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171 deutend, wie man im ersten Augenblicke glaubt. Daß die unabhängige und erste Ursache eristire, so wie, daß sie Attribute besitze, welche der mensch liche Geist nicht begreifen kann, geht aus unserem Beweise deutlich hervor. Das Argument, welches von der Wirkung ausgeht, kann in Bezug auf die Erste Ursache in keine Verlegenheit kommen. Hier können wir gut in einer unserem früheren Verfahren entgegengesetzten Weise schließen und so das Mangelhafte daran durch ein strenges und untadelhastcs apriorisches Argument ersetzen; welches so lautet: Der Begriff Gottes und die Realität seiner Existenz, wozu wir durch die in seinen Werken enthaltene Evidenz gekommen sind, liefern die erforderlichen Data fürs Erschließen des entgegengesetzten Charakters und setzen uns in Stand, seine unendliche Güte, Weisheit und Macht zu demonstriren. Ein jedes dieser Attribute kann leicht von dem Be griffe seiner unabhängigen Natur und primairen oder unbedingten Existenz abgeleitet werden. Jedoch erlaubt uns der Raum nicht, diesen Beweis weiter zu entwickeln, und wir verweisen den Leser auf diejenige Abhandlung Clarke's, welche die Entwickelung der Attribute Gottes zu ihrem Zwecke hat. So hätten wir gesehen, daß das Argument von der Zweckbestimmung derjenigen Methode, von der man in den Naturwissenschaften Gebrauch macht, ganz analog ist, und daß das Resultat, zu dem cs uns führt, nicht verworfen werden kann, ohne zugleich die Basis aller menschlichen Erkenntniß zu unter graben. Wenn wir es vorzüglich durch solche Beispiele beleuchteten, die aus der Geologie genommen sind, so geschah es nicht etwa darum, weil diese Wissenschaft der Beweise mehr darbietet, als andere Gebiete des Wissens, sondern weil sie treffender und schlagender sind und für ihr Verständniß eine minder große Vertrautheit erheischen. Hiermit glauben wir auch die Wahl Paley's in der Behandlung seines Gegenstandes gerechtfertigt z» haben. Seine Absicht war nur die, aus dem kürzesten und einfachsten Wege ein Argument darzustellen, welches jedem Verstände zugänglich ist, und alle metaphysischen Spitzfindigkeiten, die, weil in sich unwahr, nicht verstanden werden, zu vermeiden. Ueberdies haben sie mit in Rede stehendem Punkte gar nichts zu thun. Der Erfolg be weist indessen auch seine glückliche Wahl: denn ungeachtet daß so viele logische Metaphysiker in vorliegendem Werke Jrrthümcr über Jrrthümcr nachzuweisen suchten, steht es noch immer unwiderlegt und als in diesem Punkte die höchste Autorität behauptend da. Es bildet noch immer das Evangelium für den Beweis vom Daseyn Gottes, und Tausende von Menschen stärken sich und befestigen ihren Glauben noch immer an ihm. Frankreich. Eine Verschwörung unter Ludwig XIV. Unter Ludwig XIV. wurde der Lurus ein Lebcnsbedürfniß; die jungen Leute von hoher Geburt wollten sich um jeden Preis auf den Reisen nach Marly auszeichnen und bei dem Spiel des Königs mit Gold um sich werfen; die Sucht, zu glänzen, wurde zum Wahnsinn. Unter den jungen Edelleutcn, welche sich hinsichtlich der Eleganz und sorglosen Verschwendung ganz beson ders hervorthaten, stand der Chevalier von Rohan obenan ; er war der Sohn des Obcrstallmeisters, Fürsten von Montbason, und der Anordncr aller Fest lichkeiten. Hinreißend durch Lebhaftigkeit, hatten ihn seine durchaus fürstlichen Manieren zum Herzensfreunde und Gefährten des Bruders Ludwig's XIV., Gaston's von Orleans, gemacht. .Da man aber seinem Einflüsse und seinen Rathschlägen die politische Unzufriedenheit, den Ehrgeiz und das ausschweifende Privatleben des Herzogs von Orleans zuschricb, so wurde er verbannt, bald jedoch durch den Einfluß seiner Familie wieder nach Versailles zurückbcrusen und überall wohl ausgenommen. Nun aber verführte beleidigter Stolz den Chevalier zu allen Erzessen, in deren Gefolge Gefahr lauert; die Selbstsucht wurde für ihn zur Leidenschaft. Er umgab