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Wöchentlich erscheinen drei Numinern. PränumerationS-Preis 22j Silbergr. (j TK!r.) vicrteliädrlich. Z Tblr. für das ganze Hadr, okne rköknng, in allen 2heilen der Preußischen Monarchie. Magazi n für die »räuumirirl aus düst- kukrai>>r< Bla» in Berlin in der Gvedilio» der ANg. Pr. SlaolS-geüiing sFriedriedS- Slrake Nr. 72); in der Pronin; so wie ün Auslände del den Wodllodl. Polt- Aemiern. Literatur des Auslandes. ^1/ 132. Berlin, Mittwoch den 21. Dezember 1842. Schweden. Schwedisches Landleben. Geschildert von einem Amerikanischen Dichter.') lieber dem Landleben in Schweden weht noch ein patriarchalischer Hauch, der cs zu einem würdigen und paffenden Gegenstände für die poetische Dar stellung macht. Fast urweltliche Einfalt, fast urweltlichc Einsamkeit und Stille herrschen in diesem nordischen Lande. Ihr schreitet aus dem Thore der Stadt, und wie durch Zauber seht ihr euch plötzlich in eine wilde Waldland schaft verletzt. Rund um euch her Tannenwälder. Euch zu Häuptcn hängen die langen, sächerähnlichen Aestc, von Moos unizittcrt und schwer von rothen und blauen Zapfen; unter euren Füßen knistert ein Teppich von gelben Nadeln, und die Luft ist warm und balsamisch. Auf einer hölzerne» Brücke geht ihr über einen kleinen Fluß und kommt im Nu in ein anmuthigcs und sonniges Baucrhof-Revier. Zäune von Holz begränzcn die Felder. Quer über den Weg führen Thore, die Schaaren von Kindern vor euch öffnen. Die Bauern nehmen ihre Hüte ab, wie ihr an ihnen vorbeigcht; ihr niest, und ste rufen: „Gott segn' euch!" Die Häuser in den Dörfern und kleineren Städten sind alle aus behauenem Zimmerholz und meistenthcils roth ange strichen. Die Fußböden in den Schenken find mit den duftenden Spitzen von Tannenzweigen bestreut. In vielen Dörfern giebt es keine Wirthsbänser, und die Bauern ergreifen gern die Gelegenheit, Reisende bei fich auszunehmcn. Die geschäftige Hausfrau zeigt euch in ihre beste Stube, deren Wände rundum mit kunstlosen Bildern aus der Schrift geschmückt find, und bringt euch ihre schweren silbernen Löffel, — Erbstücke, daß ihr's wißt, — um die geronnene Milch aus der Pfanne zu schöpfen. Dazu habt ihr Hafertuche», die einige Monate vorher gebacken worden find, oder Brod mit Anissaamen und Koriander oder vielleicht mit etwas Fichtcnrinde drin. Unterdessen hat der handfeste Ackersmann seine Pferde vom Pfluge geholt und fie an euren Wagen geschirrt. Einsame Reisende kommen und geben in wunderliche» Einspänner». Die meisten haben Pfeifen im Munde und tragen vorn auf der Brust eine lederne Tasche, in der sie Taback und die großen Banknoten des Landes (so groß, daß Ihr sie mit beiden Händen kam» bedecken könnt) mit sich führen. Ihr begegnet auch Gruppen Dalekarlischcr Bäuerinnen, die heimwärts oder stadtwärts ihrer Arbeit »achgeheu. Sie sind barfuß; ihre Schuhe, die hohe Absätze unter dem hohlen Fuß und Sohlen von Birkenrinde haben, tragen sie in den Händen. Häufig auch find die Dorftirchcn, die, jede in ihrem kleinen Gethsemane- Garten, an der Seite des Weges stehen. In den Kirchenbüchern mögen große Ereignisse zu lesen sepn. Irgend ein alter König wurde in dieser Kirche getault oder begraben, und ein kleiner Küster mit rostigem Schlüssel zeigt euch den Taufstein oder den Sarg. Ans dem Kirchhofe sind wenige