Volltext Seite (XML)
habe. Man wende diele Entgegnung einmal ans die Geologie an. Man sage einmal dem Geologen, daß möglicherweise die auf ven Alleghauen- uud Alpen felsen gefundenen Seemuschel» in dieser Lage immer gewesen uud nicht von dem Ocean hervorgebracht wären; baß die versteinerten Thiergerippe eben so von aller Ewigkeit her sind, wie die Felsen; daß der Zeit nach zwischen der organischen und unorganischen Welt kein Unterschied sep, und daß alle über den Urzustand der Erde, vermittelst geologischer Forschungen, gewonnene Er- kenntniß eine reine Täuschung sey. Es wird dem Geologen ganz unmöglich seyn, einen solchen Einwurf durch eine direkte Antwor't zu beseitigen. Er würbe sagen, daß die Vermuthung des Antagonisten allerdings möglich sep, obgleich es großer Unsinn sepn würde, wirklich daran zu glauben; daß sie cut- wever ein Produkt des grübelnde» Witzes sep, um die Geistreichigkeit des DiSputirenden zu zeigen, oder, wenn das nicht, der Erfinber derselben einen ganz eigenthnmlich beschaffenen Verstand haben müsse, mit dem sich nicht streiten lasse. Wir zweifeln, ob je Jemand eine solche Hypothese ausgestellt. Die jenigen, welche metaphysische Probleme auf eine einfache Weise zu lösen suchen, thun vielleicht Recht daran, wenn sie gegen die Skeptiker ähnliche Mittel an wenden. Denn wäre eS nicht höchst unsinnig, anzunehmen, daß dieser wunder volle Bau des Universums, dieses System der nach einem und demselben Gesetze sich bewegenden Welten, niemals sollte in Bewegung gesetzt, niemals nach einer Zweckmäßigkeit sollte entworfen worden seyuk Wir haben hier dadurch, daß wir beiden Hypothesen gleichen Werth beilegten, dem Atheisten mehr eingeräumt, als vounöthen war. In der That verhält sich dieses aber nicht so, denn die Annahme, daß die Welt von aller Ewigkeit her sep, ist nock- absurder, als diejenige, welche die primaire und secundaire Formation der Erdoberfläche nicht scheidet. Im ersteren Falle können wir eine solche verkehrte Ansicht geradezu widerlegen, während im letzteren der Geolog nur an die von jedem gesunden Menschenverstände zugestandene Wahrscheinlichkeit appelliren kann. Nichts ist klarer, als daß das Universum, wenn es von aller Ewigkeit her besteht, auch in alle künftige Ewigkeit sortbestehen müsse. Denn eine zer störende Ursacke ab exera kann cs nicht geben, da sie sich sonst in der ver gangenen Ewigkeit hätte zeigen müssen; ober, gelehrt ausgedrückt, was unendlich s pmne umo ist, muß es auch s Parte poxt sepn. Die Absurdität aber, der Totalität der Dinge eine ewige Dauer zuschreiben zu wollen, liegt zu Tag. Was lebt, ist, als Individuum, dem Tobe unterworfen, und selbst die Fortpflanzung uud die ewige Dauer als Gattung ist ganz zufällig und ungewiß. Keine Gattung oder Art trägt bie Spur einer nothwcnvigcn Dauer an sich, und eS ist abgeschmackt, von der ewigen Eristenz eines Gegenstandes zu sprechen, dessen Leben in seinem Begriffe nicht nothwcndig enthalten ist. Oder, um die Sache noch klarer zu machen, führen wir die Entdeckung neuerer Astronomen an, nach welcher das ganze Sonnensystem von einem Acthcr durchdrungen ist, dessen Widerstand dieses ganze System zu Grunde richten muß. Eine Maschine also, welche eine so zerstörende Ursache in sich enthält, kann unmöglich von einer unendlichen vergangenen Zeit her eristirt haben. Die Atheisten °) bringen noch eine andere Hypothese vor, welche, obgleich sie wegen der vielen Widersprüche, die sie enthält, in sich schon widerlegt ist, wir doch hier anführen wollen. Sie ist: daß die der Materie inwohnende Kraft von aller Ewigkeit her alle organische Wesen und Eristenzeu, welche jetzt die Erde erfüllen, hervorzubringen vermögend war. Die Französischen Materialisten neigten sich dieser Theorie vorzüglich darum so ganz besonders hin, weil sic einer lebhaften Phantasie und einem schwachen Verstände einen großen Spielraum ge währt; selbst Buffon lieh ihnen zum Theil die Autorität seines großen Namens. Es ist fast überflüssig, gegen cinc willkürliche Annahme zu polemisircu, welche behauptet, daß bas ganze Thierreich, der Mensch mit eingeschlossen, allmälig aus Würmern, die sich, nach dieser Ansicht, zuerst freiwillig aus dem Seeschleim entwickelt haben, sollte hervorgegangen seyn. Zu einer