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No. 8. Sonnabend, den 20. Februar 1904. VI. Jahrgang Derjfandelsgärtner. v XXnn“ Kandels-Zeitung fiir den deutschen Gartenbau. at"bttrrrhaiäckren Leipzig, Südstrasse 33. Verlag von Bernhard Thalacker, Leipzig = Gohlis. Leipzig-Gohhs. Organ des „Gartenbau=Verbandes für das Königreich Sachsen E. G." „Der Handelsgärtner“ kann direkt durch die Post unter No. 3222a der Postzeitungsliste bezogen werden. Der Abonnementspreis beträgt pro Jahr: für Deutschland und Oesterreich-Ungarn Mark 5.—; für das übrige Ausland Mark 8.—. Das Blatt erscheint wöchentlich einmal Sonnabends. — Inserate kosten im „Handelsgärtner“ 30 Pfg. für die fünfgespaltene Petitzeile. Der Gärtnerberuf, was bietet er für Aussichten? Vor der Osterzeit werden die Familien durch die schwerwiegende Frage beunruhigt, wie sie sich in der Berufswahl ihrer Kinder verhalten sollen. Was soll namentlich der Knabe, der nun flügge geworden ist und die Schule ver lässt, für einen Beruf ergreifen? In der Tat sind die Aussichten nicht für alle Berufe die gleichen und in manchem kann selbst eine gute, brauchbare Kraft heutzutage nur schwer unter- und vorwärtskommen. Im „Erwerbsmarkt“ wurde auf Grund der Erhebungen im Reichs- amt des Innern über die einzelnen Berufe eine Aufstellung darüber gegeben, welche Berufe aussichtsvoll seien, und welche zur Zeit den in das Erwerbsleben eintretenden jungen Menschen kindern nicht als lohnend empfohlen werden können. Da rangieren die Gärtner unter den mittleren Aussichten. Aber während z. B. bei den Buchhändlern, Drogisten, Gold- und Silberschmieden, Korbmachern, Feilenhauern, Kürschnern, Malern, Sattlern usw. in dieser Rubrik trotz der mittleren Aussicht ein Lehr lingsmangel hervorgehoben wird, gehören die Gärtner mit den Blumenbindern in die Unter abteilung, bei welcher ein „genügender Zugang“ von Lehrlingen zu bemerken ist. Das ist frei lich nicht ganz richtig, wenigstens nicht für das Gebiet des ganzen Deutschen Reichs, denn in Mittel- und Süddeutschland haben wir es mit einem Rückgang der Leinenden zu tun, nament lich solcher, die sich das Ziel stecken, über den gewöhnlichen Tagelöhner gärtnerischer Be triebe hinauszukommen. Richtig ist aber, dass der Gärtnerberuf heute noch eine mittlere Aus sicht auf das Fortkommen im Leben bietet. Nur dürfen nicht junge Leute zum Gärtner beruf gedrängt werden, die gar nicht dazu „berufen“ sind. Man begegnet noch immer hier und dort der alten falschen Anschauung, dass minder geistig und körperlich entwickelte junge Leute zum Gärtner gerade noch gut ge nug seien. Dies ist ein verhängnisvoller Irr tum. Denn gerade heute bedarf der Gärtner der Aufbietung der höchsten geistigen und event. auch körperlichen Kraft, um im Wettkampfe mit andern Nationen, die ihm den heimischen Markt streitig machen wollen, zu siegen. Intelligenz! Das ist heute die erste Vor bedingung zur Ergreifung des Gärtnerberufs, die nur allzuoft nicht erfüllt wird. Dann gibt es kümmerliche, unzufriedene Existenzen, die über kurz oder lang der Gärtnerei den Rücken zukehren und sich einem andern „lohnenderen“ Berufe zuwenden. Die Gärtnerei hat an diesen Leuten nicht viel verloren. Aber man soll ihr nicht zur Last legen, was diese Leute oder ihre Eltern bei der Berufswahl einst verschuldet haben. Und das wird vielfach aus schlauer Politik von der Seite der Gehilfen aus getan. Sie führen solche gescheiterte Existenzen als die grossen Beweismittel dafür vor, dass die Gärtnerei unrentabel sei und die Jugend abge halten werden müsse, in gärtnerischen Betrieben in die Lehre zu treten. Es wird aber ver schwiegen, warum jene Leute, die ihrem Be rufe den Rücken kehren, in ihm keine Be friedigung und kein Auskommen gefunden haben. Der Zweck der Publikationen, die in den Tagesblättern gewöhnlich um die Osterzeit auftreten und die Eltern kopfscheu machen