Volltext Seite (XML)
muhte nun selber lächeln über die Bestürzung, dte ihr die selbe für einen Augenblick hatte bereiten können. „Wenn ich ans meinen einsamen Spaziergängen keine schlimmeren Abenteuer zu bestehen haben werde, als dieses", dachte sie, „so wird mich dieser unvergleichlich schöne Wald oft genng in seinen grünen Hallen sehen; — obwohl ich noch nicht einmal weih, ob ich mich auf dem Grund und Boden meines Oheims befinde, und ob ich ein Recht habe, hier so nngeniert umherznstreifen." Dah dies letztere in der Tat mindestens sehr zweifel haft war, sollte sie bald genug erfahren, denn als sie, im Ungewissen über die Stelle, an welcher sie sich befand, ans dem vermeintlichen Rückwege einem Hellen Schimmer nachging, den sie zwischen den Bäumen gewahrte, sah sie sich plötzlich akN Rande des Waldes und einem Bilde gegenüber, dessen Anblick sie nicht wenig überraschte. Da lag nämlich jenes Herrenhaus, das durch einen wunderbaren Zufall seit dem gestrigen Nachmittag ihre Gei-Mken so oft und so lebhaft beschäftigt hatte, in seiner vollen Ausdehnung vor ihren Blicken, und sie mar entzückt von der geschmackvollen Vornehmheit und der soliden Pracht des stattlichen Bauwerks. Eben führte ein Diener oder Reitknecht die beiden schönen Pferde, die sie bereits vorhin im Walde gesehen hatte, auf dem Rasenplatz vor dem Schlosse auf und nieder, und Emmn konnte nicht zweifeln, dah die beiden Reiter, deren Höflichkeit sie vor hin in eine so ungeschickte Verlegenheit gebracht hatte, zu den Bewohnern dieses Herrenhauses gehörten. Aber zu gleich kam ihr auch zum Bewußtsein, eine wie tüchtige Strecke sie sich vom Hause ihres Oheims entfernt hatte, und um sich nicht abermals in der Richtung zu täuschen, ging sie auf der sonnigen, heißen Landstraße nach Sieslach zurück. Man hatte sie dort bereits mit dem Mittagessen er wartet; die Tante ging mit einem noch ängstlicheren Ge- sichte umher als sonst, und Bernhard Ouitzow stand am Fenster und trommelte einen so energischen Marsch auf den Fensterscheiben, daß dieselben in jedem Augenblicke zu zerspringen drohten. Trotzdem schien er nicht einmal in übler Laune zu sein, denn als Emmy eintrat, erkundigte er sich nüt einer gewissen Jovialität, durch welche Natur wunder sie schon am ersten Tage veranlaßt worden sei, dte strenge Ordnung seines kleinbürgerlichen Hauswesens zu übertreten. Emmy fing zwar einen scheuen und bittenden Blick der Tante auf, aber sie war außer Stande sich denselben zu deuten, und arglos erzählte sie, daß sie im Walde gewesen sei und sich dort ein wenig verirrt habe. Das Trommeln an den Fensterscheiben hörte plötzlich auf, und mit veränderter Stimme sagte Ouitzow: „Ich möchte dich doch darauf aufmerksam machen, mein Kind, daß dieser Forst nicht zu Sieslach gehört und daß nicht eine Buchnuß darin mein Eigentum ist. Nach dem Gesetz aber ist es verboten, fremdes Waldgebiet ohne die Er laubnis des Besitzers zu betreten." „Nun, ich denke, der Besitzer würde mir diese Erlaubnis nicht verweigern", gab Emmy ein wenig trotzig zurück. «Ich gehe ja nicht darauf aus, ihm seine Hirsche und Rehe wegzuschießen, und der Schaden, den ich sonst anrichten könnte, wird ihn schwerlich mit großer Besorgnis erfüllen." Der Onkel, der bis daher unverwandt in den Hof hinausgestarrt hatte, kehrte ich hastig um, aber noch ehe er das heftige Wort aussprechen konnte, das ihm ohne Zweifel auf der Zunge lag, hatte die Tante Emmy für sich in Beschlag genommen, uni sie an den Leinenschrank zu führen und ihr dort einige Erläuterungen bezüglich der Tischwäsche zu geben. (Fortsetzung folgt.'» Vas 6lückseilen. Humoreske von Franz Dudzik. (Nachdruck verboten.) MS ich eines schönen Tages im Straßenschmutz ein grobes, verrostetes Hufeisen liegen sah, war meine Freude nicht gering; denn, wie ich gehört habe, soll dem Finder eines Hufeisens großes Glück beschieden sein. Ich bin im allgemeinen nicht abergläubisch — eher trifft das Gegenteil zu — aber das Schicksal war in letzter Zeit so übel mit mir herumgesprungen, daß ich gern an alles glaubte, was mir in der Folge Glück zu bringen versprach. So