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172 sich aus Vaterlandsliebe, bei demselben die Rolle eines Spions zu spielen. Er schlich sich unter die Gäste der Lustgelage ein, folgte allen Schritten La Trueaumont's und gewann sein Vertrauen durch heftige Declamationen gegen das Regiment des Königs, spielte dann den Gewonnenen, und bald hatte dieser keine Geheimnisse mehr für ihn. Mit diesen also herausgelockten Nachrichten eilte der Präsident Pelot nach Paris, der Invasions-Plan wurde Ludwig XIV. in Versailles mitgetheilt und die Namen der Verschworenen seiner Verfügung anheimgestellt. „Wenn es sich um eine Verschwörung gegen meine Person handelte, so würde ich Gnade ergehen lassen", sprach der König, „aber Frankreichs Wohl fahrt gilt mehr als mein Leben, ich würde meinen Beruf als König schmähen, wollte ich mit dem Berrathe einen Vergleich eingehen; die Gerechtigkeit habe also ihren Lauf." — Der Garde-Hauptmann Graf von Apen wurde mit den Befehlen des Königs beauftragt, und der Präsident reiste eben so schnell und so geheim nach Rouen zurück, wie er von dort gekommen war. Am fol genden Tage forderte der Herzog von Brissac, Major der Leibgarde, dem Chevalier von Rohan beim Herausgehcn aus der Messe den Degen im Namen des Königs ab; der Chevalier erbleichte, folgte ganz still dem Major auf sein Zimmer und wurde Abends nach der Bastille geführt. Ludwig XI V. hatte befohlen, und die Gerechtigkeit handelte mit beflügelter Eil. Der Herzog von Brissac begab sich nach Rouen und verrichtete hier den Dienst eines einfachen Offiziers der Marschaussee, indem er La Trueaumont gefangen nahm. Der Verschwörer vertheidigte sein Leben mit dem Schwert in der Hand und konnte nur durch Blut erkauft werden. Er wurde verwundet und fiel. Man wollte ihn für das Schwert des Henkers erhalten und verband seine Wunden, aber die Ehre seiner Familie sprach lauter zu ihm als die Pflicht des Christen ; La Trueaumont zerfleischte seine Wunden mit den Zähnen, streute Gift hinein und starb noch an demselben Abend. Während aber La Trueaumont sich mit Gewalt ins Grab stürzte, um das Komplott in Dunkel zu hüllen, sügte sein Neffe, der Chevalier de Preault, der die Mittelsperson zwischen der Marquise von Villars und den Verschwornen gewesen war, zum Verbrechen noch eine Niederträchtigkeit. Er erklärte, daß er auf die Projekte des Chevaliers von Rohan und La Trueaumont's nur cingcgangen sep, um die Verschwörer dem Könige zu überliefern. Auch der Name der Marquise von Villars wurde so ans Licht gezogen, und sie erschien auf der Bank der Angeklagten ihrem Anklä ger gegenüber. Zwei Briese von ihr, die sich unter den Papieren des Cheva liers von Preault vorhanden, waren gültige und rechtskräftige Zeugen wider sie. Das Urthcil wurde gesprochen, cs traf den Angeber eben so wohl wie sein Opfer, Allen wurde der Tod zucrkannt. Da wendete sich Frau von Villars mit Würde zu ihrem Ankläger und sprach: „Sehen Sie mich an, betrachten Sie dieses Haupt, dato wird cs unter dem Beile fallen, und Sie haben es dem selben preisgcgeben! Diese Briefe eines verblendeten Augenblicks, Sie haben sie aufbewahrt, um sich einen Schild daraus zu machen." — „Gnade", rief der Chevalier Preault, „Barmherzigkeit!" ... „Die Zeit ist vorüber, mein Herr, denken Sie jetzt nur daran, gut zu sterben!" Drei Gefängnisse der Bastille hörten die letzten Seufzer der Marquise von Villars, des Chevalier von Rohan und Prüault's. Ein großer Name sollte beschimpft werden... Rohan hätte seinen Kopf retten können. Die Prin zessin von Guemem-e, seine Mutter, wendete Alles an, um den Abkömmling ihres Geschlechts vom Tode zu retten, aber der Leichtsinn, der ihren Sohn an den Rand des Abgrundes geführt hatte, überlieferte ihn auch dem Schwerte. ES waren gegen ihn nur Vermuthungen vorhanden. Da begab sich ein Staats- rath zu ihm in