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Ole Garkenbauwlrkschaft Nr. 88. 4. II. 1927 der Standardgedanke sich durchzusetzen zum Heile der ^bstzüchter, die lange widerstrebten. Im Außenhandel der ungarischen Obstbauer spielt vor allem die Aprikose eine große Rolle. Wenn die Witterungsverhältnisse günstig sind, kann Ungarn zirka 50 000 Ur aus den Markt bringen und dasür ettva 1,75 Millionen Gold kronen erlösen. Dazu kommen aber noch beträchtliche Mengen, die im Jnlande kon sumiert werden bzw. in die Konservenfabriken wandern. Hauptabnehmer sür ungarische Apri kosen sind Oesterreich (1926: 31253 6r), Deutschland (6755 är) und die Tschechoslowakei (4553 är). In Kirschen hat Ungarn eigentlich nie sehr große Geschäfte gemacht, obwohl sich immer gute Absatzmöglichkeiten — auch im Aus land« — boten. Dagegen wären Stachel und Johannisbeeren ein noch besserer Artikel, wenn nur genügend Ware stets zur Verfügung stände. Die ungarischen Kollegen haben aber scheinbar an diesen Früchten nicht das rechte Interesse, obwohl sie doch eigentlich wenig Arbeit machen. Es scheint aber an Jungsträuchern zu fehlen. Wenig beachtet wer den auch Erdbeeren und H imbeercn. Um so größeren Erfolg hatten die ungarischen Züchter mit ihren Aepfelu. Dank den schon oben erwähnten Maßnahmen konnten recht statt liche Exportersolge erzielt werden. Ein Fehler ist nur, daß nicht genügend Sommcräpfet zur Verfügung stehen, nach denen ständig Nach frage herrscht. Wenn auch 1926 70 000 clr tveniger zum Export gelangten als im Jahre vorher, so erzielte inan aber sür die 120 326 O2 2 722 000 Goldkronen, einen ganz anständigen Preis. Hier scheinen die eigentlichen Wurzeln der Kraft der ungarischen Gartcnüanwirtschast zu liegen, und es ist daher kein Wunder, wenn gerade dem Aepfel- und Birnenexport die größte Aufmerksamkeit geschenkt wird, schon aus dem einfachen Grunde, weil es sich hier ja um ein Erzeugnis handelt, das bei einigermaßen«« Verpackung den anderen Obstsorten gegenüber fast unbegrenzt haltbar erscheint. — In Pflaumen wird sich das Geschäft auch noch steigern lassen; besondere Aufmerksamkeit wird man Reineclauden zuwcnden müssen. — Ein typisch ungarischer Artikel sind Zuckermelonen. Hierfür hatte man 1926 eine Anbaufläche von 5089 Joch und erntet« 185 389 är, an Wassermelonen sogar 778480 cir auf 15 313 Joch. Das Ausland interessiert sich allerdings für diesen Artikel nur wenig, so daß der größte Teil des Ertrages im Jnlande konsumiert werden muß. Der Artikel erlöst wenig und nimmt viel Platz weg. Allmählich wird er wohl von lohnenderen Früchten ver drängt werden. Ueberhaupt kann man die Beobachtung machen, daß es das Bestreben der ungarischen Gartenbesitzer ist, an Stelle der Massenproduktion Qualitätsware zu setzen — aus der richtigen Erkenntnis heraus, daß für die Ausfuhr ge arbeitet werden muß, nachdem das kleine Land sich als nicht ausnahmejähig genug erwiesen hat. Im Auslände aber stellt man hohe Ansprüche. «M2 »uc Atzung der Vereinigung der gärtnerischen Fachpresse Deutschlands e. V. Am 20. Oktober fand in Berlin eine Sitzung der Vereinigung der gärtnerischen Fachpresse Deutschlands e. V. statt, über deren