sollen, die etwa Lust verspüren, ihren Sohn Gärtner werden zu lassen, ist vielmehr der, dass man einen Mangel an gärtnerischen Hilfs kräften herbeiführen will, um dadurch die Prin zipale zu zwingen, höhere Löhne zu gewähren. Und es darf nicht äusser acht gelassen werden, dass diese Unkenrufe wohl auch hin und wieder Beachtung finden und der Gärtnerei manchen jungen Mann entziehen, der in ihr sein gutes Fortkommen und auch seine Be friedigung in der Arbeit gefunden hätte. Der teilweise und periodenweise sich geltend machende Mangel an „gelernten“ Gärtnern ist ganz sicher auch mit auf diese Gehilfenpropa ganda zurückzufühlen. Der Laie kennt die Verhältnisse der Gärt nerei zu wenig. Stösst er nun in seinem Tages- oder Wochenblatt auf einen solchen Artikel, so wird er bedenklich gestimmt, er überlegt, und da ihm das Wohl seines Jungen am Herzen liegt, so springt er ab und gibt ihn lieber zu einem Schlossermeister oder sonstwo in die Lehre. Lehrjahre sind allerdings in der Gärtnerei keine Herrenjahre! Aber sind sie es in einem andern Berufe? Sicher nicht. Sie sind es auch nicht bei den Jüngern der Kunst und Wissen schaft! Gewiss ist die Erlernung des Gärtner berufs schwer und anstrengend. Aber ein ge sunder Geist in gesundem Körper, Lust und Liebe zum Berufe werden über die Lehrzeit hinweghelfen und sie zu einer fruchtbringenden für den berufstreuen Gärtner machen. Wer also die Vorbedingungen zum Gärtnerberufe erfüllt, der braucht sich nicht abschrecken zu lassen, sondern kann mit Zuversicht und Freu digkeit seine Lehre antreten. Aber nur allzu leicht lassen sich gerade die besseren Ele mente durch solche Schreckschüsse abhalten, der Gärtnerei sich zuzuwenden. Wenn ihnen da von den unausgesetzten Strapazen und Müh seligkeiten erzählt wird, und diese so aus gemalt werden, dass der Gärtner als das grösste „Plackholz“ dieses Erdbodens dasteht, wenn der Anschluss an das Hauswesen des Prinzipals, Wohnung und Kost, in den schwär zesten Farben gemalt wird, so ist das eben agitatorische Mache, tendenziöse Uebertreibung, wenn wir auch an dieser Stelle noch niemals ein Hehl daraus gemacht haben, dass noch vieles verbesserungsbedürftig ist. Aber die Agitation gegen die Gärtnerei zwingt schliesslich die Prinzipale dazu, mit technisch ungeschultem Personal, mit einfachen Gartenarbeitern, sich zu behelfen, so dass die Gehilfen sich nichts nützen, sondern sich durch die Warnsignale selbst schaden. Sie er wirken sich dadurch keinen Pfennig Lohn mehr. Wenn der Prinzipal keinen Gehilfen zu dem Lohnsätze, den er nach seinen Verhältnissen zu geben vermag, findet, so engagiert er beliebige Arbeiter und sucht sie für seine Arbeit brauch bar zu machen. Darunter leidet der Gehilfen stand aber selbst. Er bekommt in seine Reihen eine Menge fachlich nicht ausgebildeter Gärtner, die als „Gehilfen“ mitlaufen, ohne wirklich die Standesinteressen voll zu würdigen und ver treten zu können. Dieser minderwertige Zu wachs schädigt den Gehilfenstand nach innen und aussen. Zur Zeit hat die Gehilfenschaft durch die Schwenkung des „Allgemeinen deut schen Gärtnervereins“ sowieso stark an An- sehn verloren; denn durch den Uebertritt eines Teils desselben zum Gewerkschaftskartell und die damit verbundenen Satzungsänderungen, nach welchen auch nicht fachlich ausgebildete Arbeiter männlichen und weiblichen Geschlechts in den Verein jetzt Aufnahme finden müssen, hat derselbe seinen Charakter als Gehilfen verein verloren und ist zu einer Arbeiterver einigung geworden. Jeder Prinzipal wird also jetzt gerade den Mitgliedern des „Allgemeinen deutschen Gärtnervereins“ gegenüber nicht wissen, woran er ist, und wasser für Leute in den Mitgliedern dieses Vereins erhält. Man kann das bisherige Vertrauen leider nicht mehr haben. Jeder Gehilfe, der nach etwas Höherem strebt, und sein Ziel in der eignen Uebernahme oder Pachtung einer Gärtnerei oder