ich heraus, und da ich bis dahin noch nie mit den Gerichten zu tun hatte, bitte mir die Schilderung zu erlassen, wie mir zu Mute war, als ich den blauen Himmel wieder sah. Mein Freund, welchem ich die Sache am Abend erzählte, und der mitunter in die Zukunft sieht, meinte übrigens, ich solle noch froh sein, dass ich so weggekommen sei. Ich hätte unter Umständen noch zur Zahlung einer grösseren Entschädigungssumme an die Wöchnerin verurteilt werden können. Schliesslich muss ich gar noch für die Erziehungskosten des Kindes aufkommen, wenn der Vater nicht bekannt ist. Ich beruhigte mich auch wieder, wachte von nun an mit Argus augen über alles, was mich mit der Behörde hätte in Konflikt bringen können, und es ging bis Ende vorigen Jahres ohne weitere Strafen ab. Doch das Unglück schreitet schnell, und ebenso schnell schreitet ein Beamter des Gesetzes an einem Sonnabend nach unserem Kontor zwecks Revision, ob wir auch den Schluss am Sonnabend pünktlich /,6 Uhr stattfinden lassen. Ich selbst war an diesem Tage, wie überhaupt stets in letzter Zeit, infolge Personenwechsels im Kontor beschäftigt und hatte noch gar keine Zeit gefunden, mich nach andern Dingen umzusehen. Da wir in der Fabrik die weib lichen Angestellten bereits um 41/2 Uhr aufhören lassen, und überall grösste Ruhe herrschte, führte ich selbst diesen Herrn mit grösster Liebenswürdigkeit durch die verschiedenen Räume und da, ich traute meinen Augen kaum, kommen in einer Abteilung doch noch zwei Arbeiterinnen zum Vorschein, die mit dem Besen in der Hand noch ihren Arbeitsraum bearbeiten. Der Herr Beamte nimmt seine Uhr heraus, welche 5,87 zeigt, und der Vorfall wird unter Bedauern notirt. Was für Zeit der Beamte hatte, ob Normalzeit oder hiesige oder andere, habe ich leider nicht feststellen können. Bemerken möchte ich nur, dass wir selbst in der Stadt zwei öffentliche Uhren haben, Rathaus und Kirche, und sollte der Herr seine Uhr nach diesen gerichtet haben, so könnte es sein, dass es auf dem Rathaus 6,37, auf der Kirche 6,30 war, diese beiden Uhren differiren ständig miteinander. Welche Zeit mag der Herr nun zugrunde gelegt haben? Es sei nun, wie es sei, es handelt eich hier lediglich um einige garnicht richtig festzustellende Minuten. Ich schicke die zwei Mädchen nach Hause und erkundige mich über den Vorfall. Da höre ich nun von dem diesen Leuten vorgesetzten Lager chef, dass diese Leute zu einer eiligen Kommission etwas länger als sonst in Anspruch genommen worden seien, doch ist ihnen die An weisung geworden, nicht länger als 5,80 da zu bleiben, sie sollten, wenn sio nicht fertig werden mit dem Reinigen, es am Montag früh machen. Obwohl mir dieser Vorfall höchst unangenehm war, und nun schon wieder 8 Wochen seit der Zeit vergangen waren, glaubte ich diese Angelegenheit als erledigt betrachten zu können. Aber soll man es für möglich halten, gestern erhalte ich eine Vor ladung, dass ich am 7. Februar 1903, 1/212 Uhr, als Verklagter zu er scheinen habe. Im unentschuldigten Ausbleiben Verhaftung oder Vorführung. Es ist das Hauptverfahren eröffnet und die Verhandlung und Entscheidung auf Grund § 75 des Gerichtsverfassungs-Gesetzes und § 146 Abschn. Gewerbe-Ordnung dem Amtsgericht in X. über wiesen. »Er ist hinreichend verdächtig, die und die Arbeiterinnen am Sonnabend, den 29. November, nach 5'/ a Uhr beschäftigt zu haben. Vergehen nach §§ 137 J. und 146 Z. 2. Gew.-Ordn.« Ich bin mir wirklich nicht klar, ob derartige Vergehen überall so schwer geahndet werden. Also ich habe wieder die Aussicht, einen Tag meiner kostbaren Zeit zu verlieren. Das Amtegericht ist 2 Stunden von uns entfernt, ich muss unter Umständen ein Geschirr ausrüsten, das 5 bis 6 M. kostet. Wer entschädigt mich dafür, selbst im günstigsten Fall eines Freispruchs. Gibt es keinen andern Weg für die Regierung als diesen? Ordnung muss sein, und ich erkenne dies auch an. Aber ich sollte meinen, wenn für derartige erste Vorkommnisse eine Ordnungs strafe vorgesehen wäre, würde diese dieselbe Wirkung tun, und jeder wird stets bestrebt bleiben, weiteren Konflikten aus dem Wege zu gehen. Hier möchte man fast sagen: Herr, beschütze uns vor unsern Freunden, mit den Feinden werden wir selbst fertig. loh sehe die Zukunft schon ganz grau. Wie lange wird es dauern, da ereignet sich wieder