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Sonntag, den 7. Juli 1901. 2. Beilage. bell-Bannerman zeitigen wird. batte. Campbell Bannerman ergreift hierauf das Wort und erwidert, die dem gesunden Menschenver- stand entsprechenden Anschauungen von Lloyd Ge orge seien die der großen Mehrheit des Volkes. Kohlen trugen; zu Haufen lagen sie in den Straße» und wurden unter den Wagenrädern zu Fetzen, al ler Verkehr wieder begann. Unter den mannigfache» gesetzt werden solle. Es seien, sährt Brodrick fort, in den letzten drei Monaten befriedigende Fortfchritte in lehrsamkeit. Die hölzernen Stereotypplatten der kost- ' barsten Werke dienten zum Barrikadenbau, die Schätze der Litteratur wurden in Sümpfe getaucht, zum Löschen gebraucht, und als sie faulten, vergraben,- Kisten ans Kampherholz, welche die einzigartige Encyclopädie dec Aung-lu enthielten, fanden, mit Erde gefüllt, Verwen dung in den VertheidigungSwerken. Der Wind trug Hanlin-Aufsätze umher, litterarische Kuriosa dienten den Soldaten und in den Küchen als Brennmaterial, >en Kulis als Unterlage auf ihre Achseln, wenn sie Die -Mesische« Wirre«. Der aus Württemberg stammende, derzeit in Frank furt a. M. nach lOjährigem Aufenthalt in China statio- nirte Missionar Flad von der BaSler Mission schreibt im „Stuttgarter Eo. Sonntagsblatt" über Chinas De- müthigung: „Entweiht ist auch der Himmelstempel. Kaum je berührte ihn der Fuß eines Fremden: sofort bei ihrem Eintritt besetzten ihn die Engländer. Die chinesischen Hüter wurden »erjagt, schwarzbraune Sikhs bezogen ihre Posten an den Thoren, und nun konnte man bis zur luftigen Terrasse hinauffahren, welche zum dreifachen, himmelblauen Dom, dem Abbild des dreifachen Himmels, sührt. Das große Gebäude, welches den Ahnentafeln der Mandschudynastie geweiht ist, wurde gleichfalls er öffnet. Es enthält an der Nordseite eine Niesentafel, dem Kaiserlichen Himmel geweiht, und acht Schreine — 4 auf jeder Seite — für die 8 Kaiser, welche während der 256 Jahre seit der Thronbesteigung durch Shun Tschih regiert haben. Diese Schreine wurden aufgebrochen und die acht Tafeln der Ahnen von englischen Offizieren weggenommen zur Ueberführung nach dem britischen Mu- eum in London — gleichsam zur Strafe für die Be- sandlung, welche die Chinesen den Fremden zu theil werden ließen: sie haben dort alte Trauerweiden abgesägt, Grabsteine pulverisirt, Gräber geöffnet, Leichen verbrannt. W«S hier mit diesen Ahnentafeln geschah, das ist vielleicht der betäubendste Schlag, welcher gegen das System der lhnenverehrung je geführt worden ist." Am schmerzlichsten »erührt der Umstand, daß die geliebten eigenen Lands- eute, die Boxer, das „Allerheiligste" in den Staub getreten haben. Nördlich von der britischen Gesandt- chast erhoben sich vor dem Fall die berühmten Ge bäulichkeiten des Hanlin, der die kostbarsten Schätze der chinesischen Litteratur aus allen Zeiten barg und das Zentrum der Gelehrsamkeit des Reiches bildete. Sie bedrohten die Sicherheit der eingefchlossenen Euro päer, eS wurde aber gegen den Vorschlag, eines seiner Häuser niederzulegen, Protest erhoben, da solcher Frevel am „Heiligsten Bau Chinas" die Gefühle der Regie rung verletzen würde. Was die Fremden in überzarter Schonung nicht thaten, geschah durch die Hand der Landeskinder: gleich bei Beginn der Belagerung wurde der Hanlin durch kaiserliche Soldaten in Brand gesteckt, damit das Feuer sich auf die Gesandtschaften übertrüge. Es gelang zwar den übermenschlichen Anstrengungen der Belagerten, des Feuers Herr zu werden; aber die Trümmer von 20 Hallen — nur 2 sind stehen ge- blieben — bedeuten das Ende der konfuzianischen Ge- Der Krieg «« TraaSvaal. Ueber das Leben in einem Burendorfe zur Kriegs zeit erzählt die „Londoner Daily News": Der kleine Flecken Mooitfontein liegt im Schatten der MagalieS- vergzüge fern den belebten Straßen. ES ist ein in den Anfängen steckendes Dörfchen, 38 oder 40 Häuser unregelmäßig im Walde erbaut. Tine winzige Kirche mit spitzem Thürmchen steht in der Mitte. Em Laden und eine Hufschmiede machen das geschäftliche Leben aus. Bor dem Kriege war die Bevölkerung etwa 300 Köpfe stark, 60 davon Erwachsene, der Rest Weiber und Kinder. Heute besteht die Bevölkerung aus 120 Köpfen. Als der Krieg begann, gingen die Männer fort, dann, als der Einbruch kam, folgten die Jungen, dann die Weiber. Erst wenn der Krieg zu Ende ist, wird man erfahren, wie viele Weiber ihren Tod aus Die Regierung wende nach Ansicht der großen Mehr heit der Opposition verkehrte Mittel an. Der einzige Weg zu einer befriedigenden Beendigung dieses Krieges sei der, dem Feinde versöhnlich entgegenzukommen. Redner fordert das HauS auf, gegen den Satz Ein spruch zu erheben, daß England die Buren ohne Gnade und Rücksicht niederschlagen müsse. Allerdings müsse der Krieg zu erfolgreichem Ende gebracht werden; die Herbeiführung dieses Endes müsse aber durch ver- ähnliche und freundliche Haltung beschleunigt werden. Balfour bemerkt hierauf, Campbell Bannermann habe ch ja selbst als auf Seite der Buren stehend, be- eichnet. Campbell-Bannermann erhebt Einspruch gegen ie Bezeichnung „kro-Loer", worauf Balfour den Ausdruck zurücknimmt. Balfour führt darauf weiter aus, manche Mitglieder des Hauses zeigten sich sehr um die Frauen und Kinder der Buren besorgt, thäten aber alles, waS sie könnten, um den Krieg in die Länge zu ziehen und dadurch Leiden über die un- chuldige Bevölkerung zu bringen. Die Buren rühmten ch, daß sie in England eine große Partei zu ihren Künsten hätten, welche schließlich die Geschicke des leicheS bestimmen und den Buren ihre Unabhängig. keit geben werde. Nach Schluß der Debatte wird die weite Lesung der Anleihebill mit 267 gegen 87 Stimmen angenommen. — Die Mehrheit für das kabinet war übe wältigend, aber fast nur die Hälfte der Mitglieder des Hauses war anwesend, und eS ist nicht zu erkennen, wie viel Liberale mit der Majorität gestimmt haben. Der Zug in der Partei aber scheint doch nach links zu gehen. Die Versammlung der liberalen Partei findet am Dienstag statt. Man glaubt, daß sie ein einstimmiges Vertrauensvotum für Cap- Gestaltungen der Nemesis, welche die Erhebung gegen die Fremden in China zur Folge hatte, nimmt wohl da- Sch'cksal der uralten und berühmten Hanlin-Vuan die erste Stelle ein. Dazu kommt der Schlag, den- die Ahnenverehrung erlitten hat. Kein Gott hat die Fremden gestraft, welche das Gebäude des Himmels. tempelS besetzten, das die kaiserlichen Ahnentafeln ent- hielt. Die Tafeln sind in das britische Museum über- geführt worden. Im Tempel des Ackerbaues, dessen Geräthschaften als Heizmaterial benutzt wurden, befand sich daS Stabsquartier deS 9. und 10. amerikanischen Infanterie-Regiments. Sämmtliche Archive der chine sischen Zivilverwaltung wurden auszeräumt und jhre Bücher auf freiem Felde von indischen Shiks verbra »nt Auch die tausendjährigen Archive des Ceremoniea mteS deren Schriftstücke einen unschätzbaren Werth für die Regierung hatten, wurden den FlammA« ausgeCesert. „Die chinesische Reformpartei", so schreibt der China- kenner Arthur Smith, „weint diesen ehrwürdige» Ee- schichtsblättern keine Thräne nach, da