in einer leitenden Steilung in gärtnerischen Betrieben sieht, wird sich in einer Vereinigung nicht wohlfühlen können, die jedem Arbeiter, jeder Arbeitsfrau ihre Pforte öffnet. Auch dieser Uebertritt eines Teils der Mitglieder des „All gemeinen deutschen Gärtnervereins“ zur Sozial demokratie wird die Eltern hier und da ab halten, ihre Kinder der Gärtnerei zuzuführen, weil sie nicht erleben wollen, dass dieselben etwa auch hinter dem roten Tuche der Mata- dore mit der grossen Heerde laufen. Die selbständigen Gärtner müssen daher energisch gegen die Bestrebungen, junge Leute von der Gärtnerei fernzuhalten, Front machen. Sie müssen selbst in der Tagespresse hervor treten und jene Uebertreibungen richtigstellen, unter einer wahrheitsgemässen, rückhaltlosen Schilderung der Verhältnisse des gärtnerischen Berufs. Das ist unbedingt notwendig. Wir werden gern unsere Unterstützung dazu geben, falls sich auch in diesem Jahre die Angriffe der Gehilfenschaft wiederholen sollten. Es ist denn doch noch immer damit zu rechnen, dass das grosse Publikum der Sachdarstellung der Prin zipale weit eher Glauben und Vertrauen ent gegenbringen wird, weil man nur zu gut weiss, dass die Führer der Gehilfen an einer objek tiven Wiedergabe der Sachlage kein Interesse haben können. Sie müssen Grau in Grau malen, wenn sie ihren Zweck erreichen wollen. Unsere Leser aber bitten wir uns derartige Artikel baldigst einzusenden, damit wir orientiert sind. Sollte übrigens der Behrens’sche Verein zu der Anschauung kommen, dass es auch für die Gehilfen zwecklos ist, die Lehrlinge fernzu halten, so würde in der Tagespresse auf die Verschiedenheit in der Ansicht der Gehilfen selbst hinzuweisen und darauf aufmerksam zu machen sein, dass die Vorw rfe aus dem Lager derer kommen, die ganz links stehen. Viel leicht aber sieht sogar die Gegnerschaft selbst die Zwecklosigkeit solcher Veröffentlichungen ein, und sie verschwinden ganz von der Bild fläche. Damit würde der Gärtnerei am besten gedient. Des Vaters Vermächtnis. Aus dem Leben einer Gärtnerstochter. Erzählung von A. Burg. (7. Fortsetzung). Nachdruck untersagt. Freilich für seine Kasse war es so vorteilhafter. Es gab hier absolut keine Gelegenheit, sein Geld zum Fenster hinaus zu werfen. Seine einzige Zerstreuung war ein Sommer fest, oft unternahm er auch Ausflüge in die Umgegend, oder besuchte eine der wenigen in der Stadt zurückgebliebenen Familien seines Bekanntenkreises. Aber seine Kasse war so glänzend bestellt, dass er auf ihren Vorteil nicht bedacht zu sein brauchte. Schon zweimal hatte er Briefe von Grat Lengen er halten, der ihn in den wärmsten Worten ersuchte, ihn auf seinem herrlichen Gut in Bayern, wo er seine Flitterwochen verträumte, aufzusuchen und sich selbst von seinem Glück zu überzeugen. Aber Kenzius schien diese Einladung wie ein Ruf aus einer anderen Welt; was sollte er bei zwei glücklich Lieben den als überflüssiger Dritter? Noch war er kein alter Jung geselle, der als ungefährlicher Hausfreund die Launen eines verliebten Mannes, einer bewunderten Frau zu ertragen bestimmt war, noch gab es für ihn den Wunsch, einen eigenen Lebensfrühling kennen zu lernen. Und er schrieb dem Freunde: „Ich werde dich später besuchen und mich dann deines Glückes freuen.“ X. Auf dem breiten Fahrweg, der hinter dem Hause vorbei zur Strasse führte, stand ein mit einem Pferd bespannter Wagen. August und Lorenz waren damit beschäftigt, für den Wochenmarkt aufzuladen; eine Menge Pflanzen, wie Remon- tantnelken, Geranien, Rosen, Heliotrop sauber in Körben ver packt, Blumenkohl, Wirsing, taufrischen Salat, viele Kästen voll leuchtend scharlachroter Tomaten und dicke Bündel Sommerrettiche, daneben ganze Körbe voll Frühobst: Lorenz birnen und Pflaumen mit rosigen Bäckchen. Margarete, einen Brief in der Hand, ging an dem Wagen vorbei und musterte prüfend die duftende und appetit