größeren refluotio uü »bum-ckum tonnte selbst die apriorische Demonstration nicht führen. Wenn wir nun auch diese, die Entstchungsweise des animalischen Lebens betreffende An sicht füglich übergehen können, ohne sic vorher noch lächerlicher, als sie bei ihrem ersten Anblicke schon in sich ist, zu machen, so erlauben wir uns, über derselben materialistischen Philosophen Ansicht von der Entstehung bcr unorga nischen Natur eine flüchtige Bemerkung mitzutheilen. Die Schwerkraft näm lich soll cs seyn, die, nach ikrcr Ansicht, das Universum zusammcngetricbcu hat. Die verschiedene« Weisen, in welchen diese Kraft sich manifestirt und immer dieselben Wirkungen hervorbringt, gab dieser Theorie den Anstrich von einer Wahrscheinlichkeit. Diejenige Gravitation, die wir jetzt als eine Stützkruft (8u-it»ming porvor) kennen, für ein schöpferische zn halten, ist in der That eine etwas gewaltsame Uebertragung, die von etwas mchr als Kühnheit zeigt. Jedoch ist dies noch lange nicht bie einzige Schwierigkeit in dieser Hypothese. Die Schöpfung kann nicht durch solche Mittel und wirkende Kräfte erklärt werden, welche in sich einen Theil der Schöpfung ausmacheu. Wir haben durchaus kein Recht, anzunchmcn, daß die Kraft, welche zu einem schon fertigen und in Thätigkeit gesetzten Maschinen-System gehört, den Theilen oder Elc- mcnten desselben inhärirt, und sich als solche manifcstircu würde, noch chc seine Theile gebildet und zusammengesetzt waren. Wenn ferner dasjenige, was mau Kraft oder Eigenschaft nennt, in Wahrheit nichts Anderes ist, als ein Ge setz oder ein Verhältniß der Thätigkeit, so ist es widersinnig und wider sprechend, zu behaupten, daß es die amm» »gonx ist, welche die Thätigkeit ins ') Der Ausdruck Atheist muß uneigentlich genommen werden, denn sowodl nachstehende alS frühere Ansichten von der Natur der Gottheit sind, genau genommen, kein Atheis mus, da sie eine höhere Kraft, welche entweder die tranSseeudeute oder immanente Ursache der Welt ist, annehmcn. Die Deutsche Philosophie ist überhaupt dahin gekommen, an- znnehmen, da? es weder Atheisten zieht, noch je gegeben habe. Leben rief. Giebt man selbst die ewige Eristenz der wüsten und anorganischen Materie nur eine« Augenblik zu, so stellt sich sogleich das Postulat des Atheisten, daß die Schwere eine inhärireude Eigenschaft der Materie ist, als sich wider sprechend, wenn nicht ganz und gar sinnlos, heraus. Es ist gerade so, als wollten wir behaupten, daß die regelmäßige Thätigkeit eine inhärireude Eigen schaft der Räber, Sprungfedern u. s. w. sep, da diese einzelnen Theile, wenn sie in einer Uhr angebracht werden, auf einander regelmäßig einwirken. Wir können wohl annehmen, daß die Undurchdringlichkeit eine nothwenbige Eigen schaft der Materie sep, weil wir sie nicht anders, begreifen können. Die Schwere aber ist ihr nicht so nothwendig. Dieser Ausdruck ist, genau genom men, nichts Anderes, als eine conventionelle Verallgemeinerung vieler That- sachen. °) Wir sagen, daß ein Stein auf die Erde fällt, und daß die Erde sich um die Sonne drehe, und erklären beides darum durch die Schwerkraft, weil die Geschwindigkeit und Entfernung beider Bewegungen eine bestimmte nmio zu einander haben. Daß aber diese Gleichheit der Thätigkeit von einer ver borgenen, bcicen Körpern gemcinschaftlich znkommendcn Eigenschaft, von der wir weder eine Erfahrung haben, noch haben können, hcrvoxgebracht werde, ist eine ganz willkürliche Annahme, selbst dann, wenn die Körper als Theile eines unb denelbeu Systems mit einander verbunden wären. Diese Ver- muthungmacherei aber noch weiter tragen, und annehmen, daß dieseden einzelnen Theilen einer Maschine nur von der Einbildungskraft beigelegte Eigenschaft auch der anorganischen Materie zukommc, heißt die Theorie in das Burleske umwandeln. Gesteht mau aber der Einbildungskraft ein solches weites Feld zu, so braucht sie sich ja keineufallS auf die Schwere zu beschränken. Wir können eben so gut annehmcn, daß jedes Atom der Materie mit einem freien intelligenten Geist beseelt ist, und daß die Uebereinstimmung dieser Prinzipien die Thätigkeit dcr Maschine leitet. Einc solche Theorie würde eben so plausibel sepn, als bie, welche bie Schwere als einc der Materie immanente Eigenschaft ansieht, und dcr