Volltext Seite (XML)
AUFGABEN DES LANDESMUSEUMS UND DES LANDESAMTES FÜR VORGESCHICHTE UND IHRE VERWERTBARKEIT FÜR DIE HEIMATMUSEEN UND DIE ALLGEMEINE ERZIEHUNGSARBEIT Gekürzter Auszug aus einem Vortrag anläßlich einer Tagung der Museumsleiter Sachsens im September 1949 in Wurzen Von Werner Coblenz Die Vorgeschichte ist als Teil der Geschichte für die großen Entwicklungszüge der Menschheit wesentlicher als die kurze Epoche geschriebener Jahrhunderte, für die sie ja erst die Voraussetzung bildet. Durch die Art ihrer Quellen ist sie zunächst einmal reine Kulturgeschichte, die allerdings politische Zusammenhänge im großen Rahmen deuten kann. Es fehlen ihr jedoch die Namen und Taten von Einzelpersön lichkeiten und deren Machtbestrebungen. Damit ist der Vorgeschichtler gezwungen, in überpersönlichen Zusammenhängen zu denken und die großen Entwicklungs gesetze aus dem Fundmaterial abzuleiten. So scheiden aber auch die Fehlerquellen aus, die durch beabsichtigte und unbeabsichtigte Färbung der Chronisten erstehen mußten, ob ihnen nun wenigstens teilweise der Spruch „Wes Brot ich ess’, des Lied ich sing’“ bewußt war oder nicht. Die Fehlerquellen der Vorgeschichte liegen dagegen dort, wo neben die Unvollständigkeit und den Zufallscharakter des Fundstoffes eine zu weit gehende Subjektivität in der Deutung der Sachgüter tritt. Es soll hier nicht weiter erläutert werden, daß die Zeitansetzungen für die einzelnen Entwicklungsstufen mit einem geringen Spielraum Allgemeingut der Forschung geworden sind, da für die jüngeren Perioden seit den letzten vorchristlichen Jahr hunderten die Datierung durch Münzfunde und Berichte gesichert ist, die weiter zurückliegenden zwei Jahrtausende viele Verknüpfungen mit den östlichen und süd östlichen bereits „geschichtlichen“ Kulturen ergeben, für die beiden erörterten Zeit räume durch Export und Import über große Räume eine weitere Sicherung gewähr leistet wird und in der allgemein „geschichtslosen“ Zeit geologische Hilfsmittel bis zur Abzählung der einzelnen Jahresablagerungen zur Verfügung stehen. Dazu kommen für die Eiszeiten die astronomischen Berechnungen der Strahlungsintensität der Sonne. Immer wieder wird das gewonnene Zeitgerüst durch Fundstellen mit Überlagerungen von einzelnen Kulturen geprüft und bewiesen. Das Nacheinander der verschiedenen Stufen belegen außerdem gesicherte Entwicklungsreihen von Gerättypen und ähn lichem. Die möglichen Schwankungen in der Zeitansetzung werden so immer geringer und die zeitliche Untergliederung immer feiner und vielseitiger. Die Ordnung der Funde nach Form und Zeitstellung ist jedoch nur die vorbereitende Arbeit unserer Wissenschaft und die erste Etappe von der Fundbergung zur richtigen Auswertung, das heißt zur Erkenntnis der kulturellen Verhältnisse und Entwick lungen auf allen Gebieten des Lebens. Die Versuche des vergangenen Reiches, die Vorgeschichte für seine politischen Zwecke nutzbar zu machen, mußten von Anfang an auf den Widerstand der Forschung stoßen und waren deshalb zum Scheitern ver urteilt. Es muß immer wieder betont werden, daß jede Wissenschaft im Grunde ge nommen ein Wahrheitsuchen sein sollte, und daß die wissenschaftlichen Quellen nicht umgestaltet werden können. Dazu ist auch die Vorgeschichte so gut fundiert und sind ihre Ergebnisse so allgemeingültig geworden, daß die gewonnenen Zusam menhänge von keinem Fachmann geleugnet werden können. Kein Forscher kann, ohne seinen Namen aufs Spiel zu setzen, die wissenschaftlich begründeten Grenzen überschreiten. So mußte von Nichtfachleuten und Außenseitern ein Geschichts-