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Beilage zn Nr. 23 der Sächsischen Elbzeitnng. Schänd an, Sonnabend, den 27. Februar 1909. An dik Klim, 8tWm md Wki!»kba! Wieder naht die Zeit, in der Tausende van jungen Menschenkindern die Schule verlassen um die Lehrjahre flir den Lebensberuf zu beginnen. Vielfach ist ja durch Fortbildung«- und Fachschulen dafür ge sorgt, auf Grund der iu der Schule erlernten Kennt nisse weitere Fertigkeiten für den künftigen Beruf zu erwerben. Wie aber steht es mit der so hochuötigeu ge sunden Entwicklung des Körvers? Einzelne Berufs arten verlangen von dem jugendlichen Körper eine energische Betätigung aller seiner Kräfte, und gut ist es. wenn dies in freier, frischer Luft geschehen kann. Aber bei den meisten Arbeiten wird der Körper nur einseitig beansprucht, — vielfach zwingt der Beruf zu sitzender Beschäftigung, und Licht und Luft der ArbeitSräume lassen viel zu wünschen übrig, und das zu einer Zeit, wo der jugendliche Körper in dauernder Entwicklung begriffen ist und Herz und Lunge ihr Wachstum vollenden sollen, in einer Zeit, iu der vor allem Uebung in frischer Luft so nölig ist, wenn nicht die Keime zu lebenslänglichem Siechtum gelegt werden sollen. Darum, Ihr Eltern, die Ihr Euch freuet, Eure Kinder, oft unter Mühen und Sorgen, für den Ein tritt ins Leben erzogen zu haben, denkt daran, daß die Gesundheit Eurer Kinder das höchste Gut ist, daß auch der volle Genuß am Leben nur dem gesunden Körper beschieden ist. Sorgt dafür, daß Eure Kinder nach dem Eintritt in die Berufsarbeit, Kraft und Gesundheit durch geregelte Leibesübungen sich er- halten! Haltet Eure Kuder an, daß sie sich einem Berein anschließen, der turnt und Jugeudspiele be treibt, einem Verein, der aber auch die Gewähr bietet, daß Eure Kinder gut aufgehoben sind. Als solche Vereine empfehlen wir Euch die der großen Deutschen Turnerschaft, in denen sie mit Alters genossen iu den altbewährten Uebungen des Leibes unterwiesen werden und im freien Spiele Jugend lust gcuießeu uud bei fröhlicher Selbstbestimmung das körperliche Gleichgeivicht gegenüber dem Zwange der Berufstätigkeit Herstellen k'öuuen. Durch Wande rungen unter beeigneter Führung wird der Sinn für die Schönheiten der Natur geweckt, iu deu ältereu Turueru siudeu sie eiu Vorbild uud Auhalt, uud das Bewußtsein einer so großen festgesngten Körperschaft anzugchöreu wird sie anspornen, sich dieser Zugehörig- keit uach jeder Seite hin würdig zu erweisen. Die Pflege vaterländischer Gesinnung m den Turnvereinen wird dazu beitragen, sie zu tüchtigen Männern und Bürgern zn erziehen! Ihr Lehrherren aber, gönnet Euren juimeu Arbeitern für ihre körperliche Erziehung 2—3 Std. wöchentlich und denkt daran, daß sie um so frischer und freudiger und leistungsfähiger bei der Arbeit sein werden, je gesunder und kräftiger sie sind. Denkt aber auch noch etwas weiter, Ihr 'Männer, die Ihr mitten im ringenden Leben steht! — Die heutige Jugend wächst anders auf, als wir ausgewachsen sind! Genußsucht uud Verlockungen drohen überall und körperliche Entartnng gehört nicht mehr, wie sonst, zu den Ausnahmen! Die heutige Zeit braucht Männer, mehr als je, Männer für den wirtschaftlichen Kampf, Männer, wenn es, — was Gott verhüten möge, — nölig sein sollte, das Vaterland, den heimischen Herd gegen übermütige Feinde zu ver teidigen. Sorgt dafür daß die Euch anvertraute Jugend sich durch Leibesübungen gesund erhält, gebt ihr die nötige Zeit dazu und bedenkt, daß die geringe Ein buße, die Ihr etwa dadurch erleidet, eiu Opfer für die Allgemeinheit, ein für das Deutsche Vaterland gebrachtes Opfer ist, vor allem aber ein Segen für unsere Jugend! Der Ausschuß der Deutschcu Turuerschast. Briefkasten der Redaktion. I . . . n. Viel zu lang, dabei derselbe Witz