etwas. Wieder eine Gerichtsverhandlung. Schliesslich gehöre ich zum Schluss zu den bestbestraften Individuen in der Ge meinde, obwohl ich bis dato keinem Menschen etwas zu Leide ge tan habe. Wäre ich Fechtbruder geworden und hätte etwas Glück bei dem Geschäft gehabt, unter Umständen wäre ich auch die letzten 2 Jahre mit zwei Strafen weggekommen. Nun, die dritte will ich noch ab warten, dann will ich es mir aber doch einmal ernstlich überlegen, ob es nicht ein Plätzchen gibt, an dem es sich ruhiger arbeiten lässt. Oder man hängt den Fabrikanten an den Nagel und wird Arbeiter, wo man schliesslich mehr Recht auf Schutz hat. Und dies geschieht in Sachsen, wo uns die Behörde nach An sicht vieler Herren im Reichstag mit Glacehandschuhen anfasst! E. Nachschrift: Nach zweitägiger Verhandlung erfolgte Freispruch. An einem Tage war es jedenfalls nicht möglich, diese hochnotpeinliche Angelegenheit zu erledigen! Zur Verhandlung waren nötig: mein Lagerchef, ich selbst, fragliche zwei Mädchen für einen Tag und ein Arbeiter von 2 Maschinen, den ich als Zeugen mithatte. Es gingen also ziemlich 8 Tage Arbeitszeit verloren, und ich muss die Leute bezahlen. Jede Verhandlung brauchte samt Wartezeit 8—4 Stunden, der Weg hin und her 8 Stunden, und dies Alles um 7 Minuten! E. 2. Nachtrag: Soeben erhalte ich von meinem Rechtsanwalt die Nachricht, dass der Amtsanwalt gegen den Freispruch Berufung ein gelegt hat. Ich habe also mit vier meiner Leute nochmals einen Feiertag in Aussicht. Dies ergibt wieder einen Verlust von 5 Arbeits tagen für mich, ausserdem muss ich zwei Maschinen still stehen lassen. E. Probenschau Unter dieser Ueberschrift werden alle von Beziehern der Papier-Zeitung eingesandten Muster von Erzeugnissen des Papier- und Schreibwaren - Faches die Neues oder Bemerkenswertes bieten, kostenfrei beschrieben KQnstler-Osterpostkarten von Grimme & Eempel Akt.-Ges. in Leipzig. Diese neue Serie umfasst 8 Karten, welche mit feinen lithografischen Buntdrucken geschmückt sind. Junge Mädchen im Kostüm der Biedermeierzeit sind im Spiel mit Hasen, Lämmern und Kücken abgebildet. Die Farben sind sehr zart abgetönt, und da nur helle Töne verwendet wurden, sehen die in Form eines Ovals begrenzten Drucke recht ansprechend und hübsch aus. Die technische Herstellung ist vorzüglich. Handkolorirte Haidepostkarten der Schulze’sehen Buchhandlung (Chr. Bachmann) in Celle, Grosser Plan 4. Diese Lichtdruck karten sind durch die Wahl der Bilder und durch die sorg fältige, mit feinem Verständnis ausgeführte Handkolorirung hervorragend. Die freundlichen alten Dörfer sind im Rahmen blühender Bäume abgebildet, auch der prächtige Wald und die mit Strauch- und Baumwuchs durchsetzte Haide zeigen sich auf den Karten in ihrer buntesten Form, d. h. in der Blütezeit. Gummirglas „Top“, DRGM 189 207 von Carl Stigler, Freiburg im Breisgau. Bei den gebräuchlichen Gummitöpfen ist ge wöhnlich nach kurzer Zeit der Verschlusskork festgeklebt. Er bricht dann beim Herausziehen ab, Teilchen des Korks fallen in den Leim und verunreinigen diesen. Die Oeffnung wird innerhalb kurzer Zeit durch das Abstreiehen des Pinsels verengert, da der trocknende Klebstoff sich im Hals des Glases festsetzt. Das neue Gummirglas »Top« will diese Uebelstände durch seine Form beseitigen. Wie nebenstehendes Bild zeigt, hat das Glas zylindrische Form, die oben in einen abgestumpften Kegel übergeht. Die Oeffnung misst etwa 2 cm im Durch messer und hat eine messerscharfe Kante, an der mau den Pinsel fast bis zur Trockenheit abstreichen kann. Hierbei kann sich die Oeffnung durch antrocknen den Klebstoff nicht verkleinern, da die Form des Glases das Anhaften des Klebstoffes in der Oeffnung unmöglich macht. Der Pinsel kann während der Arbeit gegen die Innenseite des kegel förmigen Oberteils gelehnt werden. In dieser Stellung ist er gegen Hineinfallen in das Glas vollständig sicher und braucht doch nicht jedes Mal abgestrichen zu werden. Der Stiel des Pinsels kommt mit dem Leim nicht in Berührung und bleibt sauber. Eines Ver schlusses bedarf es nicht, da die Oeffnung nur mässig weit ist. Der mitgelieferte Kork ist nur für den Transport bestimmt. Der Gummirtopf wird seiner eigentümlichen Form wegen eher weggeschoben als umgeworfen und fliesst, wenn [umgestürzt, bei halber Füllung nicht aus.