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No. 15. Sonnabend, den 9. April 1904. VI. Jahrgang. DerJlandelsgärfner. "nammpua Kandels-Zeifung für den deutschen Gartenbau, -"emmnau Leipzig, Sudstrasse 33. Verlag von Bernhard Thalacker, Leipzig-Gohlis. Leipzig-Gohlis. Organ des „Gartenbau=Verbandes für das Königreich Sachsen E. G." „Der Handelsgärtner“ kann direkt durch die Post unter No. 3222a der Postzeitungsliste bezogen werden. Der Abonnementspreis beträgt pro Jahr: für Deutschland und Oesterreich-Ungarn Mark 5.—; für das übrige Ausland Mark 8.—. Das Blatt erscheint wöchentlich einmal Sonnabends. — Inserate kosten im „Handelsgärtner“ 30 Pfg. für die fünfgespaltene Petitzeile. Auf dem Wege zu einem deutschen „Arbeitgeberbunde“. ui. Seid einig, einig, einig! in diesem Zuruf des alten Attinghausen in Schillers „Teil“ liegt das grosse Geheimnis der Erfolge, durch welche auf Seite der Arbeitnehmer in den letzten Jahrzehnten errungen worden sind. Die mangelnde Einig keit aber hat es dem Arbeitgeber unmöglich gemacht, sich allezeit energisch gegen die Uebergriffe und Gewaltmassregeln der angeblich „wirtschaftlich Schwächeren“ zu sichern. Wer in Wahrheit die „wirtschaftlich Schwächeren“ sind, haben wir gezeigt. In der deutschen Gärtnerei fehlt es auch an einem starken Zu sammenhalt der Arbeitgeber. Was wir brauchen, ist ein den bereits namhaft gemachten Wirt schaftsvereinigungen ähnlicher Zusammenschluss, ein deutscher Gärtner-Schutzverband, der es sich zur Hauptaufgabe macht, dort mit Rat und Tat einzuspringen, praktische Hilfe zu leisten, wo Arbeitgeber durch masslose Forde rungen der Arbeitnehmer, durch Ausstände usw. in ihren Interessen geschädigt, in der Ausübung ihres Berufes bedroht werden. Wir brauchen eine ähnliche Organisation, wie sie in den industriellen und gewerblichen Berufen bereits vorhanden ist, denn in der Tat scheinen neuerlich die Gärtner-Ausstände so epidemisch werden zu sollen, wie die der Maurer, die alljährlich mit den ersten Lerchen und Schwalben ihre Auferstehung feiern. Die Bewegung der Gärtnergehilfen im Jahr 1899 in Leipzig war noch völlig bedeutungslos, aber man schürte doch emsig weiter an dem einmal entzündeten Feuer. Die Hamburger Schule machte sich geltend. In einen Streik einzu treten wagte man trotz der schroffen Ablehnung aller Forderungen nicht. Es wurden öffentliche Versammlungen gehalten, gesinnungsvolle Reden geschwungen und im übrigen blieb alles beim alten. Im Frühjahr 1901 traten die Gehilfen in Hamburg und Leipzig wieder mit Lohnfor derungen auf die Bildfläche. Wir haben uns damals in einigen Artikeln im „Handelsgärtner“ (1901, Nr. 7 u. 8) über die Lohnbewegung der Gehilfen ausführlich verbreitet und konnten damals noch konstatieren, dass infolge der herrschenden Zersplitterung der Gehilfen die Gärtnerstreiks wenig Aussicht auf Erfolg hätten. Im übrigen haben wir schon damals wie noch heute den Standpunkt vertreten, dass es unsre Pflicht ist, über massvolle Forderungen der Gehilfen, die nicht in die bei sozialdemokra tischen Arbeitnehmern beliebte Form gekleidet sind, mit diesen zu verhandeln. Wir haben uns auch immer für die Idee der Einigungs- ä m t e r dabei erwärmen können, wenn wir auch in der ganzen Lohnbewegung eine Gefahr für die gärtnerischen Arbeitgeber nicht erblicken konnten. Im Frühjahr 1901 fand auch die oft be sprochene Gehilfenversammlung in Berlin statt, in welcher Abschaffung der Sonntagsarbeit, elf stündige Arbeitszeit usw. verlangt wurde. Die selben Forderungen stellte man in Leipzig auf. Aber nur in Hamburg kam es zu einem Aus stand der Gehilfen, der jedoch Erfolge nicht zu verzeichnen hatte. In Kiel liess man es bei einer Streikandrohung bewenden. Die Miss erfolge machten nicht kopfscheu. Pünktlich im Frühjahr 1902 kam mit den Schneeglöckchen die „Gärtnerbewegung". In Hamburg wurde wieder ein Generalstreik geplant. Es kam aber nur zu einem Gehilfenausstand in Gross-Flott bek-Hamburg, der nur wenige Tage anhielt, da sich