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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumeration«. Prei« 22j Sgr. (j THIr.) vierteljährlich, Z Thlr. für das ganze Jahr, ohne Er- HSHung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man pränumerirl auf diese» Beiblatt der Allg. Pr. Staar«. Zeitung in Berlin in der Expedition (Friedrichs Straße Nr. 72); in der Provinz so wie im Ausland« bei den Wohllöbl. Ppfi-Aemtern. Literatur des Auslandes. 82. Berlin, Mittwoch den 10. Juli 1839. Türkei. Kurdistan und seine Bewohner"). Schon am ersten Tage unseres Einzugs in Malaiia (dem alten Mciiiene) verbreitete sich das Gerücht von der Ankunft zweier Russischer Offiziere, welche die Kurdischen Stämme orga- nisiren sollten, die jetzt mit der Türkischen Armee in Fehde liegen. Diese beiden Russische» vorgeblichen Offiziere waren niemand an ders, als mein Reisegefährte und ich. Man haue einen geheimen Courier in das zehn Lieues westlich von der Sladl befindliche Lager geschickt, um Hafiz Pascha diese Kunde zu bringen. Der Pascha beorderte in größter Eile einen Taiaren nach MalaUa, und sein Secreiair erhielt de» Befehl, uns nicht eher Pässe zu geben, bis er über unseren Stand und Charakter außer Zweifel seyn würde. Doktor Magdaleno, dessen ich in meinem vorige» Schreibe» ge dacht, setzte u»s von AUem in Kennuiiß und gab uns den Rach, mit unseren Großherrlichen Fermanen vor dem Secreiair zu er scheinen. Wir machten demgemäß diesem Herrn unsere Aufwar tung: er empfing uns im Anfang sehr frostig; sobald er aber einen Blick auf unsere Fermane geworfen haue, veränderte sich der ganze Ausdruck seiner Miene, und von jetzt an wurden wir mit de» schmeichelhaftesten Komplimenten und verbindlichste» Phrasen lraklirt. Er sagte uns, Hafiz Pascha, der Generalissimus der Armee am Taurus, habe unsere Ankunft vernommen und wünsche lebhaft, unsere Bekanntschaft zu mache». „Geht ins Hauplauanier", seyie er hinzu; „der Seriasker liebt die Fran zosen sehr und wird sich sehr freuen, Luch in seinem Zelte be grüßen zu können." Wir machten uns sofort auf den Weg da hin. Die Beschwerden meiner Reise brauche ich nicht zu bereuen, da ich hier gar merkwürdige Details über Sine», Charakter und Glauben der Kurden und Jesidi's erfahren habe. Da» Land Kurdistan, welches südwärts von Armenien in einer Länge von VS Lieues von Nord-West nach Süd-Ost, bei S» Lieues durchschnittlicher Breite, sich ausdehm, ist reich a» Korn und Viehweiden. Die Kurdischen Bewohner leben qrößteniheils nicht umer Zellen, sondern i» großen Dörfer» und Flecken, von denen mehrere so bevölkert sind, wie Städte vom dritten Rang in Europa. Schehrsor zählt lEt) und Kerkul bis an Seelen. Erbeli, das alte Arbela, wo Alexander die ganze Macht des Darius in Trümmer schlug, ist heutzutage ein Städtchen von 40VV Bewohnern. Die Kene des Zagros, welche CuniuS Rufus die Gordischen Berge nennt, begränzt Kurdistan im Osten; die Arabische Wüste im Süden; das Gebiet von Karput im Norde» und der Aladscha-Dagh (bunie Berg) oder Ami-Taurus im Westen. Das letztere Gebirge, wo ich inich jetzt befinde, ist aus schließlich von Kurden bewohnt. Nach den wahrscheinlichsten Schätzungen beläuft sich die Kurdische Bevölkerung aus drei Millionen Seelen. Ungefähr hunderttausend Individuen find Nestorianische Christen, die zwei erbliche Patriarchen