Verlauf wir folgendes berichten: Nach Genehmigung der Niederschriften über die letzte Hauptversammlung und die voran gegangene Vorstandssitzung gab der Vorsitzende, Herr Dr. Knauer, einen Ucbcrblick über den Verlauf des internationalen Kongresses der Fachpresse, der vom 26. bis 29. September in Berlin stattgefunden hat. Weiterhin be richtete er über den Antrag der „Gärtnerischen Rundschau", als Mitglied in die Vereinigung aufgenommen zu werden. Die Aufnahme er folgte auf einstimmigen Beschluß der Ver sammlung. Die Aussprache über den folgenden Punkt der Tagesordnung, die den Annoncenexpeditio nen zu gewährenden Nabattsätze, ergab, daß eme Vertagung zur weiteren Prüfung dieser Angelegenheit zweckmäßig sei. Es wurde daher beschlossen, erst bei der nächsten Mitgliederver sammlung darüber weiter zu beraten. Ebenso wurde auf Antrag des Nebchsver- bandes des deutschen Gartenbaues e. V. ein stimmig die Beratung und Beschlußfassung über di« zukünftige Handhabung der Nnzeigen- kontrolle znrückgestellt, da durch die Verhand lungen des Reichsverbandes mit den maßgeben den Sonderzüchterverbänden eine Klärung der Angelegenheit angestrebt wird. Zur Anzeigen kontrolle wurde seitens des Neichsverbandes der Antrag gestellt: Von ausländischen Anzeigen dürfen lediglich Anzeigen sür Blumenzwiebeln (Hyazinthen, Narzissen, Tulpen und Scilla) mit Preisen erscheinen; alle übrigen ausländi schen Anzeigen dürfen keine Preisangaben ent halten. Der Antrag wurde einstimmig ange nommen. Nach längeren Ansführungen des Vor sitzenden über Fragen, die die gärtnerische Fach presse in letzter Zeit besonders berührt haben, und nach geschäftlichen Mitteilungen wurde die Sitzung geschlossen. Dr. Ehr. Die Vosen zur Hindenburgseler und der Reichsverband des deutschen Gartenbaues e. V. Unter dieser Ucberschrift bringt „Möllers Deutsche Gürtnerzeitung" in Nr. 30 eine Ver öffentlichung, die unsachliche und unzu- tr essen de Ausführungen über die Auswahl der Lieferanten sür die Ausschmückung des Reichspräsidentenpalais enthält. Es ist tief bedauerlich, daß sich Leute finden, die selbst die Hindenburgspcnde der deutschen Gärtner zum Anlaß nehmen, um Zwiespalt zu säen und gegen den Reichsvcrband zu arbeiten. Es ist bezeichnend, daß der „Herr Stand inhaber" seinen Namen verschweigt, und es ist bezeichnend, daß auch der „Herr Artikel- schreiber" seine Enthüllungen nicht mit seinem Namen zu decken wünscht. Wir geben zwar gern zu, daß mau mit recht großer Walwscheinlichkeit errateu kann, wer sich hinter dem Schleier des Anonyins versteckt; es würde doch aber auch unsere Mitglieder interessieren, dies« Vor kämpfer sür Recht nnd Freiheit kenncnzulcrnen. Herr Arthur Brandt, Mahlsdorf, hat uns brieflich „unter Bezugnahme aus den Artikel im Möller um näheren Aufschluß gebeten". (Bessere Regie, meine Herren!) Durch unseren Herrn Vorsitzenden ist ihm eingehende Auf klärung über die Vorgänge und über die Unhaltbarkeit der Auslassungen ein „Möller" gegeben worden. Die Vorschläge sür die Auswahl der Lieferanten erfolgten im Zusammenwirken mit der Verwaltung- des Reichsverbandes durch einen engeren Kreis an gesehenster Mitglieder, die den Verwaltungs