Prinzipale und Gehilfen gütlich einigten. Hierbei zeigte sich aber schon das Moment, was bedenklich stimmen muss und eine Gefahr in sich birgt: Die Arbeitgeber zeigten, der vielen Beunruhigungen überdrüssig, Nachgiebig keit! Dass eine solche Nachgiebigkeit von der „zielbewussten“ Gehilfenschaft roter Observanz als Schwäche ausgelegt werden würde, war natürlich. Von Bedeutung wurden in derselben Zeit die Streikbewegungen in Krefeld und in Plauen, von kleineren Scharmützeln in einzelnen Betrieben ganz zu schweigen. Nun kam das Jahr 1903. Unter seinen Erstlingsblüten befand sich folgerichtig wieder ein Gärtnerstreik, dies mal der bedeutendste unter allen, welche bis dahin inszeniert worden waren. Der Berliner Landschaftsgärtner- Streik, der noch in aller Er innerung steht, so dass wir hier nicht auf ihn zurückzukommen brauchen, brachte den Gehilfen Erfolge, die aufs neue ä conto Nachgiebigkeit der Arbeitgeber zu schreiben waren. Von Dauer ist bekanntlich auch der in diesem Kampfe endlich geschlossene Frieden nicht gewesen. Man will den Bruch der Beziehungen natürlich wieder den Arbeitgebern in die Schuhe schieben. Der Streik in den Holsteiner Baumschulen, auf den zuletzt noch hingewiesen werden mag, ist ebenfalls von weittragender Bedeutung nicht geworden. Man kann wohl sagen, dass ein grössererStreik, wie der Hamburger von 1890, in dem Zeitraum, den wir hier ins Auge fassten, nicht vorgekommen ist. Und doch ist das Bild von heute ungünstiger. Der grosse Hamburger Ausstand von 1890 brachte wohl den Gehilfen einige Vorteile, fiel aber im ganzen zu ihren Ungunsten aus und endete damit, dass sich die Gehilfen wieder ergeben mussten. In den letzten Jahren dagegen trat eine gewisse Nach giebigkeit bei den Arbeitgebern hervor, die leicht böse Folgen nach sich ziehen kann. Es scheint, als ob man mürbe gemacht würde. Das muss verhütet werden. Es gilt, wie früher, den Ansturm der Gehilfen energisch zu parieren, soweit sie in der Uniform der Sozialdemokratie gegen uns ins Feld ziehen. Es ist richtig, im Gartenbau haben die Arbeitseinstellungen und Streikversuche bisher noch niemals den Gehilfen einen so nachhaltigen Vorteil gebracht, wie in vielen andren Berufs zweigen. Es konnten von seifen der Arbeit nehmer nicht einmal entsprechende Lohnvorteile errungen werden. Ueberhaupt waren die Ge hilfenvereine in früheren Jahren zu schwach und als sie vor drei Jahren genügend gekräftigt waren, da trat sofort wieder Uneinigkeit her vor, die die ganze Bewegung zum Stillstand brachte und die bekannten Rückschritte hervor rief. Es lässt sich nicht leugnen, dass hierbei auch die allgemeine wirtschaftliche Lage in Betracht kam und in der Gärtnerei weniger Arbeitskräfte gebraucht wurden, vor allem aber nicht so viel Gehilfen mehr in andere Berufs zweige übertraten. Nun aber die wirtschaftliche Lage einer Besserung entgegengeht, stärken sich auch die Gehilfenvereinigungen und es kommt ganz da rauf an, welche Haltung sie bewahren werden. Von der Albrechtschen Linie ist eine fortge setzte Aufhetzung der gewerkschaftlichen Gärt nergehilfen zu erwarten. Die Sprache, die er jetzt führt, hat ganz den Jargon des Dresdner Parteitages angenommen. Von der Behrensschen Linie ist zwar auch eine Bewegung zur Ver- besserung der Lage zu erwarten, aber nicht in der radikalen Weise, welche die „Hamburger“, in denen der „Allgemeine“ jetzt in Wahrheit aufgegangen ist, wenn es formell auch anders geregelt wurde, belieben. Die Ursache, weshalb die Gehälter der Gärtner verhältnismässig so zurückgeblieben sind, ist bekannt genug, und braucht näher hier nicht hervorgehoben zu werden. Es liegt dies vor allem daran, dass die Mehr zahl der Gehilfen ungenügend technisch aus gebildet ist, durch den fortwährenden Stellen wechsel in verschiedene Branchen hineinkommt und deshalb nicht so leistungsfähig ist, dass höhere Gehälter bewilligt werden konnten. Leider haben darunter auch die tüchtigeren, besser vorgebildeten jungen Leute zu leiden. Wir haben