Volltext Seite (XML)
4. Die Gärten der Bauern, die dem Familienleben, der Nutzung und der Verschönerung der Hofstätte dienen, sind vom Dorfanger und Verkehrsraum durch Hecken zu trennen oder abseits anzulegen. In ihnen ist die Kultur altüberlieferter Bauernblumen, Küchen- und Heilkräuter zu pflegen. Das gilt auch für die Berankung der Häuser. Echter Wein ist eine ausgezeichnete Berankungspflanze, die in harten und ertrag reichen Sorten zur Verfügung steht, wie die vom Main über Krakau hinausreichenden fränkischen Siedlungen zeigen. 5. Die Grabmal - und Friedhofgestaltung soll wür diger Ausdruck der Ahnenverehrung und artgebundener Volks- und Naturfrömmigkeit sein. Germanischer Anschauung und altüberkommener Sitte entspricht die Schaffung von Ahnen- und Familiengräbern auf eigener Flur, und nur, wenn dies aus irgendwelchen Gründen hygienisch-technischer Art, wie zu hohe Grundwasserstände oder Quelllagen, nicht möglich ist, auf dem Totenacker der Dorfgemeinschaft. Diese Stätten, an denen Natur und Glaube sich begegnen, sind so anzulegen und zu pflegen, daß sie Höhepunkte schlichter Landschaftsgestaltung sind. Je nach Lage und Stammesart sollen sie eine eigene ört liche und persönliche Note haben. Die Friedhöfe sollen in der Nähe des Dorfes in würdiger Umgebung, nicht irgendwo abseits auf Unland, liegen. Baum und Grab gehören zusammen. Für die Bepflanzung von Familiengräbern auf eigener Flur und von Friedhöfen für die Dörfer kommen nur heimische Holzarten wie Eiche, Linde, Birke, Esche, Eibe, Wacholder und anderes immergrünes Nadel holz in Frage. Die Grabmäler des Dorffriedhofes sollen einfach, handwerklich echt und in ihren Ausmaßen und Formen würdig und gediegen sein. Geschmacklose Erzeugnisse der Kunststein-, Zement- und Metallindustrie sind ebenso wie auffällige Baustoffe und Pflan zungen zu vermeiden. Die an den meisten Orten noch übliche Ausrichtung der Gräber nach Osten ist eine Einführung des Mittelalters und heute endlich überholt. G. Auf Anlage und Pflege desSchulgrüns ist größ ter Wert zu legen. Die Schule hat im Rahmen ihrer großen Erziehungsauf gaben Natur- und Heimatliebe zu wecken und die heranwachsende Jugend mit der Pflege von Bäumen, Sträuchern und Blumen vertraut zu machen. Alle Schulen müs sen deshalb ausreichend große und grüne Plätze in unmittel barem Anschluß an die Gebäude erhalten, die den Kindern außerdem einen gesunden Aufenthalt ermöglichen. Für den Winter genügen kleinere Hartplätze. Ferner soll zu den Erzie hungsstätten ein Arbeitsgarten gehören, der dem biologischen Unterricht und der Anzucht und Pflege von Nutz- und Zier pflanzen, Beerensträuchern, Obstbäumen und Waldgehölzen dient. 7. Die Flächen für die Leibesübungen sind vorwie gend als Rasenanlagen auf geeigneten, für das Wasser abzugs fähigen Böden zu gestalten. Die Pflanzungen sollen nicht als Zieranlagen dienen, sondern einfach und würdig den Sport flächen entsprechend räumlich angeordnet sein. Landschaftliche Möglichkeiten sind hierbei voll auszunutzen. Planken. Holzschuppen und häßliche Behelfsbauten sind unstatt haft, Steilböschungen und Erdwälle zu vermeiden. 