in jedem Verse Die erste Klagestrophc genüge voll kommen, die Betreffenden verstummen zu lasseu, aber beruhigen Sie sich, es wird sich schon niemand ge troffen fühlen. Bei einem Wirte wundermild, Da bin ich oft zu Gaste: Der Hausherr brüllt, die Hausfrau brüllt, Ich sitz' dabei und faste. Im übrigen trösten Sie sich mit dein schönen Verse von den Liedern und bösen Menschen. Al. B. Ein Verbrechen sind solche Gedichte nicht, eine Tugend aber auch nicht. Solange Sie jedoch das Dichten unter Ausschluß der Oeffeutlichkeit be treiben, ist es vollständig harmlos. I ... . r Lohmen. Erlkönigs Tochter. Nächtliche Ruhe lag über dem Wald Morgen kämmt bald Nordlicht so schön, wie es kaum zu sehn, Himmlisches Wehn! F. D. in H. schreibt: Liebe Redaktion! Einem hochpoctischeu Ergüsse, der sich vor 7 oder 8 Jahren im „Lübbenauer Wochenblatt" vorpfand, und der wohl verdient, dem Vergessen der Nachwelt entrissen zu werden, geben Sie vielleicht in Ihrer Zeitung Raum. Den vollen Namen des Spreewälder „Dichters" darf ich wohl verschweigen, da er, so viel ich weiß, noch unter den Lebenden weilt. Wünschen wollen wir es ihm jedenfalls! Aufmerksam machen möchte ich besonders auf die eils elegante, teils wuchtige Reimbildunq, welche ich in den beiden letzten Zeilen zu wahrhaft dichter- schem Pathos emporschwingt. Was den „Reif" in der 4. Strophe anbetrifft, so war dieser nicht auch ein Hund, wie der „Spitz" sondern es war tatsächlich iu der Nacht des versuchten Einbruchs ein „Reif in der Frühlingsuacht" gefallen, der seinerseits nach dem Wunsche des Dichters mit berufen sein sollte: „Hilfreich nnd tätig bei zu seiu, „Dem Täter auf der Spur zu seiu. Der Erfolg der beiden BernfSgeuossen soll leider ein negativer gewesen seiu. Auf deu geradezu klassischen Rythmus und die sympathische Anwendung von Worten, ivic „dem gemäß" und „indem" sei besonders hingewiesen. Es gibt doch noch Dichter im Laude, weuigstcus Naturdichter! Ein alter Freund. Schlechtigkeit ward ausgcübt Des Morgens um halb 3, Indem ein Fenster ruiniert Von einer groben Faust. Doch das Fenster war noch fest, Indem es nicht zerbrach, Nur die Scheibe ging kaput Von der Scheite Holz. Es wurde gleich ein Lärm gemacht Der Nachbarn rechts und links, Und demgemäß man kommen wird Dem Täter auf den Mnnd. Der treue Spitz und auch der Reif Die beiden sind in dem Beruf, Hilfreich und tätig bei zu sein, Den Täter auf der Spur zu seiu. Fr. . . . Kr Lübbenau-Campe Nr? Der Mann ist freilich unheimlicher Natura- uud Realist. Uebrigeus uach der „teils wuchtigen, teils eleganten Neimbildnng" snchten ivir vergeblich — wir fanden überhaupt keine Reime. — Besten Dank nnd Gruß. Lin Vollblut sind folgende Verse unterzeichnet: Könnt ich der Herde doch entrinnen! Doch überall hemmt sie den Weg, Stört mich im idealsten Sinnen, Kommt meinen Tränen ins Geheg! (Bitt' schön, gehören Sie einer Hammel-'oder einer Ochsenherde an?) Ha! frei zu sein und ungehemmt Von Herdenmenschen — plötzlich — schnell! Nicht mehr von Stumpfsinn eingedämmet: Ach, — wer ist noch originell?! (Lassen Sie sich doch grün anstrcichen, dann sind Sie jedenfalls originell) Ich fühls, ich paß nicht in die Herde! Apoll, in deinen Arm ich flieh, Auf daß ich nun dein Jünger werde, Ich weiß es, daß ich ein Genie! Na wissen Sie, als Genie sollten Sie sich aber genieren solchen Quatsch zu schreiben. Wermischtes. — Die verbotene Feuerwehr. Wunder same Geschichten, so schreibt ein Mitarbeiter des Mürz, geschehen nach wie vor da, wo sich die Regen von der Donau verschlucken läßt. Ich will eine da von, die sich in den letzten Tagen iu Regeusbucg zu- getrageu hat, wahrheitsgetreu erzählen. Kommt da eiu müderer Wauderer die Donau entlang und steht plötzlich am jenseitigen Ufer einen roten Feuerschein. Das Sägewerk von