sie in der That dem Charakter nach ganz ähnlich ist. Keine von beiden ist weder eines direkten Beweises, noch einer direkten Widerlegung fähig, beide müssen in das Gcbict der Einbildungskraft zurückgewiesen werden. In Bezug auf die Materie als solche, d. h. in ihrer Beziehungslosigkeit auf den menschlichen Geist, sind nur drei Hypothesen möglich. Erstens: daß sie todt, formlos und bewegungslos, und daß die geringste Veränderung in ihrem Zustande undenkbar ist. °°) Zweitens: daß sie so beschaffen und gestal tet ist, daß eine fremde Kraft, die immer nur auf eine oder doch nur auf wenige Weisen ans sie einwirkt, indem sic demjenigen entspricht, was wir die allge meinen Gesetze dcr Natur nennen, schon hinreicht, um eine große Mannigfal tigkeit von Wirkungen hervorzubringen; gerade wie das dem Mittelpunkt der Erde zngewcndcte Pendel einer Wanduhr eine sehr verwickelte Bewegung in den, Jnncrn derselben hervorbringt und alle mannigfaltige Erscheinungen an ihrem Aeußern verursacht. Drittens: daß dasjenige, was man secundaire Ursachen nennt, in dcr That gar keine Ursachen sind, sondern nur die Fälle be- zeichucn, an welchen Vorfälle und Veränderungen stattfinden, welche alle von der unmittelbaren energischen Thätigkeit einer, dieser Welt ganz und gar unverwandten, Macht vollführt werden. Die zweite und dritte Vermuthung sind gleich verträglich mit dem Dogma, welches das Seyn eines Gottes lehrt, nur daß sie sich in der Art und Weise unterschei den, in welcher er seinen Einfluß auf die Welt ausübt. Beide Thevriecn fassen ihn nicht nur als die schaffende, sondern auch als die erhaltende Kraft des Universums auf. Die dritte ist unstreitig die philosophischste Auffassung, denn sie umgeht die Schwierigkeit, der Materie eine energische Ursächlichkeit beizulegeu, uud braucht, ungeachtet der unmittelbaren Aufeinanderfolge oder des ZugleichscpnS von zwei Erscheinungen, nicht anzuuehmcn, daß ein uothwendiger Zusammenhang zwischen ihnen stattfindc. Die zweite Hypothese ist indessen die verbreitetere und neigt sich jener großen Lchre hin, daß die Gottheit nicht nur in all ihren Werken unaufhörlich gegenwärtig ist, sondern dieselben durch einc unaushörlichc Kraft in Thätigkeit sctzt und erhält. Die eine Erscheinung folgt ewig auf die andere; das große Räderwerk des Universums lauft niemals ab. Die Eristenz Gottes leugnen, heißt in die erste Hypothese fallen, nach welcher Schöpfung und Veränderung gleich unmöglich sind und die aktuelle Natur und Erscheinung der Dinge ein unerklärbarer Traum ist. Unendlichkeit Gottes. Die menschliche Erfahrung, welche von eincr endlichen Anzahl von Wir kungen auSgcht, kann indessen nur eine denselben angemessene Ursache beweisen. Die unendliche Macht und Weisheit Gottes kann nicht unmittelbar von dcn enblicheu Erscheinungen, ans dic allein unsere Beobachtung sich nur erstrecken kann, hergeleitet werden. Allein vaS Mangelhafte in diesem aposteriorischen Argument ist, obgleich man cs ganz besonders hervorhob, lange nicht so be' ') Kani halt die Schwere gle -diabs für ein dem Köper nicht nothwendig zukcmtmu- dcS Element; er Hilt datier das Urtheil: „der Körper ist schwer", sür ein wnthstlsckeS lErlahrnnaS UrideN >, während der Tan „der Körper ist ausgedehnt" ein analhtischeS sapriorifcheS, von der Erfahrung unabhängiges, well der Körper nicht anders gedacht wer den kann! Urthell w. In Wahrheit aber ist hier wie dort die Sbwerc mit der Schwer kraft verwechselt; letzteres ist allerdings ein ideales -Verhältnis, das unser Geist von den mannlgiachen Erscheinungen der realen Körper adstrahitt, und das daher denselben nicht als ein reales Element zukümmt; ersteres aber kömmt dem Körper eben so reell zn, wie die Ausdehnung und die Undurchdringlichkeit. ") Diese Ansicht ist, so seltsam eS auch kliugen mag, die Kantische. Kant nämlich behaup tet. da? wir die Erscheinung deS DingcS, aber nicht das Ding selbst an sich, seiner Sub stanz, seinem Wesen nach, erkennen können, d. h. waS wir von den, Dinge erkennen, ist nicht daS Dina selbst, sondern unsere subjektive Anschauung und Meinung davon, waS nun so viel ist, als das Wesen dcS Dinges tritt nicht aus sich heraus in die Er scheinung, sondern sein Wesen oder die Materie ist todt rind bewegungslos. I. L- S.