gerade sie eS waren, deren Einfluß China in den Banden einer ver alteten Weltanschauung festhielt". * * * Dem jetzt im 3. ostasiatischen Infanterieregiment dienenden Oberleutnant Barlach ist in China eine ganz eigenartige Auszeichnung zu Theil geworden. Nach Landessitte verlieh ihm nämlich eine chinesische Gemeinde für die Rettung eines Langzopfes vom Tode des Ertrinkens einen Ehrenschirm aus prachtvoller Seide. Der Offizier hat diese Auszeichnung seinem früheren Regiment „Königin" in Flensburg (Schles wig) geschenkt. WaS wird aus unseren Chinakriegern ? Diese Frage beantwortet man dem „Berl. Tgbl." wie folgt: Die Dienstunbrauchbaren werden pensiönirt auf Grund und nach Maßgabe des Gesetzes vom 31. Mai 1901, sofern bei ihnen „KciegSinvalidität" anerkannt ist. Die Tropendienstunfähigen scheiden gänzlich aus, wenn sie aus irgend welchen Gründen (Strafverbüßung, wegen vorübergehender Krankheit) vor Ablauf ihrer Dienst verpflichtung in die Heimath zurückgeschickt werden, ferner wenn sie ihrer Dienstpflicht genügt haben und endlich bei Auflösung oder Verminderung von Truppen theilen des Expeditionskorps. Die noch in der Er füllung ihrer gesetzlichen aktiven Dienstpflicht befind- lichen Mannschaften werden von dem betreffenden Gardetruppentheil, dem sie zuerst überwiesen werden, ihrem früheren Truppentheil zugeschickt, woselbst sie bis als Gefangene fpazieren führt. Fest steht nunmehr, daß die Führer der Buren einig find, den Kamps um die Unabhängigkeit der Republiken bis zum letzten Athemzuge fortzusetzen, und so ist daS Ende der Krieges nicht abzusehen. In England mehren sich aber die Stimmen, die für die Beendigung deS blutigen und grausamen Krieges eintreten. In den Kreisen der Liberalen ist sogar eine Spaltung eingetreten, nachdem sich der Führer Campbell-Bannerman für größere Versöhnlichkeit den Buren gegenüber ausgesprochen hat. Am Donnerstag kam eS im Unterhause zu einer großen Debatte. Wie wir bereit- mitgetheilt, hatte Hicks Beach auf Grund amtlicher Depeschen dargelegt, daß die sämmtlichen Burenführer erklärt haben, für ihre Unabhängigkeit, die sie nie aufgeben würden, fortkäm pfen zu wollen. Ueber die Fortsetzung der Debatte wird telegraphisch berichtet: London, 5. Juli. Auf die Rede Hicks Beach folgt eine sehr erregte Debatte. Lloyd George greift die Politik der Regierung in Südafrika an und be- spricht die Gefahren, welche ihr entspringen. Hierauf bedauert Brodrick, welcher unter vielfachen Unterbrech ungen von Seiten der Iren spricht, Den Ton der Keden von George und anderen, welche geeignet seien, den Krieg zu verlängern. Er theilt mit, daß Botha vor kurzem von Lord Kitchener die Trlaubniß erhal ten habe, an den Präsidenten Krüger Chiffretelegramme abzusenden; als die Antwort eingetroffen war, sei unter dem 20. Juni eine von Burger und Steijn unterzeichnete Mittheilung ausgefertigt worden, welche den Passus enthalten habe, Präsident Krüger habe er klärt, daß er und die Burendeputation noch immer der festen Zuversicht feien, der lange Kampf werde in befriedigender Weise beendet werden und daß nach den Opfern an Gut und Blut der Krieg fortgesetzt werden müsse; was ihn und die Burendeputation betreffe, so seien alle Schritte gethan worden und würden alle Schritte gethan werden, um für die Frauen und Kin der, sowie für die Kriegsgefangenen zu sorgen. Ferner sei, fährt Brodrick fort, in einer Versammlung, der der Führung deS Krieges gemacht worden und die Regierung werde sich der verbrecherischen Thorheit nicht schuldig machen, auf Geheiß der Opposition heute Bedingungen