den Kerker, um ihm wo möglich ein ausführliches Geständniß zu entlocken; bei dem bekannten Charakter des Gefangenen war dies gerade keine schwierige Aufgabe. Der Rath überzeugte den Chevalier, daß untrüg liche Beschuldigungen gegen ihn vorlägen, er deutete auf seinen Tod hin, schreckte ihn durch eine Hinweisung auf die Folter und gab ihm zu verstehen, daß ein offnes Geständniß ihm die Gnade des Königs auswirken würde. Der Chevalier von Rohan fürchtete die Qualen der Tortur, er glaubte den Vor spiegelungen und gestand Alles ei». Die ganze Verschwörung wurde enthüllt, der Gefangene sprach mit Vertrauen, und während er sich einbildete, daß eine Freundeshand seine Zugeständnisse aufzeichnete, um eine Bittschrift zusammeu- znstellen, baute der Verrath an seinem Schaffotte. Der außerordentliche Ge richtshof berathschlagte, und Rohan tröstete sich mit Lebcnshoffnunge»; er er schien vor seinen Richtern, und es wurde ein Vcrdammungs-Urtheil ohne Zeu gen, auf das bloße Geständniß deS Schuldigen hin, ausgesprochen. Es gab also wichtige Geheimnisse, die ein Grab besiegeln sollte. Ludwig XIV. hatte gesagt: „Das Gesetz mag strafen, aber die Anklagen sollen verstummen." Bald ertönte vom Donjon der Bastille die Todtcnglocke für die drei Vcr- urtheilten, doch sic waren standhaft und gefaßt. Im Angesicht deS Todes nimmt die Seele ihr ursprüngliches Wesen wieder an, die Hülle, womit Leiden schaft und Sünde sie umzogen, fällt ab, die Religion erkennt sie wieder und tritt tröstend herbei- Die letzte Nacht des Chevaliers von Rohan war seines hohen Namens würdig; betend am Fuße des Kreuzes, hatte er Bourdaloue's Worten gelauscht, der dem Reuigen im Namen des Heilandes Barmherzigkeit zuffcherte; die heiligen Sakramente des Abendmahls und der Oelung hatten ihn gereinigt, sein Geist löste sich von der Erde los, da erinnerte ihn der Ruf zum Schaffott, daß das Leiden zu Gott führe. Der Neffe La Trueaumont's, der Chevalier von Preault, antwortete nur mit Schluchzen auf die Ermah nungen des Priesters, der bei ihm wachte. (Schluß folgt.) Mannigfaltiges. — Pfennig-Magazine des Mittelalters. Herr Thomas Wright, Mitglied der historischen Gesellschaft in London (IlisroriosI «oeiet^ ok Science», hat kürzlich eine sowohl für Geschichts- als für Sprachforscher sehr interessante kleine Sammlung „populair geschriebener wissenschaftlicher Abhandlungen aus der Zeit des Mittelalters", und zwar sowohl in Angelsächsischer, als in Anglo- Normannischer und in Englischer Sprache, herausgegeben. °) „Wir thun unse ren Vorfahren Unrecht", sagt der Herausgeber in der Einleitung, „wenn wir die Meinung hegen, sie hätten das Bestreben gehabt, dem Ungelehrten die Wissenschaft unzugänglich zu machen. Zu allen Zeiten haben sie vielmehr für die Nichteingeweihtcn Abhandlungen geschrieben, die in zwiefacher Beziehung interessant sind: sowohl weil wir daraus ersehen, auf welche Weise man damals die Wissenschaft populair machte, als weil sie ein Maßstab sind für die in jener Zeit vorbereiteten Kenntnisse überhaupt." Die Schrift des Herrn Wright be ginnt mit einer höchst merkwürdigen Angelsächsischen Abhandlung über Astro nomie aus dem zehnten Jahrhundert, die, wie es im Prolog heißt, nach Bede's Traktat De natur» rerum gearbeitet ist und von welcher in Englischen Bibliotheken noch mehrere Handschriften eristiren, die zur Belehrung und Un terhaltung der Nonnen in den Klöstern gedient. Es folgen darauf zwei große Anglo-Normannische Gedichte von Philipp de Thaun „I.i Divre ckes Oremure»" und I-i kestiaire, von denen das erstere von göttlichen und welt lichen Dingen und das zweite von der Naturgeschichte der Thiere handelt, wobei der Dichter auch manches Fabelhafte angebracht, das zu seiner Zeit über gewisse Thiere verbreitet war. Das „Bestiarium" war, wie aus dem Prolog hervorgeht, für die Königin Alice von England