sich mit einer wahren Lurus- Atmosphäre, und als die Erschöpfung seiner Börse ihn mit dem Stur; be drohte, trat ihm die Versuchung zum Bösen entgegen. In allen gesellschaftlichen Beziehungen zweiten Ranges war ein gewisser La Trucaumont der Gefährte des Chevaliers. Dieser junge, ehrgeizige, unter nehmende Mann, von verderbten Sitten, war der Sohn eines Rathes der Rcchnungskammer von Nonen. Er hatte sich zum Agenten aller wucherischen Anleihen der jungen Verschwender hergcgcbcn, und seine feurige Einbildungs kraft, sein erfinderischer Geist machten ihn zu einer der Haupt-Triebfedern in dem gekünstelten Leben des Chevaliers von Rohan. Eines Abends ging an der einen Ecke des alten Hotels Saint-Pol ein wohlbeleibter Mann, auf Holländische Weise mit einem Filzbut und weiten faltigen Beinkleidern angcthan, langsam auf und nieder; nur einige halb unterdrückte, in fremder Sprache gemurmelte Ausrufungen bekundeten seine Ungeduld. Es schlug eilf Uhr: Kerzenschimmcr flammte hinter den hoben Fenstern der Paläste des Quartier des Tournelles, und mit ironischer, nach denklicher Miene betrachtete der Fremde das Treiben der zahlreichen Diener schaft, welche bei den damals so sehr Mode gewordenen Soupers auswartete. Noch eine Stunde verstrich, da öffnete sich das Gitter eines prächtigen Ge bäudes, und die Luft hallte wieder von dem Gelächter einer munteren Schaar; weiße Federbüschc, reiche Agraffen und Schleifen von den lebhaftesten Farben schimmerten im Fackclglan; der Läufer. Die Schaar zerstreute sich, die Stimmen verhallten, das Fackellicht verschwand, und bald hörte man nur noch den einförmigen Schritt der Schildwachcn an den Gräben der Bastille. Nur der Chevalier von Rohan entfernte sich nicht; der nächtliche Wanderer gesellte sich zu ihm, man wechselte die für die Zusammenkunft bestimmte Parole. „Ban", sprach Rohan; „den", entgegnete der Mann mit dem Filzhut; „Enden" flüsterte ein dritter Ankömmling. „Ah, Du bist cS, La Trueau- mont", sagte Rohan mit leiser Stimme. — „Freilich, und in Eurem und meinem Interesse wünschte ich, daß Ihr schnell Eure Geschäfte abmachtet." — „Dort auf den Wällen tauchen drei Schildwachen auf", meinte der zuerst Gekommene. — „Eure Holländische Geduld ist erschöpft, wie ich merke, Meister van den Enden", setzte der Chevalier hinzu; „ich bin ganz der Eurige." Das Dreiblatt begab sich in die Vorstadt Saint-Antoine; bald blieb Rohan vor einer gewölbten Thür stehen, die mit einiger Bildhauerarbeit verziert war; er zog die Klingel, und sogleich öffnete ein Diener ohne Livree. La Trucaumont folgte dem Chevalier wie ein Hausgenosse, und zum ersten Mal tönte das Getäfel des kleinen Hauses nicht wieder von frohem Gelächter; die Verschwörung war hier cingezogen; es setzten jene drei Männer Leben und Ehre für ein wenig Gold aufs Spiel. Die Holländische Flotte war im Angesicht der Französischen Flagge untergegangcn; man wollte durch Ver- räthcrci einen Einfall wagcn, der durch die Waffen unmöglich war. La Trucaumont hatte den Plan entworfen und legte ihn dem Grafen von Mon terey, einem Holländischen Diplomaten, vor, der darauf einging; der Ver schwörer rühmte sich seines Einflusses in der Normandie, versprach, das Volk aufzureizcn und dcn Fremden zwei Häsen auszuliesern; Honflcur und Qnille- beuf warcn dazu ausersehcn. Ein Bries ohne Unterschrift stipulirte die Inter- essen der Parteigänger; man versprach auch die Intervention eines Fürsten. Van den Enden, ehemaliger Gymnasial-Professor, wegen Irreligiosität ab gesetzt und in Picpus sich aufhaltend, war der geheime Agent dieses verbreche rischen Traktats; eine hohe Person war mit ihm einverstanden und ließ ihn handeln. Der Chevalier von Rohan ließ sich, von Sophismen betäubt und von der Vergnügungssucht fortgcriffcn, in dieses antinationalc Unternehmen ein. Die Gewandtheit einer Frau schien bei dem Komplotte von Nutzen, da her weihte La Trucaumont dic Marquise von