zuzugestehen, welche sie im vorigen Jahre nicht bewilligt hätte. Schließlich spottet Brodrick über daS Schweigen Campbell BannermanS in dieser De- dem Schlachtselde gefunden haben. Fernab von der einen Seite deS Dorfe» ist die Kaffernniederlassung. DaS ist ein bevölkerter Fleck. Die Eingeborenen zählen mehrere Hundert und ihre Zahl wächst beständig. Bor dem Kriege gingen die Kaffern ruhig und anständig >urchS Dorf, jetzt reiten sir lärmend ein, stoßen offene Thüren auf und brüllen den Frauen drinnen häßliche Schimpfworte zu, denn sie haben ihre Nacken aus dem rüheren Joch gezogen und mißbrauchen wie alle thie- rischen Naturen ihre Freiheit. Die Frauen antworten nicht, aber sie bewachen ihr Dorf tagtäglich so, wie ein Mann, der neben einem Vulkan wohnt. Die Ge- ähr kann eine- Tages kommen, aber sie werden nicht um vorbereitet sein. Jede Frau nn Dorfe hat eine Flinte und einen Speer und sie wird ihn gebrauchen, wenn nöthig, erst gegen den Feind, dann vielleicht gegen sich selbst, und der feige Schwarze weiß daS und es hält ihn in solcher Entfernung. Drei Männer sind noch im Dorfe. Steinalte Leute, die theilnahmslos vor den Häusern sitzen und rauchen. Die Kinder spielen zusammen vor den Häu fern und die Weiber schauen zu. Zuweilen sagt dann ein Weib zum ander: n: „Aber der Bube ist groß, er könnte sicher eine Flinte tragen!" Und die Mutter schluck« einen Seufzer hinunter und sagt: „Ja, ich glaube auch!" Dann rufen sie den Jungen und die Mutter sagt: „Willst Du auch gehen und für das Land kämpfen?" und der Bube von 12 bis 14 Jahren wird sagen: „Ja!" Zwei Tage darauf wird er ein Pferd besteigen, um zum näch sten Commando zu stoßen, und eine Flinte weniger wird für die Schwarzen da sein, aber ein Streiter für da« Vaterland mehr. Zuweilen kommt «in Trupp Buren, um frische junge Pferde zu holen, und wenn er wieder fort- reitet, stehen die Weiber in den Thüren und spähen hin ter ihnen her, bis der Horizont sie aufnimmt. Es währt lange, lange, denn Meile über Meile »hne Unterbrechung dehnt sich das offene Veldt aas. Dann gehen sie trau rig hinein, knieen zusammen nieder und beten, daß das Uebel fallen möge auf di«, von denen diese, Krieg aus. ging und die das ihnen theuerste Land auf GotteS Erde in Schutthaufen verwandelten. Keine englischen Truppen sind bis jetzt im Dorfe erschienen. ES ist fraglich, ob sie überhaupt von seiner Existenz wissen, aber schließlich wer den sie doch kommen. , * In Südafrika kommen die britischen Truppen nicht vom Flecke, e« sei denn, daß Botha oder de Wet oder Delarry einen Theil von ihnen veiiagt oder London, 5. Juli. Nach Brüsseler Nachrichten hielt Präsident Krüger bei der Abreise von Kämpen ine lange gegen die englische Politik in Südafrika erichtete Rede. Nach einem Hinweis auf den Einfall Jamesons erklärte er England ausschließlich verant wortlich für das Blutvergießen in Südafrika. Die üngsten Berichte BothaS und anderer Burenführer «oben Krügers Hoffnung auf einen günstigen AuS- ang deS Kriege» erhöht. Pretoria, 4. Juli. Meldung deS Lord kitchener: Oberst Grenfell hat am 1. Juli bei )opewell 93 Buren gefangen genommen, 56 Wagen, 00 Gewehre und große Mengen Munition von dem Kommando Beyer- erbeutet. Ein Bur wurde ge- tödtet. Die Engländer hatten -eine Verluste. ß Ster». Novelle«« von Ida von Conring. (Nachdruck verholen.) Schon zum zweiten Male war die große Dame in Trauer an der elenden Torfstecherhütte vorüber ge- gangen und hatte, den zögernden Schritt anhaltend, sekundenlang sehnsüchtig hinübergeblickt. DaS Kinder- Häuflein vor der schiefen Thür vrängte sich