jedenfalls wenig Berufsarten, bei denen eine so langsame Gehaltsaufbesserung eintritt. Inzwischen ist aber die Lehrlings ausbildung weiter zurückgegangen. Es unter liegt keinem Zweifel, dass ein Gehilfenmangel, sobald ein intensiver wirtschaftlicher Aufschwung zu verzeichnen ist, eintreten muss. Man denkt auch heute nicht mehr an einen allgemeinen Streik, sondern versucht an einzelnen Haupt produktionsplätzen bei Eintritt günstiger Vor bedingungen durch ein unerwartetes, schnelles Handeln dem Prinzipal Verlegenheiten zu be reiten und dadurch schneller Erfolge zu erlangen, wie dies beispielsweise in Halstenbek der Fall war. Bis heute war der wichtigste und be deutendste Streik in der Gärtnerei derjenige von Hamburg 1890, obgleich auch damals teilweise Elemente an die Spitze traten, die einen un bedingten Misserfolg hervorrufen mussten. Die um dieselbe Zeit und später in Erfurt, Dresden, Berlin etc. versuchten Arbeitseinstellungen haben niemals Vorteile gezeigt, aber der erwähnte Arbeiterstreik in Halstenbek ist nicht auf Kosten der Gehilfen, sondern der dort ansässigen Ar beiter zurückzuführen. Dabei steht heute noch nicht fest, welchen Nutzen dieser Streik in der Tat gebracht hat. Für die Arbeitgeber aller Branchen tritt aber die Pflicht ein, gerade in solchen Fällen, wo einzelne Orte oder eine gewisse Kategorie von Betrieben gesperrt wird, gemeinsam einzutreten und dadurch ein Gleichgewicht den Arbeit nehmern gegenüber aufrecht zu erhalten. Jeder Streik, er mag eintreten in welcher Form er will, wird für beide Teile Schaden und Verluste hervorrufen, so dass es not wendig ist, Arbeitgeber und Arbeitnehmer stehen sich gleichgewappnet gegen über. Nur dann wird der Mittelweg ein gehalten und die gegenseitigen Verhandlungen Des Vaters Vermächtnis. Aus dem Leben einer Gärtnerstochter. Erzählung von A. Burg. (14. Fortsetzung). Nachdruck untersagt. „Ihre Entlassung? Was haben Sie für einen Grund dazu, Herr Welser?“ Er zuckte die Schultern, um seine aufsteigende Ver legenheit zu verbergen; dann aber, als er ihr ins Gesicht sah, in dies geliebte Antlitz, das ihn im Wachen und Träumen verfolgte, da fühlte er aufs neue, wie schwer es ihm wurde, ihr, wenn er blieb, seine Leidenschaft zu verbergen und fest und ruhig erwiderte er: „Es wird nunmehr Winter, Fräulein Winternitz; Sie brauchen weniger Arbeitskräfte und mein Vater ist überdies noch so rüstig. Mich ziehts noch einmal hinaus, ich habe auch ein Angebot von meinem früheren Chef in Gent; ich soll dort als Obergärtner eintreten, — der frühere ist plötz lich ausgetreten. Nehmen Sie mirs nicht übel, Fräulein Winternitz; und legen Sie mirs vor allem nicht als Undank aus. Es war für mich eine schöne Zeit, die ich hier in der Heimat mit dem Vater verleben durfte, aber “ Die Bewegung übermannte ihn plötzlich. Er fuhr sich mit der arbeitsharten Hand über die Augen. Margarete sah ihn fast traurig an. „Es tut mir leid, dass Sie gehen wollen, Herr Welser. Ich werde Sie vermissen, nicht nur Ihre Arbeitskraft, sondern Sie selbst, denn es war mir selbst eine Freude zu sehn, mit welcher Lust Sie bei Ihrer Arbeit sind. Aber ich habe freilich kein Recht, Sie zu halten, wenn es Sie hinaustreibt, — nur im Interesse Ihres Vaters möchte ich noch einen Versuch wagen, Sie zurückzuhalten. Vater Welser scheint mir nicht mehr so widerstandsfähig und zäh, wie er es bis vor kurzem war, ein wenig Ruhe täte ihm gut, und ausserdem wird es ihn hart treffen, sich wieder von Ihnen trennen zu müssen“. Dietrich senkte die Augen. Vor der weichen, volltönenden Stimme der Geliebten, die in so warmen Worten für seinen Vater sprach, drohte sein Entschluss noch einmal zu wanken. Aber nur einen Augenblick, dann sah er wieder vor sich die endlosen Tage stets genährter und doch hoffnungsloser Liebe und er warf den Kopf wie trotzig in den Nacken. „Wir haben alles besprochen, mein Vater und ich — er meint, dass er mich wohl entbehren kann, es fehlt nur noch Ihre Einwilligung, Fräulein Winternitz.