Villars in das Geheimniß ein, und in jener Nacht wurden die Grundlagen des Vertrages in dem kleinen Hause des Chevaliers von Rohan verabredet. „Die Bevölkerung der Normandie ist unzufrieden und aufgeregt der Steuern wegcu, sie wird sich in Masse erbeben", sprach La Trueaumont. „Holland möge Schiffe ausrüsten, sie nach unseren Seekllsten senden, und bald werde ich ihnen eine Nhcde öffnen, damit sic festen Fuß fassen können- Ihr, Chevalier, werdet einen Weg im Innern bahnen und einige günstige Signale in Versailles aufpflanzcn." — „Du stehst mir aber dafür, La Trucaumont, daß mein Name nicht mit ins Spiel kömmt?" — „Glück ohne Gefahr und schneller Sieg." — „Und dic guten Dukaten von reinem Holländischen Golde wird der Graf Monterey in London auszahlen lassen", fügte van den Enden hinzu. La Trueaumont griff zur Feder, stellte dic Artikel fest, stipulirte die Summen, der Vertrag war geschlossen, und der Tod erhob die Sense- Tages darauf war Mittagstafel im engsten Kreise im Hotel von Villars; der Chevalier von Rohan erschien nicht bei derselben. Dort besprach man die Supplementär-Artikel. Um die Gefahr eines Briefwechsels ins Ausland zu vermeiden, kam man überein, daß, wenn die Verschwornen dcn Augen blick sür günstig hielten, man zwei scheinbar unbedeutende Artikel über eine Ernennung in der Armee und über cine diplomatische Sendung in die Hollän dische Zeitung einrücken wolle, dic als Signal zur Bewaffnung einer Flottille dienen sollten. An demselben Abend verlor der Chevalier von Rohan tausend Louisd'or im Spiel des Königs; er zahlte achthundert aus und wollte die Summe durch Holländische Dukaten vervollständigen. „Ncin", sagte Ludwig XIV., „nichts als Französisches, selbst im Gelde." — „Da Ew. Majestät diese Dukaten zurückweisen, so taugen sie zu nichts mehr", entgegnete der Chevalier, näherte fick cincm Fcnster und warf eine Handvoll fremden Goldes in den Park hinunter. Alle Wett sah sich an; man erzählte die Anekvote weiter, und der Holländische Agent lächelte.... DaS Handgeld konnte nicht noch einmal gezahlt werden. Die Verschwornen gingen ans Werk; die Marquise von Villars spann Netze, der Chevalier von Rohan schwächte dic Gewalt durch Satire und setzte sich durch Bestechung in dcn Besitz von Staatsgeheimnissen. La Trueaumont begab sich in die Normandie; das Aufgebot der Ritter und Edelleute, das zum Schutz der Gränzen be sohlen war, begünstigte seine Unternehmungen, dcnn dadurch waren Ver sammlungen auf dem freien Lande und Bewegung in dcn Städten gerecht fertigt. Der Verschwornc verstand eS, überall zu seyn; er streute Geld mit vollen Händen bei VcrgnügungS-Parliccn und fachte überall die Unzufrieden- hcit an. Bald darauf las man in der Holländischen Zeitung unter dem Artikel „auswärtige Nachrichten": „Der König Ludwig XIV. wird wieder zwei Marschälle von Frankreich ernennen", und: „Ein Courier auS Madrid ist in Brüssel angekommen." Kurze Zeit nachher lavirteu Holländische Segel an den Küsten der Normandie. Die Seewacht ließ jedoch eine Warnung ergehen, die Polizei sandte Agenten auS, und die Bewegung der Fremden in der Nähe der Häfen von Quillcbeuf und Honflcur machte die genauesten Nachforschungen dringend nöthig. La Trueaumont'S häufige Reisen nach Rouen, seine Ver schwendung und seine bekannten Verbindungen mit den jungen Edelleuten, die bei Hose Zutritt hatten, alles dies erregte Verdacht. Schmähschriften, die aus gcheimnißvolle Weise in dcn Vorstädten von Rouen verbreitet wurden, auf rührerische Anschläge an dcn Kirchthüren und das bald sich mehr nähernde, bald sich wieder entfernende Kreuzen der Holländer an dcn Küsten verstärkte den Argwohn. Der Präsident Pelot sammelte alle diese halben An zeichen und beschloß, La Trueaumont besonders beobachten zu lassen, der dcn jungcn Edelleutcn der Umgegend kostspielige Gastereien gab und sich durch Un- sittlilbkeit und allerhand Inkognito verdächtig machte- Ein Edclmann erbot