beugte ich mich denn nieder und hob das verrostete Hufeisen inst in dem Augenblick auf, als ein lärmendes Auto in schnellstem Tempo dnrch den Schmutz fuhr und mich vom Kopf bis zu den Füßen bespritzte. Ich verfehlte keines wegs, dem Chauffeur die delikatesten Bezeichnungen für seine Person nnd seine Stinlmaschine nachzusenden, aber ich glaube, er konute nicht so lange warten, bis ich meinem überfüllten Herzen Luft geschafft hatte. Meine Frau ivar über das Hufeisen über alle Maßen entzückt. Sic ist sehr abergläubisch und schien zu hoffen, daß sich nun alles znm guten wenden werde. Nachdem sie das Eisen mit einem hübschen blauen Band verziert hatte, hing sie es über den Gasarm auf den Korridor, wo fick) der Gegenstand äußerst nett ausnahm. Als ich mich an diesem Abend zn Bett legte, fühlte ich mich so glücklich, wie bei jener nie zu vergessenden Gelegenheit, da ich in einer Lotterie ein zahmes Kaninchen gewann. Ich ivar gerade bei der schönsten Stelle in meinem zweiten Traum angelaugt, als ich durch einen Puff, den nur meine Frau versetzt hatte, aufgeweckt wurde. „Steh mal auf", rief sie mir zu, „es sind Diebe im Hauset" „Unsinn! Schlaf nur ruhig weiter!" gab ich ihr miß vergnügt zur Antwort. Sie erklärte jedoch, daß sie unten ein Geräusch ver nommen habe, ich mußte daher aufstehen und hinunter gehen, um sie zu beruhigen. Da ich mir nicht denken konnte, daß Diebe im Hause seien, hielt ich es auch nicht für nötig, ein Licht mitzunehmen. So schritt ich die Stufen hinab mit einer Miene, die dem Diebe sicher nichts gutes verhieb, meiner Frau aber eine hohe Meinung von meinem Mut beibringen mußte. Als ich so mit bloßen Füßen durch den Korridor schritt, stieß ich plötzlich gegen einen harten Gegenstand. Dieser Stoß verursachte mir derartige Schmerzen, daß ich ein lang andauerndes Gejammer ausstieß. Die Fenster klirrten, und der Hund begann zu bellen. In diesem Augenblick wußte ich bereits, was geschehen war. Das infame Hufeisen war vom Gasarm heruntergefallen und hatte sich so auf dem Fußboden plaziert, daß ich gerade dagegen stoßen mußte. Weiter war nichts passiert. Durch meinen Schmerzensschrei kam meine Frau auf den Gedanken, daß ich durch den sich verzweifelt wehrenden Dieb niedergeschlagen worden sei. Schnell entschlossen nahm sie daher den stets geladenen Revolver, eilte nach der Treppe, beugte sich über das Geländer, schloß ihre Augen und entleerte alle sechs Kammern in der Dunkel heit unten. Es ist ein Wunder, daß ich noch am Leben bin und diese Geschichte erzählen kann, denn meine Frau zertrümmerte nicht weniger als zwei Bilder und einen Spiegel. Eine Kugel schlug in die Vordertür, die fünfte ging durch ein offenstehendes Fenster, und die letzte durch bohrte meinen Hut, der auf dem Korridor hing. Seit diesem Ereignis weiß ich, was es heißt, unter Feuer zu! stehen, und wenn irgend jemand eine Auszeichnung für Tapferkeit im Felde verdient, wie man zu sagen pflegt, so ' bin ich es. Glücklicherweise bekam ich meine Sprache bald wieder, so daß meine Frau keinen weiteren Schaden anrichten konnte. Während sie ohnmächtig auf ihr Lager niedersank, ergriff ich das Hufeisen, öffnete ein Fenster und warf es ini großen Bogen auf die Straße. Das Unglück wollte es, daß das Eisen mit voller Gewalt einem unten stehenden Schutzmann auf die Füße flog. Nachdem der arme Kerl aufgehört hatte, auf einem Bein herumzutanzen, nahm er das Hufeisen auf und kam damit in größter Aufregung auf mein Haus zugeschritten. Er zog sein Notizbuch her aus und drohte mir mit verschiedenen Strafmandaten, außerdem käme noch eine Anklage wegen Körperverletzung hinzu. Nachdem er den ganzen Vorfall pflichtgetreu zu Papier gebracht hatte, kam mir der Gedanke, daß ich doch ein äußerst gefährlicher Verbrecher sei. Dann spitzte der Schutzmann seinen Bleistift an und fragte mich, was ich denn nun zu tun gedenke? Glücklicherweise konnte ich mir noch alle Strafmandate und Anklagen mit ein paar runden Gegenständen vom Halse schaffen, und der Schutzmann be merkte dabei, daß ich dadurch um ungefähr drei Monate Zwangsarbeit gekommen wäre. (Schluß folgt.)