erweckende Ware. Dabei fiel es ihr auf, dass die beiden Gehilfen, die vorher in gedämpftem Ton zusammen gesprochen, bei ihrem Herannahen, das sie offenbar nicht gehört hatten, plötzlich verstummten. Das berührte sie unangenehm. Sie war an derartige Heimlichkeiten bei ihren Angestellten nicht gewöhnt. Bis jetzt herrschte in der Gärtnerei ein offener Ton, immer war einer gegen den anderen aufrichtig gewesen. Eine kleine Falte bildete sich auf ihrer Stirn, während sie nach kurzem Verweilen weiter schritt. Sie fand den alten Welser hinten im Gemüsegarten, wo er ein abgeerntetes Salatbeet umgraben und einteilen liess und dabei Miene machte, die neben ihm stehenden Pensees selbst zu pflanzen. „Das ist eigentlich nicht Ihre Sache, Welser,“ sagte Margarete. Er zuckte die Schultern. „Warum nicht? Unsere Gehilfen sind in der letzten Zeit bequem und interesselos geworden; eh’ man ihnen etwas dreimal zeigt, macht man’s schon besser selbst.“ Margarete gewahrte jetzt zum erstenmal einen gewissen Missmut auf dem Gesicht des Alten. Das frappierte sie um so mehr, als ihr schon kurz vorher das Benehmen der beiden jungen Leute aufgefallen war. „Wie kemmt das?“ fragte sie, „warum sind die Leute nicht mehr so arbeitsfreudig?“ Welser zögerte. Endlich sagte er kurz: „Wer weiss, was sie im Kopf haben, vielleicht ist es auch nur Hundstagshitze.“ „Das wäre doch sonderbar,“ erwiderte Margarete, „gehen Sie doch einmal der Sache auf den Grund, Herr Welser, Sie wissen, ich mag keine solche heimlich schleichende Unzu friedenheit leiden!“ „Ich hab’ schon gefragt. Dem August hab’ ich’s direkt ins Gesicht gesagt, dass er seit kurzem eine Miene aufsetzt, wie ein Schneemann an der Sonne. Solche Gesichter sind mir zuwider, Fräulein Margarete, ich kann’s nicht sagen, wie sehr. Aber wissen Sie, was mir der Bengel geantwortet hat? Er könnte ein Gesicht schneiden, wie’s ihm beliebte, darin wenigstens hätt’ ich ihm nichts zu befehlen.“ „Ich glaube. Sie gehen zu zart um mit den Leuten, lieber Herr Welser, kehren Sie doch den Vorgesetzten in solchen Sachen etwas mehr hervor.“ Welser lächelte fast wehmütig und schwieg; Margarete zog ihren Brief hervor. „Da ist wieder ein Gartenfest nächste Woche und vorher Konzert im Kasino. Die Bühne soll dekoriert werden und für das nachfolgende Festessen sind die Dekoration des Saales und zwölf feine Tafelsträusse bestellt.“ Welser nahm den Brief. „Ich werd’s mir notieren, Fräulein.“ „Wo ist Dietrich?“ fragte sie weiter. „Drüben im Orchideenhause.“ „Richtig, nach den Orchideen wollte ich auch noch gehn,“ sagte das junge Mädchen, und schritt zurück an den Gemüsebeeten hin, durch den Obstgarten, im Vorbeigehen die Spaliere prüfend, aus denen die reifenden Aprikosen und Pfirsiche prächtig hervorleuchteten. Das Orchideenhaus war das Angstkind der Gärtnerei. Man hatte vor einem Jahr zum erstenmal tropische Orchideen aus England bezogen und waren anfänglich manche Miss griffe getan, dass es nunmehr sorgfältigster Pflege bedurfte, um sie in Vegetation und zum Knospenansatz zu bringen. Dietrich war eben im Begriff, die Gefässe zu unter suchen, ob die Wurzeln sich zeigten und die Bulben neue Augen angesetzt hatten, als Margarete eintrat. In Körben gitterartig primitiv zusammengefügt, auf Rinden stücken und auf Brettern mit Draht angeheftet, kaum eine Handvoll Sphagnum als Polster, hingen die Pflanzen frei in der Luft. Die sonderbarsten Blütenformen in zarten und leuchtenden Färbungen erregten das Interesse jedes Blumen freundes und dabei war die Luft mit einem süssen vanille artigen Duft geschwängert. Die dazwischen sich an den Säulen schlingenden Clerodendron und eine an der Giebel seite aufgestellte Farrngruppe wirkten höchst dekorativ und gaben dem Hause einen echt tropischen Anstrich. Margarete blieb erfreut auf der Schwelle stehen. „Nun, wie gedeihen die importierten Pflanzen, gewöhnen sie sich ein?“