rat und die Hauptgeschäftsstelle unterstützt haben. Die hinlänglich bekannte Einstellung des Herrn Gustav Müller, des verantwort lichen Schriftleiters von „Möllers Deutscher Gärtnerzeitung", macht es unnötig, auf den Inhalt dieser Veröffentlichung noch näher eiuzugshen, da es ja Herrn Muller gar nicht darauf anzukommen scheint, eine sachliche Auseinandersetzung zu bewirken. Erst vor Wochen hat der Reichsverband ja Herrn Müller auf Grund seiner Anzapfungen in der Siedlungsfrage gestellt und ihn tu Erwiderung seiner „sensationellen" Aus- sührungeu gebeten, einige Behauptungen auch zu beweisen; aber er hat bis heute peinlich ver mieden, unsere Fragen sachlich und ein deutig zu beantworten. Dasür hat er es aber sür notwendig gehalten, in übelster Weise persön lich zu werden. Aus dieses Gebiet folgen wir Ihnen nicht, Herr Müller, wir erkennen darin Ihre Ueberlegenheit und Meisterschaft gerne an. Wir sind auch gar nicht geneigt, Ihr Fachblatt „interessant" zu machen. Wenn Sie das Ver fahren, das sich früher im „Möller" und in der „Berliner Gärtnerbörfe" wohl angelassen haben soll, nachahmen wollen, dann bedauern wir, daraus verzichten zu müssen, berufliche Streitfragen von Zeitung zu Zeitung mit Ihnen zu klären. Wir stellen Ihnen deshalb zunächst erneut unsere Fragen aus Nr. 65 der „Gartcnbauwirt- schaft" zur Beantwortung: 1. Wo hat der Reichsverband seine Zu stimmung zu der staatlichen Siedlungs politik in Wiesnwor erklärt? 2. Welchs „erfahrenen und angesehenen Reichsverbandsfahnenträger" halten die „Siedlungspolitik des Neichsverbandes" zum Teil sür verfehlt? 3. Woher nimmt Herr Müller die Berechti gung, zu unterstellen, daß die seines Erachtens von dem Herr» Minister sür Landwirtschaft, Domänen und Forsten betriebene industrielle und großkapitalisti sche Entwicklung des Frühgemüsebaues „offenbar in Fühlung mit der Sied lungspolitik des Neichsverbandes" er folgte ? Zur Kennzeichnung der Einstellung der Gegenseite teilen wir unseren Mitgliedern noch folgendes mit: Von verschiedenen maßgebenden Persönlich keiten in Behörden und Körperschaften wurden wir davon unterrichtet, daß ihnen die Nr. 30 von „Möllers Deutscher Gärtnerzeitung" mit diesem Beitrag zur Hindenburgfeier zugestellt worden ist. Wir fragen: Wird di« so dringend notwendige weitere Stärkung des Ansehens unseres Berufes bei Behörden nicht aufs schwerste geschädigt, wenn derartige haltlose Behauptungsn, ohne daß man sich zuvor auch nur der Mühe einer Prüfung unterzieht, diesen maßgebenden Stellen aufgedrängt werden? Reichsverband des deutschen Gartenbaues e. V. Die Hauptgeschäftsstelle: F ä chmann. M!!!!ü»i!!1!!!!!!!!!!!!!!!!!!I!!!i!!li!!N!!!i!ü!^!!i»!!!!l!i!!U!!!»!!!!!!!!!