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No. 34. Berlin, den 22. August 1901. XVI. Jahrgang. Eigenthum des Verbandes der Handels gärtner Deutschlands, Organ des Gartenbau-Verbandes für das Königreich Sachsen, herausgegeben un r Mitwirkung der hervorragendsten Fachmänner des In- und Auslandes. Das „Handelsblatt für den deutschen Gartenbau etc.“ erscheint am Donnerstag jeder Woche. Abonnementspreis für Nicht-Verbandsmitglieder in Deutschland u. Oesterreich-Ungarn pr. Jahrgang 8 M. 50 Pf., für das übrige Ausland 10 M., für Verbandsmitglieder kostenlos. Verantwortlicher Redakteur: F. Johs. Beckmann in Steglitz-Berlin. Verlag: Verband der Handelsgärtner Deutschlands, eingetragen auf Seite 179, Band IV, des Genossenschaftsregisters des Königl. Amtsgerichts zu Leipzig Die Stellung der Handelsgärtnerei zur Landwirthschatt und zum Gewerbe bezw. Handwerk.*) Vorsitzender C. van der S missen - Steglitz: Wil kommen zu den Anträgen, welche allgemeine Verbandsangelegen heiten betreffen. Ich halte nun die Zeit für gekommen, wo wir den Punkt 21 der Tagesordnung vornehmen und bitte Herrn Beckmann, sein Referat zu halten. Ich bitte, recht aufmerksam zuzuhören ; es ist ein sehr wichtiges Thema, das uns alle reichlich beschäftigen wird. Beckmann: Ich werde genöthigt sein, Ihre Aufmerksamkeit eine ziemliche Zeit in Anspruch zu nehmen. Ich muss noch dazu bemerken, dass der erste Theil dieser Schrift schon ausgearbeitet war, ehe das in jüngster Zeit angekündigte Werk des Allgemeinen Deutschen Gärtnervereins: „Die sozialen Rechtsverhältnisse der gewerblichen Gärtner in Deutschland“ erschienen war. Ich habe dieses Werk vor acht Tagen erst bekommen, es war nicht eher er schienen. Ich habe zu einzelnen Stellen dieses Artikels einiges aus der Broschüre noch benutzen und Randbemerkungen machen können; bei der ganzen Arbeit bitte ich aber berücksichtigen zu wollen, dass namentlich bei dem ersten Theil dieser Schrift mir die Broschüre nicht zur Verfügung gestanden hat. In dem heute von Ihnen entgegengenommenen Jahres bericht ist bereits die Nothwendigkeit betont worden, die heute überall in Deutschland unter den Berufsgenossen im Vordergund stehende Frage der Stellung der Handels gärtnerei zur Landwirthschatt einerseits und zum Gewerbe und Handwerk andererseits einer ernsthaften Besprechung zu unterziehen, und kein Ort ist wohl geeigneter hierzu, als die Hauptversammlung unseres Verbandes, durch deren Theilnehmer alle Gegenden Deutschlands vertreten sind. Schon lange Jahre hindurch ist die unsichere gesetzliche Stellung der Handelsgärtnerei in den verschiedentlichsten Fragen bitter empfunden worden, die Thatsachen, dass über das Wesen, über die Zugehörigkeit unseres Standes, *) Von den Verhandlungen in Dresden werden zunächst dieser Punkt der Tagesordnung sowie die Schutzzolldebatte veröffentlicht werden, der übrige Theil des Berichts wird sich diesem anschliessen. die verschiedenartigsten Begriffe herrschen, ist durch zahlreiche, sich einander widersprechende gerichtliche ürtheile hinreichend erwiesen. Dass derartige Zustände platzgreifen konnten, und dass sie, davon können wir felsenfest überzeugt sein, auch in Zukunft weiter bestehen, und nicht durch allgemein giltige gesetzliche Bestimmungen verhindert werden, das hat seinen Grund in der Ver schiedenartigkeit unseres Standes, in seinen mannigfaltigen, mitunter direkt zu einander im Gegensatz befindlichen Zweigen, die trotz ihrer Verschiedenartigkeit, doch wie die Räder eines grossen Getriebes immer wieder in ein ander greifen und zu einander gehören. Mit diesem Aus nahmezustand der Gärtnerei, der in dem ganzen Gebiete des Handels und der Gewerbe nicht seines Gleichen wieder hat, wird auch in Zukunft zu rechnen sein und hier für alle Zweige gleichmässige gesetzliche Bestimmungen zu schaffen, an diesem etwaigen Versuch muss und wird die Kunst der Gesetzgebung scheitern. Dass nun dieser Ausnahmezustand mit seinen zwischen Landwirthschaft und Gewerbe schwankenden Eigenschaften kein Idealzustand ist und schon mancherlei Unbequemlich keiten für den Einzelnen im Gefolge gehabt hat, dem ist ohne Weiteres zuzustimmen. Als nun 1896 eine Neu organisation des Handwerks und der Handwerkskammern, sowie die Bildung der Landwirthschaftskammern begann, da tauchte auch zum ersten Male die Frage einer Or ganisation der Gärtnerei in unserem Verbände auf. Gerade die obengekennzeichneten Verhältnisse mussten zwingend zu dem Gedanken führen, durch eine geschlossene Organisation den verschiedenartigsten rechtlichen und sozialen Fragen der Gärtnerei gegenüber Stellung nehmen zu können, und sie in wünschenswerther Weise zu ver treten. Es wurde an eine Zwangsorganisation in Form von Gartenbaukammern gedacht, welche aus einzelnen Fachgenossenschaften bestehen sollten, die ihrerseits wieder mit Unterstützung von Gehilfenausschüssen obliga torische und fakultative Aufgaben, wie u. A. Regelung des Lehrlingswesens, Lehrlings- und Gehilfenprüfungen,