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( Verkündungsblatt der Gartenbau-Berufsgenossenschaft, Sitz Cassel, der Gärtnerkrankenkasse, Sitz Hamburg, des Gartenbau-Verbandes für den Freistaat Sachsen und der Vereinigung deutscher Nelkenzüchter. und die mit ihm verwandten Zweige. Wochenzeitschrift des Verbandes deutscher Gartenbaubetriebe. Hauptgeschäftsstelle: Neukölln-Berlin, Bergstr. 97-98. Fernsprecher: Amt Neukölln 1123. Postscheckkonto Berlin 2986. Bezugspreis für Deutschland und Deutsch-Oesterreich 80 Mk. jährlich, für das Ausland je nach Währung, Preis der Einzel-Nr. 2 Mk. Mitglieder des „Verbandes deutscher Gartenbaubetriebe“ erhalten das „Handelsblatt“ kostenlos. Auszüge aus dem Inhalt des „Handelsblattes“ nur unter ausführlicher Quellenangabe, der Nachdruck ganzer Artikel nur nach besonderer Genehmigung der Hauptschriftleitung gestattet. Nr, 23, Neukölln-Berlin, 9, Juni 1922. 37. Jahrgang, Gartenbau und Blumenkunst. Jahrhundert-Ausstellung der D, G. G. vom 30 August bis 18. September 1922 im Schloßpark Bellevue in Berlin, Man muß den Mut bewundern, der in heutiger Zeit dazu gehört, eine so großzügige Ausstellung durchzuführen, wie sie die deutsche Gartenbaugesellschaft im SchToßpark Bellevue in Berlin vom 30. August bis 18. September trotz aller entgegenstehenden Schwierig keiten und Hindernisse veranstalten wird. — War schon die zähe Energie, die vom Präsidium der Gesellschaft während der Unter handlungen mit den in Frage kommenden Behörden wegen der Überlassung des Ausstellungsgeländes an den Tag gelegt wurde, bewundernswert, so muß man erstaunt sein über die Arbeitsfreude, die, nachdem endlich in letzter Stunde die Platzfrage erfreulicher weise in günstigem Sinne erledigt war, einsetzte. Der deutsche Gärtner kann stolz sein darauf, daß es noch Männer gibt, die dem Ideal des Berufes dienen und den für den Verbrauch von Blumen so nötigen Idealismus, der in breiten Volksschichten im Aussterben begriffen ist, zu neuem Leben ansachen. Mit dem Stolz auf solche Männer allein darf sich der Berufsgärtner aber nicht begnügen, er muß selbst treibendes Glied im Kampf ums Dasein werden, nicht im Schlepptau des Idealismus darf die deutsche Erwerbsgärtnerei segeln, sondern sie muß selbst • Triebkraft sein. Wirtschaftliche Vorteile bringt jede Ausstellung, darüber herrscht überhaupt kein Zweifel, und in heutiger Zeit bringt jede Ausstellung Vorteile, mehr als je zuvor. , Wir müssen uns zum Erfolge durchringen. Merken wir denn nicht täglich am eigenen Leibe, mit wie scharfen Zangen die Zeit den Gärtner zwickt? Drum: „Frisch auf Gesell und säume nicht“. Wehr dich deiner Haut, deutscher Gärtner, wer nicht Hammer ist, wird im Leben immer Amboß bleiben. Kopfarbeit tut uns not! Denken muß der deutsche Gärtner lernen. Denken und Handeln. Er muß erkennen, daß der Fort schritt von ihm durch Gemeinschaftsarbeit erstrebt werden muß. Er muß streben, den Berufsstand zu heben. Der deutschen Erwerbsgärtnerei kann ein'e glänzende Zukunft erblühen, wenn der Gärtner will. Wir müssen die Auf merksamkeit der Behörden usw. auf uns lenken. „Donnerwetter, die deutschen Gärtner machen sich aber raus“, muß es in Zukunft heißen. Ist der Wille erst einmal lebendig und der Anfang gemacht, dann wird uns auch Beachtung an allen Stellen, mit denen wir zu sammen arbeiten müssen, vielmehr als bisher geschenkt werden. Nicht fünftes Rad am Wagen wollen wir sein, sondern das Leitseil des Wagens selbst in die Hand nehmen und träge Rosse aufmun- tern. Wir müssen! Und noch einmal: W i r m ü s s e n uns auf uns selbst verlassen, auf unsere Kraft, auf unsere geeinte Kraft, die nicht nur in der schweren körperlichen Arbeit liegt, die jeder ein zelne zu leisten hat, sondern ganz besonders in unserer gemein samen Arbeit. Deutscher Gärtner lerne denken, gebrauche den dir zur Verfügung stehenden Verstand. Beteilige dich nach deinen Kräften an Fachausstellungen, be suche solche Veranstaltungen, du lernst dabei deine Zeit verstehen, und wirst durch den Verkehr mit Kollegen manche Anregung mit nach Hause nehmen, die dir später noch von großem Nutzen sein kann. Wer es irgend möglich machen kann, muß die Jahrhundertausstellung in Berlin besuchen, -dt. Die Räumung von Werkwohnungen nach der Mieterschutzgesetzgebung. Von Justizrat Hartwig in Berlin. Ein Mitglied des Verbandes in D. hatte dringend Veranlassung, . einen Gehilfen, dem die Heizung und der Wachtdienst in der Gärt nerei oblag, zu entlassen und seine Dienste, sowie die damit ver bundene