Blumen, aber viel grünes Gras, und alle Tage zählt der Schatten des Kirchthurmö mit seinem langen spitzigen Finger die Gräber — eine Sonnenuhr des Lebens, auf der die Stunden und Minuten Grabhügel find. Die Steine find platt und groß und niedrig, manchmal auch eingesunken, wie die Dächer alter Häuser. Auf einigen sieht man Wappen, auf anderen nur die Anfangsbuchstaben der armen Dörfncr, mit einem Datum, wie auf den Dächern Holländischer Hütten. Sie schlafen alle mit dem Gesicht nach Westen. Jeder hielt eine brennende Kerze in der Hand, als er starb, und in seinen Sarg legte man die kleinen Schätze, die seinem Herzen am theuersten waren, und ein Stück Geld für seine letzte Reise. Kinder, die tobt zur Welt kamen, wurden in den Armen grau lockiger Greise zu der einzigen Wiege getragen, iwder sic je schliefen, und in das Leichentuch der todten Mutter wurden die kleinen Gewände des Kindes gehüllt, das unter ihren, Herzen lebte und starb. Und diese Scene überschaut der Pfarrer des Dorfes in der Stille der Mitternacht aus seinem Fenster und spricht dazu in seinem Herzen: „Wie sie so sanft ruhn, alle die Seligen!" Neben dem Kirchhof-Thor steht eine Armcnbüchse. Sie ist mit eisernen Reisen an einen Pfosten befestigt, hat ein Vorlegeschloß, und ein schräges Holzdach sichert sie vor Regen. Wenn es Sonntag ist, so sitzen die Bauern auf den Kirchcnstufcn und blättern in ihren Psalmbüchern. Andere kommen den Weg herab mit dem geliebten Pfarrer, der unter seinem breitrandigen Hute von heiligen Dingen mit ihnen spricht. Er redet von Feldern und Aerndten, und von dem Säcmann, der ausging zu säen. Er führt sie zu dem ') Aus LougscUow's Vorrede zu s,U,er vortrefflichen Uetcrsejumg von Teguvr'S „Natt- uMdsbarncn". Dgl. Nr. 10« des „MogosinS". guten Hirten und zu den lieblichen Weiden des Gcistcrlandes. Er ist ihr Patriarch und, wie Melchisedek, beides, Priester und König, obgleich er keinen anderen Thron hat, als dic Kanzel. Die Weiber tragen Psalmbüchcr in den Händen, die sie in seidene Schnupftücher gewickelt haben, und lauschen andächtig auf des guten Mannes Worte. Aber die jungen Bursche, wie Gallio, kümmern sich wenig um diese Dinge. Sie zählen lieber die Falten in den Miedern der Mädchen, deren Zahl den Reichthum der Trägerin anzeigt. Es kann eine Hochzeit daraus werden. Ich will eine Schwedische Bauern-Hochzeit zu schildern versuchen. Sie soll im Sommer gefeiert werden, damit Blumen da find, und in einer südlichen Provinz, damit die Braut schön ist. Die frühen Lieder des Hahns und der Lerche vermischen sich in der klaren Morgenluft, und die Sonne, der himmlische Bräutigam mit goldenen Locken, erhebt sich genau zur selben Zeit im Osten, zu der unser irdischer gelbhaariger Bräutigam im Süden sein Lager verläßt. Im Hofe vernimmt man Stimmen und Hufgctrampcl; Pferde werden aus den Ställen geführt und gesattelt. Das den Bräutigam zu tragcn bestimmte Roß hat einen Blumenstrauß auf der Stirn und einen Kranz von Korn blumen um den Hals. Freunde von den benachbarten Baucrhöfen kommen herangeritten, mit blauen, im Winde flatternden Mänteln, und zuletzt, eine Peitsche in der Hand und einen ungeheuren Strauß im Knopfloch seiner blauen Jacke, tritt der glückliche Bräutigam aus seiner Kammer. Und nun auf und davon, dem Dorfe zu, wo die Braut bereits fitzt und wartet. Vorauf reitet der