geschrieben. Der Prologus des „Buches von den Kreaturen" lautet folgendermaßen: Philippe äa l^-aun... sii Kit une raisu» ^ur pruveirk« xusriUr ... «1« l.» lei mlimteuir. xiiii miele l'evveiet ... mneo<ler In Ueiet Auf die Mitthcilungen aus den beiden Perioden des Angelsächsischen und des Anglo-Normannischen läßt Herr Wright eine versifizirte Abhandlung aus der Mitte des iZten Jahrhunderts folgen, um welche Zeit das bis dahin von den höheren Volksklasse» ausschließlich gesprochene Anglo-Normannische von dem eigentlichen Englisch verdrängt zu werden anfing, welches damals noch viel mehr als jetzt die Spuren des älteren Angelsächsischen trug. So macht Herr Wright darauf aufmerksam, daß im Englischen jener Zeit, wie früher im Angelsächsischen und heute noch im Deutschen, wie in allen Germanischen Sprachen, die Sonne (suu) weiblichen und der Mond (mann) männlichen Ge schlechts gewesen, während jetzt im Englischen, eben so wie in allen Romanischen Sprachen, das Umgekehrte der Fall ist. Die Abhandlung selbst ist ein Bruch stück aus der unter Eduard I. in Versen abgefaßten Lebensbeschreibung der Heiligen. Der Herausgeber hat sich besonders um die treue und korrekte Mit- theilung der verschiedenen Texte verdient gemacht; auch hat er dem Angel sächsischen und dem Anglo-Normannischen Englische Uebersetzungen hinzugefügt, die dem Ganzen zur nothwendigen Erläuterung dienen. — Dänische Literatur deS Jahres 1841. In dem diesjährigen Leipziger Ostermeß - Katalog beläuft sich die Anzahl der neu angekündigten Werke in Dänischer Sprache aus I7S. Da nur wenige Dänische Bücher bei solchen Verlegern erscheinen, die nicht Mitglieder der Leipziger Buchhändler- Börse, so sind diese 178 Werke wohl als der hauptsächlichste Ertrag anzusehen, den die Dänische Literatur im vorigen Jahre geliefert. Es befinden sich darunter von H. C. Andersen: „Eventyr fortalte for Börn" (Abenteuer, für Kinder erzählt) und „Rciseskizzer" (von welchen wir im Monat Januar die Schilderung von Muhamed's Geburtagsfeier in Konstantinopel mitgetheilt); ferner von B. S. Ingeinann (außer neuen Ausgaben mehrerer älteren Werke): „Folkc- dands-Wiser og blandede Digte" (Volkslieder rc.); von Oehlenschläger: Dina, eine Tragödie; von Wollert Konow (dem Norweger): „Nord og Spd" (Nord und Süd), Novelle, und endlich „Thorvaldsen og Hans Vär- ker" (Thorwaldsen und seine Werke); erster Theil, enthält 81 in Kupfer ge stochene Abbildungen von Werken des Künstlers nebst erläuterndem Tert. Von jenen I7S neuen Büchern sind 18, also etwa der zehnte Theil, aus dem Deut schen übersetzt oder nach Deutschen Werken bearbeitet. Hierbei befindet sich unter Anderem: „Hvad jeg oplevede", von H- Steffens; „Julefesten" (die Weihnachtsfeier) von Fr. Schleiermacher; „Lärebog i christelig Tro og Lev- net" (Lehrbuch des christlichen Glaubens und Lebens) von PH. Marheineke; „Populair Frcmstelling af den Hegelske Philosvphies Resultater" (Populaire Zusammenstellung der Resultate der Hegelschen Philosophie); „Danmarks Historie", von F. §. Dahlmann; „Almindelig Verdenshistorie" von Karl von Rotteck (zweite Auflage) und „Verdcnshistorie i Biographier" (Welt geschichte in Biographieen) von K. W. Böttiger. ') Populär N'rentl^sn on Keienee vrittott sturinx tbe misMo «go«. usltes frnm Hie orlxiunl mniuu-eript« in Pboiunn ^rixlit Lug., >1. , L. 8. e.. ob NHincv LoNexe, Ombriilxe. ") Philipp de Thann bat eine Abhandlung geschrieben, um Priester in den Stand zu sehen, das Gesetz ausrecht zu erhalten. Er sandte sie seinem Sheim, der sie verbessern sollte, wenn darin etwas schlecht gesagt wäre, sowohl dem Inhalt als dem Worte nach, dem Hnmphrei von Thau», Kaplan von Ahun und Seneschal deS Königs, war ich im Vorbeigehen euch sage. Hcrausgegcben von der Erpcdition der Allg. Preuß. Staats-Zeitung. Redigirt von I. Lehmann. Gedruckt bei A, W. Hayn.