ängstlich zusammen. Jedes von ihnen suchte in feinem Ge- oächtniß, ob es vielleicht eine Unthat auf dem Kerb- Kolz habe, al- da sind: auf dem Schulwege ringe- schlagene Fenster, gemauste Aepfel, gelegentliche Stein- würse einem mißliebigen Hunde beigebracht. Aber nein — eS war in der, letzten Wochen nicht» der- artige» geschehen — so mochte die Dame gerne her- Überblicken und sogar näher treten, wie sie da» auch jetzt that. „Mutter, se kummt!" rief der große dunkelhäutige Junge, der seine Geschwister ein Stück überragte. „Mutter, se kummt wahrhaftig her." Die Frau schob den Säugling von der mageren Brust zurück, ordnete ihr Kleid und erhob sich schwerfällig, der nahenden Dame mit einem Gemifch von Mißtrauen und Be wunderung entgegenfehend. Die Ab<ndsonne warf ihre-fchrägen Strahlen über die kleine Gruppe — in diesem rothen Lichte erglühte da» blasse Gesicht der Dame in mädchenhafter Frische. „Sie haben viele Kinder, liebe Frau," begann sie stockend, „eS muß Ihnen gewiß schwer werden, die kleine Schaar zu ernähren." Die Frau begann, nach Art der Leute au» dem Volk, eine lange, durch Thränen unterbrochene Litanei von Klagen, Jammern und unwesentlichen Nebensachen herzuzählen, au» der die Dame nur herauihörte, daß acht lebendige und vier tote Kinder, die baufällige Hütte und der geringe unsichere Verdienst an allem Elend schuld seien. Ganz abgesehen davon, daß das Wohnen hier so ungesund sei — wegen der feuchten Dünste, die das Moor entsende. Frau Reichhardt legte einen Moment schmerzhaft aufzuckeud die Hand vor die Augen. Acht Kinder am Leben! In ihrer Stimme bebten verhaltene Thränen. „Ich bin Witwe und habe kürzlich mein einziger Kind, einen Knaben, verloren. Run möchte ich emS von Ihren Kindern mit mir nehmen — mein HauS ist so schrecklich leer und öde geworden. Nur ein-, wenn Sie'» mir vertrauen wollen. ES sollte e» gm bei mir haben." Und der Blick der Dame blieb sehnsüchtig auf dem rosigen Baby Haft n, da- fest schlafend auf dem Schoße der Mutter lag. Mit einer unwillkürlichen Bewegung preßte die Frau da» Kindchen an sich. „Die» nicht, gnädige Frau, die- ist noch zu klein- Aber, wenn Sie wirklich ein gute» Werk thun wollten, hier," — sie zog einen der widerstrebenden Knaben mit raschem Griff au- der Gruppe der neugierig lauschenden Kinder. „Walterchen, gieb der Dame die Hand — er kann hier absolut die Lust nicht vertragen. Immer hat er Fieber, wächst nicht und ißt nicht." Mathilde Reichhardt starrte erschreckt auf daS blutlose, wächserne Kindergesicht, dessen schmerzlich ver zogene Lippen vergeben- ein Wort zu formen versuchten. Uebergroße, dunkelbraune Augen sahen angstvoll zu ihr empor; sie wendete sich rasch ab. Sie wollte ein gesunder Kind — eine-, da- lachte und tollte, wie ihr prächtiger Bube eS gethan, da- fröhliche- Leben in da» stille Hau» brächte. Die» Kind würde mit seinem LeidenSgefichtchen ihr da» Herz noch schwerer machen. Und sie wandle sich zum Gehen. Aber nach einigen Schritten kam sie zurück. Hatte sie nicht ein gute» Werk thun wollen — ein Werk, darüber sich ihr Engelchen im Himmel freuen würde? Vielleicht konnte sie erst die» elende Geschöpfchen gesund pflegen und dann ein andere», eine», da» ihr besser zusagte, zu sich nehmen. Also gut. Sie beugte sich zu dem Knaben nieder: „Willst Du mit mir gehen, Walterchen?" Da» Kind nickte schüchtern. Niemand konnte er messen, wie sehr da» schwache Geschöpf durch die derben Scherze der Brüder, unter der schweren Hand de» rohen Vater» litt. E» wollte gerne fort — die Mutter kümmerte sich ja doch nur um die Gesunden. DaS