ä!!!!!I!1!Mi!liW!!!!!l!!!!!!!!!!!U1!!!!i^ Zn Äsr nssksisn Wveks VsrdvstsISungsn sinü seksn zstrS srv,ün5ckt prvis L, kN. QuskunSL üLrsr SKNÄKsmeS 18VD Firmen ' Das ungelreue Liebespaar. Roman von Paul Oskar Höcker. Copyright 1927 by August Scherl G. m. b.H., Berlin. (18. Fortsetzung.) Als Burkert ein paar Tage darauf wütend über die Pfuscharbeit der Erdarbeiter-Kolonne auf den Hof zurückkam, faßte sie sich ein Herz und fragte ihn über Orge aus. „Wenn ich ihn sehe, dann muß ich immer an ein grün blasses Männchen im schmierigen Frack denken, das ich einmal in einer Nachtbar gesehen habe." „Wie kommst du Handvoll in eine Nacht bars „Das war in Danzig, als Tante Marlice nach, Aoppot suhr und ich nachkommen sollte, um die Kinder zu hüten. Onkel Fritz holt« mich vom Nachtzug ab, der hatte arge Ver spätung, und da lohnt' es nicht, daß man erst in ein teures Hotel ging. Und der häßliche kleine Nachtbarkellner dort, der hatte genau dieselben siechen Augen wie der Orge." Burkert Paffte dicke Wolken aus seiner kurzen Pfeife. „Er macht gar keinen Hehl daraus, daß er aus solchem Sündenstall herstammt. Georg Silvester Praust heißt er. Ich srage ihn nach seiner Mutter. Warenhaussiäulein, sagte er. Längst tot. Im Gefängnislazarstt ge storben. Vater kennt er nicht. Man müsse ihn vielleicht hoch hinauf suchen. Laug' seh' ich mir's nicht mehr mit ihm an. Er ist im Grunde arbeitsscheu, läßt sich von Zeit zu Zeit nur einstellen, um sich vor der Polizei ausweisen zu können. In der Zwischenzeit drückt er sich in Berlin bei dem Schieberpack in den Cafes und Bars und in den Versammlungen herum. Gesindel!" Utes Bangigkeit wuchs, je unwirtlicher es draußen wurde. Die Novemberstürme fegten heulend über die Mark. Die Havel, die Kanäle nnd die Seen wirkten unheimlich. Bei der Pflanzarbeit auf den freien Staudenfeldern der Großgärtnerei erklammten einem die Finger. Sie empfand es fchon als ein Glück, wenn sie einmal mit auf den Autolastwagen genom men wurde, um in den Gärten der entfernten Schlösser und Villen Mitarbeiten zu dürfen. Burkert hatte sich, weil sie anstellig und fleißig war, allmählich mit dem Gedanken, einen weiblichen Lehrbuben ausbilden zu müssen, ausgesöhnt. So kam sie gelegentlich auch auf Schloß Strahl, wo der große Wintergarten neu ein gerichtet werden sollte. Onkel Christian war nicht dabei. Er würde wohl über den Ton, den die Stiefelkönigin anschlug, verdutzt ge wesen sein. Mit nichts war sie zufrieden. Nirgends werde man so mangelhaft bedient wie im Hause Nitsche, sagte sie. „Sie war märchenhaft schlechter Laune," berichtete Ute und riß besorgt die braunen Augen auf, „ach, Onkel Christel, und dich hat sie auch nicht verschont." Aber er lachte nur darüber. „Ja, ich weiß, ich weiß, ich bin die Personifikation der Un zuverlässigkeit." „Sie wird es gewiß auch Fe schreiben", meinte sie und seufzte. „Ich hab' ihr all meine Schandtaten schon selbst gebeichtet", erwiderte er fröhlich. „Ihr schreibt euch?" rief sie ganz verblüfft. „Nur so hier und da ein Zettelchen." Mit offenem Mäulchen blieb sie eine Weile stehen. „Ist sie noch auf dem Schiff?" „Nein, am Bodensee hat das Wetter auch schon umgeschlagen. Sie trainiert jetzt für Kairo. Nach Neujahr fall sie doch da unten Mrs. Printer in den Golfmatches vertreten." „Und vorher kommt sie noch einmal zu uns?" Zu uns, sagte sie. Er lächelte. „Nach Berlin, ja. Sie wird da bei Freunden im Westen wohnen, am Olivaer Platz." „Nicht auf Schloß Strahl?" Ute trium phierte. „Dann ist alles gut!" Sie hörte den Signalpfiff von Burkert aus dem Kalthaus und wollte sich sputen. Aber er hatte noch eine Frage. „Stimmt es, daß Frau von