Sprecher, gefolgt von einem Dutzend Dorfmufikanten. Ihm zunächst der Bräutigam zwischen d.n beide» Brautführern, und dann vierzig oder fünfzig Freunde und Hochzeitgäste, wohl zur Hälfte mit Pistolen und Gewehren in den Hände». Eine Art von Packwagcn, mit Essen und Trinken für die lustigen Reisenden beladen, folgt als Nachtrab. Am Eingänge jedes Dorfes steht ein Triumphbogen, mit Blumen und Bändern und Immer grün geschmückt, und wie die Hochzcitsgäste ihn passiven, seuern sie eine Salve ab, und die ganze Prozession macht Halt. Augenblicklich kommt aus jeder Tasche eine Feldflasche voll Punsch oder Branntwein zum Vorschein. Sie geht von Hand zu Hand: von dem Wagen werden Biktualicn gebracht, und nach Essen und Trinken und Hurrahrufen setzt fich der Zug wieder in Bewe gung und nähert fich endlich dem Hause der Braut. Vier Herolde reiten vor aus, um anzukündigen, daß ein Ritter und sein Gefolge in dem nahen Walde halten und das Gastrecht in Anspruch nehmen. „Wie viel sind eurer?" fragt der Vater der Braut. „Wenigstens dreihundert!" ist die Antwort, auf die dann der Bescheid erfolgt : „Gut! und wären eurer siebenmal mehr, ihr solltet doch willkommen sepn; trinkt darauf aus diesem Becher!" Hierauf wird jedem Herold eine Kanne mit Bier gereicht, und nicht lange, so stürmt die ganze jubelnde Gesellschaft in den Pachthof, reitet um den Maibaum, der in seiner Mitte errichtet ist, und steigt sodann unter feierlicher Begrüßung und rau schender Musik von den Pferden. In der Halle sitzt die Braut, mit einer Krone auf dem Haupte und einer Thräne im Auge, wie die Jungfrau Maria auf allen Kirchenbildcrn. Sie trägt ein rothes Mieder mit losen leinenen Aermeln. Um den Leib hat fie einen mit Gold verzierten Gürtel und um den Hals Stränge von Goldperlen und eine goldene Kette. Auf der Krone ruht ein Kranz von wilden Rosen und unter ihm ei» anderer von Cpprcffen. Lose über ihre Schultern fällt ihr Flachshaar, und ihre blauen unschuldigen Augen sind auf den Boden geheftet. O du gute Seele! du hast harte Hände, aber ein weiches Herz! Du bist arm. Sogar der Schmuck, den du trägst, ist nicht dein. Er ist für diesen wichtigen Tag gemiethct worden. Und dennoch bist du reich; reich durch Gesundheit, reich durch Hoffnung, reich durch deine erste, junge, glühende Liebe. Der Segen des Himmels ruhe auf dir! So denkt der Priester des Kirchspiels, wie er die Hände von Braut und Bräutigam zusammcnlegt und mit tiefer, feierlicher Stimme dazu spricht: „Ich gebe dir diese Jungfrau zur Ehe, auf daß sic in allrn Ehrcn dein angeirautcs Weib scy und die Hälfte deines Bettes mit dir theile, dazu auch dein Schloß und deinen Schlüssel und jeden dritten Pfennig, den ihr Beide besitzen oder erben mögt, sammt allen Rechten, die Upland'S Gesetze verordnen, und die der heilige König Erik gegeben hat." Das Mittagsmahl ist nun angerichtet, und die Braut sitzt zwischen dem Bräutigam und dem Priester. Der Sprecher hält eine Rede nach dem alten Gebrauch seiner Väter. Er spickt sie gehörig mit Bibelstcllen und ladet den Heiland ein, bei dieser Hochzeit zugegen zu sepn, wie er bei der zu Kana in Galiläa zugegen war. Der Tisch ist nicht spärlich besetzt. Jeder macht einen langen Arm, und das Fest geht lustig seinen Gang. Punsch und Branntwein machen zwischen den Gängen dic Runde, und hier und da raucht Einer in Er-