8. Bei den Höfen in Einzellagen ist die Beachtung der landschaftlichen Gegebenheiten und die Grüngestaltung beson ders wichtig. Die wechselnden Größen und Lagen der Höfe erlauben Mannig faltigkeit der Gestaltung. Die guten Vorbilder aus dem Nord westen und dem Süden des Altreiches können wertvolle Anhalts punkte geben. In jedem Falle ist die Hofstatt in einen Grün rahmen von Bäumen, kleinen Baumgruppen und geschlossenen Gärten einzubetten. Größere Höfe können als selbständige Ein heiten behandelt werden, während kleine an Dörfer oder Weiler durch Reihen aus halbhohen Bäumen (zum Beispiel eßbaren Vogelbeeren, Most- oder Holzbirnen, Birken) blickmäßig ange schlossen werden sollen. 9. Eine Müllabladefläche ist bei jeder größeren Sied lung vorzusehen, auf welcher sonst nicht verwertbare Abfälle und Kehricht im tiefen Rigolvorgang untengebracht und mit genügend Mutterboden überdeckt werden. B. Landstädte 1. Die Landstädte sind in ihrem Grünwesen dem Lande zugewiesen und haben sich dementsprechend organisch der Landschaft einzufügen. Ein ausreichend großer und räumlich gestalteter Bürgergarten mit Sitzplätzen ist vorzusehen. Auf den Stadtplätzen sind kost spielige Wechselbepflanzungen zu vermeiden. 2. Das Außengrün dieser Städte soll weitgehend in der Nutzung bleiben. Aus Bürgergärten, Wiesen, Weiden, Wald und Waldstreifen gestaltet sich das äußere Stadtgrün. Ziel strebige und in das Land hinausführende Wanderwege sind sinnvoller als Zierpflanzen. Natürliche Landschaftsschönheit, die von der Stadt in einfacher Form durch schattige Wege er schlossen wird, stellt den besten und billigsten „Volkspark“ dar. Am Rande der Stadt sollen nur solche Siedlungen erstehen, die das Stadt- und Landschaftsganze nicht stören. 3. Für diese städtischen Siedlungen gelten die für die dörflichen Schulen, Sportplätze und Friedhöfe gegebenen Anweisungen sinngemäß in gleichem Maße. C.Uebrige Städte Die landschaftlichen und gärtnerischen For derungen der größeren Städte sind besonders ge wichtig, da sie der gesundheitlichen und seelischen Pflege der Stadtbevölkerung dienen. Ueber die Grüngestaltung der Groß-, Mittel- und Kreisstädte werde ich daher noch besondere Richt linien herausgeben. Städtische Naherholungsgebiete, die in die freie Landschaft übergreifen, sollen dem Leitbild der bäuerlichen oder forstlichen Umgebung in bester Form angeglichen sein Mit „Alleebäumen“ der üblichen Art bepflanzte Straßen er geben keine volle Deckung gegen Flieger- und Erdsicht. Nur Einzelpersonen können unter den Baumkronen und hinter den Baumstämmen Deckung gegen Sicht nehmen. Keine Dek- kungsmöglichkeit gegen Flieger und Flachbeschuß. Kein we sentlicher naturwirtschaftlicher Wert. Keine Ausweichmög lichkeit gegen Sicht und Beschuß. Niedrige Schutz Pflanzungen neben den Straßen ergeben gute Deckung gegen Erdsicht, aber keine Deckung gegen Fliegersicht. Deckung gegen Beschuß ist je doch kaum vorhanden. Keine Ausweichmöglichkeit gegen Fliegersicht und Beschuß. Bereits größere naturwirtschaft liche, aber geringe holzwirtschaftliche Bedeutung. Hohe Schutzpflanzungen, die Straßen überwölben und doch an den Seiten dicht sind, geben Deckung gegen Flieger- und Erdsicht. Keine Ausweichmöglichkeit gegen Be schuß. Große naturwirtschaftliche Bedeutung. (Abbildungen aus der in der Deutschen Landbuchhandlung Sohnrey & Co., Berlin SW 11, Hafenplatz 6, erschienenen „Landschaftsfibel" von Prof. Heinrich Fr. Wiep- king-Jürgensmann.) 71