Glon wieder auf Schloß Strahl zU-Besuch ist?" Eifrig nickte sie. „Ja, denke dir, Onkel Christian, und auf der Rückfahrt erzählten die Leute einander — ich hab' ja nicht alles so ganz verstanden — zwischen den beiden Strahls habe es einen bösen Streit gegeben, und erst gar zwischen Frau Theres und Frau von Glon — du ahnst nicht, was für Schlechtig keiten Frau Theres von ihrem Mann und Frau von Glon behauptet . . ." Er unterbrach sie. „Ach, ich ahne es Wohl, kleine Ute, aber wissen will ich's nicht, und du sollst kein« Kaffeeklatschtante werden, die alles brühwarm weiterberichtet. Also nimm die Beine unter den Arm und lauf zu Burkert, sonst kriegt er dich wieder beim Schlafittchen." „Ich gehe, ich gehe schon, Onkel Christian," rief sie schuldbewußt und lief zum Kalthaus hinüber. * N« fiel der erste Dezemberschnee. Auf Paretz nahm man sofort die Gelegenheit wahr, mit der Winterdüngung zu beginnen. Nichts Schöneres für den ausgesogenen Boden, als wenn die neuen organischen Kräfte mit dem schmelzenden Schnee ins Erdreich sickerten und Zuschüsse aus ozonreicher Himmelshöhe mit brachten. Die Arbeit riß auch jetzt nicht ab. Winterschlaf kannte man im Reiche Nitsches nicht. Christian war ein ganz neuer Mensch ge worden. Das merkte aber wohl nur Ute. Wenn er so des Abends hinter dem Reiß brett oder den Pflanzlisten saß, dann kam's plötzlich über ihn. Ein lustiger Zug um feine Lippen stellte sich ein, er griff nach dem Notiz block, sing an zu schreiben — eins seiner ,Zettelchen' —, und dann versank die ganze Welt für ihn. In die Stille hinein fragte sie einmal schüchtern: „Sagt ihr euch du?" Er brauchte ein Weilchen, um aus dem fernen Sässikon in das Paretzer Arbeits zimmer zurückzufinden. Dann pochte er sich an die Stirn. „Mädel — Ideen hast du!" Sie duckte sich sofort wieder auf ihr Buch und schwieg. Aber es war ihr nun irgendwie Wohler und freier. Die Zettelchen flogen jetzt in immer kür zeren Abständen zwischen Sässikon und Paretz hin und her. Manchmal enthielten sie nur ein paar Worte. Es stand also fest: Fe nahm die Ber liner Einladung an. Sie hatte Frau Breull, eine blutjunge Amerikanerin, an Bord der „Marion" kennengelernt. Frau Vivian war di« zweite Frau des Generaldirektors Breull. Sie bewohnten eine große Etage dicht am Kurfürstendamm, hatten reichliches Dienst personal, ein paar Autos, ihr Haus galt für sehr gastfreundlich, der ganze Kreis war, nach der jungen Frau selbst zu schließen, gesellschaft lich gehobener, als der von Schloß Strahl. Vivians Gatten kannte Fe noch nicht. Sie hätte, schon der Form halber, wieder einmal nach Dresden fahren sollen. Aber die Vor stellung, daß sie dann das Weihnachtssest mit dem jungen Ehemann ihrer Mutter mitfeiern mußte, war ihr zu peinlich. So schrieb sie denn nach Dresden, daß sie in den ersten Januartagen vor ihrer Abreise nach Kairo dort Station machen werde. Es trieb sie nach Berlin. Nicht eigentlich nach Berlin, sondern nach Paretz. Sie wollte es vor sich selber nicht wahrhaben. In ihren Zettelchen machte sie sich voller Uebermut lustig über seine unglaub liche Anmaßung: sie hielte es ohne ihn nicht länger aus. Aber als sie ihre Koffer gepackt