“ „Nun denn“, sagte sie mit wehmütigem Lächeln, „es wird mir nichts anderes übrig bleiben, als sie Ihnen zu geben. Aber wann wollen Sie reisen?“ „Sobald als möglich, — in acht Tagen vielleicht“. „So schnell? Dann werde ich wieder mit Ihrem Vater allein sein zum Schutze unserer Gärtnerei. Aber wir werden treu zusammenhalten und Mühe und Erfolg gemeinsam tragen.“ Dies Wort erfüllte Dietrich auf einmal mit so brausendem Jubel, dass er beinahe alles vergessen und Margarete zu Füssen gestürzt wäre. Es bewies ihm ja dies Wort, dass sie nicht daran dachte, die Heimat um des andern willen auf zugeben. Und wenn er nun in der Ferne ihrer gedachte, so brauchte wenigstens nicht der Neid gegen den andern seine Sehnsucht nach ihr zu vergiften. Er beherrschte sich mit Gewalt, aber seine strahlenden Augen verrieten ihr deutlich seine Gefühle und wie an jenem Morgen im Garten, zuckte sie auch jetzt unter seinem Blick zusammen. Aber keine Wirrung überfiel sie dabei, nur ein stilles, ruhiges Wohlgefühl. Als Dietrich gegangen war, hob sie erst die Blumen auf, die noch von der Szene mit Kenzius her am Boden lagen. Sie betrachtete lange sinnend die verwelkten Blüten. Ihr war, als sei mit diesen auch das Fremde, Unfassbare, das so lang ihre Seele geängstigt, gestorben, und als habe für sie ein neuer Lebensabschnitt begonnen. XIX. In der kleinen Universitätsstadt wurde es still, und still auch in der Gärtnerei Winternitz. Dietrich war abgereist und über dem Hause lag seither eine undefinierbare Atmos phäre der Trauer. Der alte Welser ging zwar wie sonst rüstig seinem Tagewerk nach, auch Margarete blieb was sie gewesen, die treue Hüterin ihres Erbes. Ruhigfreundlich, aber bestimmt wie früher klang ihre Stimme. Ihre Augen waren klar wie ehedem und ihre Gedanken liessen es sich nicht einfallen hinwegzuschweifen von ihrer Arbeit. Tante Verena sah das junge, willensstarke Mädchen oft gedankenvoll an, sie gedachte der zwei Männer, die gleichzeitig Margaretens Lebensweg gekreuzt und gleichzeitig wieder gegangen waren und sie fragte sich, ob dieses Mädchens Herz so uneinnehm bar sei oder so stark, dass es jede derartige Empfindung von sich weisen konnte? Sie fragte sich’s aber nur im stillen und rührte nie mit einem Wort daran. Erwin war etwas traurig geworden. Ihm fehlte der Lehrer, der mit seinen lebendigen Schilderungen es so gut verstanden hatte, ihm alles, was er schwer begreifen konnte, verständlich zu machen. Aber in seiner Seele war der Same des Wissens dranges schon kräftig aufgegangen, und er lernte nun allein weiter, in dankbarem Andenken an den Lehrer. Die Herbststürme zogen über das Land. Gleich dunklen Schatten fegten die Wolken über den grauen Himmel und das blühende Reich Margaretens versank vollständig in die Winterruhe. Nur in den Häusern grünte und blühte es fort, von sachverständigen Händen sorgsam gepflegt. Es gab immer noch viel Arbeit; in vielen Privatgärten des Städtchens sah man Winternitz’sche Gehilfen mit dem Einschlagen der Rosen oder dem Pflanzen junger Obstbäume beschäftigt. Schon bei diesen vielseitigen, auswärtigen Ar beiten vermisste Margarete den Sohn ihres Obergärtners. Der alte Welser konnte nicht überall sein und von den Gehilfen reichte keiner an Dietrich hinan. Jetzt erst begann sie die Tüchtigkeit Dietrichs in vollem Masse zu schätzen, jetzt erst, wo er in weiter Ferne weilte. Wie oft geschah es, wenn sie mit Welser etwas beriet, dass sie unwillkürlich ausrief: „Wie schade, dass Ihr Sohn Dietrich nicht mehr da ist, wie gut könnten wir seinen Rat und seine geschickte Hand jetzt brauchen!“ Dann lächelte der Alte wehmütig und sagte in berech tigtem Vaterstolz: „Ja, s’ist wahr, der Junge lässt sich vermissen.“ — Aber Dietrich zeigte sein Interesse für die Gärtnerei Winternitz auch aus der Feme. Er schrieb öfter an seinen Vater. Seine Mitteilungen bezogen sich immer auf seine Tätigkeit und wo er konnte, liess er in bescheidener Weise einen Rat einfliessen, erzählte von Neuerungen, die er als