Wohnung einem anderen Gehilfen zu übertragen. Der Betriebsinhaber rief das Mieteinigungsamt (MEA) an und bean tragte, ihm die Zustimmung zur Räumungsklage zu erteilen. Das MEA. erließ aber den Beschluß: Da der Vertreter des Beklagten zugibt, daß es sich bei den vom Beklagten bewohnten Räumlich keiten nicht um ein reines Mietverhältnis, sondern um eine Werk wohnung handelt, d. h. um eine Wohnung handelt, die lediglich als eine Art Deputat des Arbeitnehmers angesehen wird, so ist die Anrufung des Einigungsamts nicht zulässig; nicht das Einigungs amt ist zuständig, sondern das ordentliche Gericht. Der Betriebsinhaber hat daraufhin Klage erhoben und das Amtsgericht hat den Gehilfen zur Räumung verurteilt. Diese Ent scheidung des Amtsgerichts ist richtig; denn nachdem das MEA. durch Beschluß erklärt hat, es sei nicht zuständig, konnte und mußte das Amtsgericht eine Verurteilung des beklagten Gehilfen auch ohne die Genehmigung des Mieteinigungsamts zur Klage aus- sprechen. Es wird sich aber fragen, ob der Beschluß des MEA., daß die gewünschte Zustimmung nicht nötig sei, richtig ist; und diese Frage wird zwar sicherlich für den Ort D. vom'MEA. richtig beantwortet sein, kann aber für andere Orte anders beurteilt werden. Die Miet- und Wohnungsverhältnisse sind durch die beiden Gesetze vom 23. 9. 1918 geregelt, nämlich durch das Mieterschutz gesetz (MSchG) und das Wohnungsmangelgesetz (WMG), die beide inzwischen schon mehrfach wieder geändert worden sind. Der Zweck des ersten geht hauptsächlich dahin, den Mieter in seinem Mietbesitz zu schützen, der Zweck des WMG dahin, denjenigen Personen, die keine Wohnung haben, oder die die von ihnen bewohnte aufgeben müssen, zu einer Wohnung zu verhelfen. Beide Gesetze sind sogenannte Rahmengesetze, d. h. sie stellen für ihre Zwecke Mindestgrundsätze auf, die für das ganze Reich gelten, erteilen aber außerdem den Landesbehörden die Befugnis, für ihr Gebiet noch weitergehende Bestimmungen zum Schutze der Mieter und zur Be seitigung oder Einschränkung des Wohnungsmangels zu erlassen. Daraufhin hat denn auch jeder einzelne Staat für sein Gebiet b e - sondere Vorschriften getroffen; und da der einzelne Staat be fugt ist, auch den einzelnen Gemeindebehörden das Recht zu über tragen, für ihre Gemeinde Sondervorschriften zu treffen, so kann man sich denken, wie verschiedenartig die im ganzen Reiche erlassenen Vorschriften sind. Ueber die oben aufgeworfene Frage ist nun folgendes zu sagen: Nach § 6 des MSchG, kann die Landeszentralbehörde für den Be zirk einer Gemeindebehörde, in dem sich ein besonders starker Män gel an Mieträumen geltend macht, anordnen, daß die Vermieter von Wohnräumen, Läden und Werkstätten ein Mietverhältnis rechts wirksam nur mit vorheriger Zustimmung des Einigungsamts kün digen können, insbesondere, wenn die Kündigung zum Zwecke der Mietssteigerung erfolgt. — Von dieser Bestimmung haben sehr viele Gemeinden Gebrauch gemacht, unter anderen auch die Stadt gemeinde Berlin. Hier braucht also, wenn der Vermieter kündigt, der Mieter nicht erst beim MEA Widerspruch zu erheben, sondern der Vermieter muß die Zustimmung des MEAs schon vorher nach gesucht und erwirkt haben. Aber diese Vorschrift wird wieder da durch hinfällig gemacht, daß das MEA. in Berlin und auch wohl in vielen anderen großen Städten die Zustimmung ohne weiteres blos auf den Antrag des Vermieters durch eine einstweilige Ver fügung erteilt, weil sich nämlich die Kündigungen zum April und zum Oktober derart häufen, daß sie nicht rechtzeitig vor dem Räumungstermin erledigt werden können. Wegen der Unzahl der Anträge auf Zustimmung zur Kündigung haben die MEAe. in Berlin vor einiger Zeit sogar davon abgesehen, einstweilige Ver fügungen für jeden Einzelfall zu erlassen und haben ganz allge mein durch Veröffentlichung im Gemeindeblatt und an den Säulen ihre Zustimmung für sämtliche angemeldeten Kündigungen insge samt erteilt. Die Folge ist dann allerdings, daß die Verhand lung über die beantragte Zustimmung zur Kündigung erst viel später, regelmäßig erst lange nach der in der Kündigung verlang ten Beendigung des 'Mietvertrages stattfinden kann. Ferner bestimmt der § 5a des MSchG.: Machen sich infolge besonders starken Mangels an Mieträumen außergewöhnliche Miß stände geltend, so kann die oberste Landesbehörde die Gemeinde behörden auch zu anderen als den in den §§ 2 bis 5 bezeichneten Anordnungen und Maßnahmen, insbesondere zu Eingriffen in die Freizügigkeit sowie in die Unverletzlichkeit der Wohnung und des