hatte und auf Sässikon im großen, festlichen Gästekreis abgefeiert wurde, packte sie's plötzlich, sie eilte ans Telephon und diktierte dem Post- fräu'ein ein dringliches Telegramm: „Bin Don nerstag früh in Potsdam, muß gleich einmal Paretz revidieren." Und am Mittwoch abend wurde Christian, der am Reißbrett arbeitete, plötzlich durch das Klingelzeichen vom Amt aufgeschreckt. Er griff nach dem Hörer. „Fern gespräch aus Frankfurt!" hieß es. Tatsächlich: die Stimme von Fe. Ueber« mütig, ausgelassen klang's aus der kleinen Frankfurter Bahnhofszelle: „Elf Minuten Auf enthalt, bis mein Schlafwagenzug abgeht. Aber ich habe nur für drei Minuten bezahlt. Nun sagen Sie mir aber schlcuisigst etwas sehr Nettes, Christel Eyck." „Ei, ich muß mich von meinem Schreck doch erst erholen. Dachte doch, ich hätte noch zehn Stunden Zeit, um mich genügend vorzu bereiten. Ich hab' natürlich ein Gedichtchen auswendig lernen wollen." „Aha, Hymnus: „Hängt ihn auf, den Ehren kranz!" wie?" „Nein, in Sässikoner Mundart. Das ist doch noch genau dieselbe wie zu Walthers Zeit. Walther von der Vogelweide, Sie wissen." „Tandaradei? Bitte keine Ungezogenheiten." „Aber nein, Minnesangs Frühling: Ich bin bin, du bist min, des sollst du gewiß fin, du bist verschlozen in meinem Hcrzelin." „Jetzt haben Sie nur noch eine einzige Minute Zeit, Christel Eyck." „Gott, was es einem wohltut, Ihre arro gante, ungeduldige, lachende Stimme wieder zu hören!" „Noch eine halbe Minute!" „Verloren ist das Schlüzzelin, du muht ewig drinnen fin!" „Nein, bitte, Fräulein, nicht trennen, ich spreche weiter. — Sehr kostspielig die Unter haltung mit Ihnen, Herr Eyck." „Ich komme für alle Kosten auf, und wenn ich Wüstrow mit einer Hypothek belasten müßte. Haben Sie sich das Gedichtche^ gemerkt? Ach, bitte, wiederholen Sie's!" „Unmöglich. Was sollte sich das Frank furter Amtssiäulein denken? Hier zitiert man Kurse, aber keine Minnesänger. Werden Sie morgen mit dem Auto an der Bahn sein? So rund um neun Uhr?" „Das Auto kommt durch den Schnee nicht durch. Die Wege hier draußen sind noch nicht gefegt. Ich nehme die Skier." „Was, bei Ihnen schneit's? Famos. Haben Sie für mich auch ein Paar Skier? Dann lasse ich mein Gepäck auf der Bahn, und wir machen gleich eine Schnsefahrt." „Skilaufen können Sie auch? Ach, Fe, Sie haben sich tatsächlich zum vollendetsten Lebewesen unter Allvater Wotans Sternen himmel entwickelt." „Ich stelle dagegen fest, daß Sie noch genau derselbe geblieben sind, Christel Eyck." „Ist das so schlimm?" „Nein, ich freu' mich. Und jetzt Schluß. Ich wollte Sie nur mal wieder sprechen hören. Denn das mit dem Rendezvous in Potsdam ist ja Unsinn, Sie würden den Zug ja doch versäumen." „Keine sechs Minuten kann man mit Ihnen reden, Fe, ohne daß Sie die empörendsten Behauptungen aufstellen. Nun grade." „Das Fräulein trennt uns. Und richtig haben Sie die ganze teure Zeit nutzlos ver streichen lassen. Ich werde mich im Schlafwagen bemühen, die scheußlichsten Dinge von Ihnen zu träumen. Gute Nacht." „Gute Nacht, Fe." (Forts, folgt.) — nnnononi mooimitt Die bereits erschienenen Focrsetzungen können bei der Hauptgeschäftsstelle nachgefordert werde«.