kranke Kind war im Baterhause jedem zur Last gewesen. Nun war Walter schon ein Vierteljahr im Reich- hardt'fchen Hause. Seine Bäckchen hatten sich em wenig gerundet und einen Schein von Farbe be kommen; daS heftige Fieber, daS den kleinen Körper bisher täglich geschüttelt, war fast ganz gewichen, und ein wenig gewachsen war er auch. Sein neuer Aufent- halt erschien ihm paradiesisch. Die Kirchenstille in den hohen, Hellen Räumen that seinem müden Köpf chen wohl. Den großen, parkartigen Garten mit den zeheimnißvoll rauschenden Bäumen durchirrte er lang- am, zagenden Schotte- immer von neuem und ruhte tundenlang bei den großen Fsntainen aus. Wie ge- «annt sah er ihrem Falbenspiel zu und lanschte dem ansten Plätschern, mit dem der schimmernde Wasser- trahl in sein Marmorbassien zurückfiel. Ja, e» war ein Paradies für Klein-Walter und, bis aus «in Geschöpf, kam ihm dort alles freundlich entgegen. Diese Ausnahme war N ro, der große Hund des verstorbenen Knaben. Der Nero war eS gewöhn», von derben Fäustchen schonung-loS gezaust und geliebkost zu werden, und täglich als Reitthier und Spielgefährte zu dienen. Einst waren die beiden Freunde im Garten umhergetollt, ohne die kostbaren Blumenbeete zu schonen; der eine in überquellender Lebensfreude aus voller Kehle singend, der andere, das lustige Lied mit tiefen Bellen begleitend. Ja, daS war doch noch Leben gewesen! Dies bleiche, matte Kind aber umschlich der riesigk Neufundländer mißtrauisch am ersten Tage und sah erstaunt auf, als Walter in verzweifeltes Angstgeschrei ausbrach. Der große Hund machte förmlich ein be- leidigte- Gesicht dazu. Ihm zuzutrauen, daß er im stände wäre, so einem elenden Geschöpfchen ein Leid zu thun, welche Thorheit! Von Stund an hatte er für Walter nur verächtliche Seilenblicke und kam ihm nicht mehr zu nahe. Der Knabe aber b.hielt die fort- währende Todesangst vor Nero und wagte sich nie allein in ein Zimmer, wenn er den Hund darin wußte. Frau Reichhardt hatte an ihrem Pflegesohn wenig Freude. Seine müden Bewegungen, seine Furchtsam keit machten sie ungeduldig. Ein widerwilliges Mit leid war aller, WaS sie für ihn erübrigen konnte. Eines Tage- kam sie von einem AuSgange zu rück. Sie blieb in der offenen Thüre der Veranda stehen und sah Walterchen im Park, von Nero bellend in großen Sprüngen umkreist. Der Hund mochte sich alter Zeiten erinnern und versuchte augenscheinlich noch einmal, da» Kind zum Mitspielen zu bewegen. Walterchen'aber stand da, kreideweiß, furchige- lähmt und rang die kleinen Hände in einander — mit angstvollem Blick verfolgte er die Bewegungen des Thiere». Plötzlich sah er die Frau Reichhardt. Mit einer Schnelligkeit wie nie zuvor, verfolgt von dem laut bellenden Hunde, stürzte er auf sie zu. Wie außer sich warf sich das scheue Kind in die Arme der Frau, dar Köpfchen verbarg er an ihrem Halse und seine zittern- den Lippen drückte er wieder und wieder aus ihre Wange. ES ward Mathilde so seltsam zu Mutke, als sie das zarte, warme Leben an ihrer Brust fühlte, so eigen, als sei ihr etwas Kostbares, Ersehntes geschenkt. Und mit einemmal wußte sie, daß in diesem Augenblicke daS schutzsuchende, zitternde Kind d«K Bann gesprengt hatte. ES war an ihrem Herzen ihr eigen geworden. auch Botha, de Wet, Delarry und andere Führer der Buren beiwohnten, eine Resolution gefaßt worden, in^ welcher erklärt wird, daß kein Friede geschloffen oder! angenommen werden solle um den Preis der Aufgabe! der Unabhängigkeit der Buren oder der Jnterefsen der Kapholländer, und daß der Krieg aufs lebhafteste fort- UkMiMHUer Amtsblatt.