Horn steht in Flammen, dicht am Donauhafen, wo immer etwas Brennbares vor Anker liegt - vielleicht gar Petrolenmschiffe. Da der Wanderer gerade vor der Großbrauecei der Gebrüder Bergmüller augekommen ist, tritt er in deu Hof, nur die Leute aufmerksam zn machen. Aber siehe da! Die Dampfspcitze der Brauerei steht schon zur Abfahrt bereit, und hinter ihr faucht uugeduldig eiu Automobil mit Bedieunngsmannschafteü besetzt. Daucbeu aber wartet verzweifelt der Besitzer uud schaut iu einem fort zu einem Fenster im ersten Stock hinauf, hinter dem sein Bruder am Telephon steht. Was soll das alles? — Ganz einfach: Der Herr Bürgermeister von Regensburg will die Ec- lanbuis zum Abrückeu uicht gebeu, uud ohne Ec- laubuis des Bürgermeisters - so lautet eiu feier licher Beschluß des hochwohlweiscu Magistrats der Stadt Regensburg — darf die Pcivatfeuerwehr der Gebrüder Bergmüller uicht löschen. Ihr fragt, warum? Weil sie im letzten Jahr sich öfter des uu- lauteren Wettbewerbs schuldig machte und, wenn es in Regensburg brannte, das Feuer gelöscht hatte, bevor die aus Gemeindemitteln bezahlte städtische Feuerwehr in Tätigkeit treten konnte. Eine Takt losigkeit sonder gleichen, deren Wiederholung mit allen Mitteln verhindert werden mutzte. Selbst weuu durch die obrigkeitliche Verfügung Leben und Eigentum der Bevölkerung gefährdet wurde. Man ließ also die Konkurrenz nicht ausrücken, uud Herr Bergmüller mutzte uach zweistündigem Warten die Dampfspritze wieder in den Schuppen schieben. Das Sägewerk aber brannte ab. — Einen Schwabenstreich meldet die „Köln. Ztg." aus Milchleikner in Württemberg: Ein Mann äuberte ein großes Weinfaß, wobei ihm der Deckel ns Innere biüeiusiel. Alle Mühe, den Deckel wieder n die richtige Lage zu bringen, war erfolglos, und o steckte der Biedere seinen kleinen Jungen ins Faß, der nun von unten den Deckel nach oben drückte, bis er wieder ordentlich dalag. Der Vater befestigte ihn so, daß er für die nächsten zehn Jahre halten konnte. Froh über die getane Arbeit, wollte er einen Schoppen trinken, da rief ihm der noch im Fasse sitzende Junge nach: „Wo soll ich jetzt rnuskommen, Vater?" Durch's Spundloch konnte der Kleine zwar diese Worte rufen, aber unmöglich da hindurch kriechen. — Wie man Autographen erlangt. Von einem erfinderischen alten Autographensammler er zählt ein französisches Blatt, der sich eines schlauen Mittels bediente, um sich von berühmten Persönlich keiten, die sich sonst gegen die Wünsche Autographen sammler recht spröde zeigten, Unterschriften uud ge wöhnlich sogar eigenhändige Briefe zu erlaugeu. Ob es uuu eiu Künstler war oder ein Staatsmann, ob ein Fürst oder Dichter, sie alle empfingen meist den selben Brief; in ihm stellte der Autographensammler sich als der Besitzer eines Geschäftes vor uud erzählte von einem Nauu, dec im Namen des Adressaten größere Bestellungen gemacht habe. „Sie werden es begreiflich finden", so schloß gewöhnlich der Brief, „wenn ich Sie um schriftliche Bestätigung dieser mir erteilten Aufträge bitte." Der Emp'fäuger des Schreibens war höchlichst erstaunt uud vielleicht auch entrüstet und gruf fast immer sofort zur Feder, um den vorsichtigen Kaufmann sofort darüber aufzukläcen, daß er das Opfer einer Mystifikation sei. DerAuto- grapbeusammler aber hatte, was er wollte, deu eigen- händlgen und sogar au sich selbst adressierten Brief, den er dann schmunzelnd seiner glauzreichen Samm lung einverleibte. — Ein 10jähriger Chirurg. Ein eigenartiger Fall von chirurgischer Heilkunde hat sich in New-Hock ereignet. Der 10 jährige William Vondstrcet fiel beim Spielen so nnglilcklich über einen Stachelzaun, daß er sich in dem linken Unterarm eine breite und vier Zentimeter tiefe Fleischwunde beibrachte. Aus Angst vor Strafe verschwieg der Knabe aber seinen Unfall und machte sich daran, ihn selbst zu heilem Mit einer Nähnadel nnd einem Faden hellblauer Waschseide nähte er sich, ohne bei der Schmerzempsindung einen Laut von sich zu geben, die Wunde mit kleinen Stichen zn. Und die Natur widersprach dieses Mal allen Gesetzen, die die moderne Chirurgie aufstellt. Unbekümmert um die Vorschriften der Sepsis und Antisepsis heilte die Wunde zu und hinterließ nichts als die Narbe, die die Stiche der Nadel im Gefolge hatten. — „Armbänder" au deu Fußknöcheln. Aus Paris wird geschrieben: Da mau im Frühjahr 1909 wieder die fützfreieu uud weiten Röcke auf der Straße trageu will, ist es nötig, daß die klemmte Dame auch au einen besondere«) Schmuck der Füße uud dec Schuhe deukt. Nuu hat sich die große Schleife auf deu Schuheu, ebenso wie die blitzende Schnalle, mit dec mau das Leder des Schuhes schmückte, überlebt. Sie ivird zwar noch getragen, genügt aber deu Luxusausprücheu uicht mehr. Das Neueste und eleganteste, was die Dameu augen blicklich in Paris bevorzugen, sind „Armbänder", die man allerdings uicht zum Schmuck der Arme, soudern auf dem Fußgelenk trägt. Sie bestehen aus 2 Reihen schwarzen Jets, sie umschließen das Gelenk ganz straff, sind abec beim Gehen nud^ Sitzen möglichst sichtbar zu trageu. Zu Hellen Schuheu, zu den braunen Fußbekleidungen des Frühlings werden diese Fußbäuder aus Hellen: Bernstein hergestellt, uud zu deu grauen Sportschuhen liebt die elegante Dame es, Gelenkbänder aus ungeschliffene!: Rubinen au- zulegen. Diese „Armbäunder" der Beine sollen reizend uud graziös wickeu uud werden voraus sichtlich eiu gauz irenes Gebiet auf dem weiten Felde dec Industrie zur Folge haben. Gleichzeitig init dieser Mode geht natürlich das vollständige Ver schwinden des Stiefels. Den Stiefel kann man, wenn mau deu Auspruch darauf stelleu will, ü^t kn-üuonoä gekleidet zu seiu, uur noch als Bergsteige schuh benutzen. Zur Toilette, zum Promeuade'u- uud Besuchskleid, zum Reisekleid uud zur Dinertoilette gehört der Halbschuh, deu das „Acmbaud" iu einer graziösen Weise abschlicßt. — Die verkannte Prinzessin. Der Maler Friedrich Amerling war ein Sonderling. Lange Ge spräche liebte er nicht, er war stets kurz angebunden nnd von Schülern und Atelierbesnchern wollte er nicht viel wissen. Eines Tages kam eine ältere, bürgerlich gekleidete Frau mit ihrer Tochter iu seiu Atelier und bat ihn, deren Ausbildung zu übernehmen. „Ich tu das gewöhnlich nicht gern, das Schulmeistern ist mir zuwider. Wer's in sich hat, bringt's auch allein zu etwas. Wenn aber Ihr Mädel zuschauen und selber was probieren will, so kann's dort in der Eck' sitzen. Die Weiber bringen's doch nur zum Dilettantismus." —> Das Mädchen kam nun täglich von seiner Mutter begleitet, die sich stumm verhielt und an laugen Strümpfen strickte. Amerling kümmerte sich um beide nicht. Eines Tages aber, als er ermüdet vom Malen eine Pause machte, uäherte er sich der alten Frau, setzte sich ihr gegenüber rittlings auf einen Stuhl uud leitete folgendes Gespräch ein: „Verzeihen's, ich hab' Sie noch nicht gefragt, mit wem ich die Ehr' hab' ? Sind Sie verheiratet? — „Ich bin Witwe." — „Haben Sie Kinder?" — „Nur einen Sohn und diese Tochter." — »Ist Ihr Sohn Kanfmann oder Handwerker?" — „Nein." — „Beamter?" — „Wie man's nimmt." — „Ein Militär?" — „Nicht immer." — „Ja, wenn er kein Kaufmann, kein Handwerker, kein Beamter, kein Soldat ist, was ist er denn? — „König ist er." Amer ling war fest überzeugt, eine Jrrsiuni ge vor sich zu haben und wollte schon entsprechende Vorkebrungen treffen, als die Erzherzogin Sophie, des Kaisers Mutter, gemeldet wurde. Kaun: hatte sie die a lte Frau erblick^ als sie mit dem Ausruf: „Ah, treff' ich dich hier! auf sie zuging und sie herzlich begrüßte. Die alte Frau,