haben. Dev eine, welcher immer Mark-Ejman heißt, residirt in Kodschanissa, unfern der Stadl Sschulonnek; der Andere in Raban-Ormes. Umer diesen Patriarchen stehen dreizehn Bischöfe- Die patriarcha lische sowohl als die bischöfliche Würde erbt vom Onkel auf den Reffen fort. In Folge dieses Erbschaft«-Rechtes wird bisweilen ei» Ki»d von 12 bis 15 Jahren als Bischof ordinirl. Die Geist lichen sind sehr unwissend und solle» zum Theil kaum lesen kön nen. Die christlichen Kurden haben in dem Kriege mit den Tür ken keine Rolle gespielt. Die übrige Bevölkerung bekennt sich zur Sekte des Ali; allein der Islam ist bei ihnen mit vielen abergläubischen Be griffen vermeng«, die zum Theil noch aus der Religion der Ma gier stammen mögen. Sie haben keine Moscheen, sie beten nicht in den vom Koran festgesetzten Stunden, fasten nicht im Rama- san und machen niemals die Pilgerfahrt nach Mekka. Bekanntlich sind die heutigen Kurden die Nachkommen der Karduchier Tenophon'S. Der Führer der Zehntausend berichtet uns, vie Karduchier hätten dem großen Könige und den Waffen seiner Satrapen immer Troy geboten. Diesen Geist der Empörung und Unabhängigkeit haben ihre Enkel treu bewahrt. Der Kurde Hal eine regelmäßige Gesichsbildung, in der sich , *) Au« brieflicher Mittbeilung eine« bei der Türkischen Armee am Taurus Gehenden französischen Offizier». Dat Datum des Briefe« ist der 27ste Auqu,r l«n. wilder Stolz malt. Sein Auge ist schwarz, lebhaft, verständig; sein Wuchs hoch und schlank, zuweilen ans Riesenhafte gränzend. Seine Kleidung besteht aus einem langen Rock von grober Lein wand und einer Tunika von gestreiften« Wollenzeug, die ein Strick um die Hüften festhäl«. Der Turban ende« in eine Spitze; die Füße stecken in ledernen Sandalen, die mi« Riemen über dem Knöchel befestig« sind. Die Kurden «reibe» von Kindheit an da« Waffenhandwerk; sie fechten zu Pferde mit dem Säbel, der Lanze, der Keule und Lunienflime. Der leyigenanmen Waffe bedienen sie sich im Fliehen und beim Angriff; sie feuer» i» gestrecktem Galopp, auf ihren Pferde» sich umdrehcud. Diese» Volk erträgt Beschwerde» und Entbehrungen aller Ari. Von Charakler grau sam und verräiherisch zugleich, scheuen sie keine Lüge, bei der sie ihre Rechnung finden; Mord und Plünderung sind ihre größte Lust. Sie berauben den Wanderer und lassen ihn mitten in der Wüste vor Noth umkommen. Vor dem Kriege I8Z6 fielen sie in der unmittelbaren Nähe von Diarbekr, Mussul, Malatia und Orfa über die Karawanen her. Ihre von einigen Reisenden hoch gepriesene Gastfreiheit verschwindet vor allem dem, was man ihnen hier zur Last legi. Sie empfangen den Ausländer mit großen Freundschafts-Versicherungen und berauben und mißhan deln ihn unter dem Vorwande, seine Waffen oder sein Gepäck bewundern zu wollen. Oft haben sie einem Reiter sein Pferd genommen und ihm dann eine glückliche Reise zu Fuße gewünscht. Es geziem« besonders Europäischen Reisenden sehr wenig, die vorgebliche Gastfreiheit der Kurden zu rühmen, seitdem der un glückliche Schultz, ein Deutsche«-Gelehrter, der auf Kosten der Franzöflschen Regierung nach Persien reiste, von ihnen umgcbracht worden ist. Im Jahre 182b reiste Schultz auf seiner Rückkehr aus Per sien durch Kurdistan. Er war von einem Bedienten und sechs Soldaten begleite«, die ihm Aslar-Chan, damals Statthalter einer Persischen Provinz, milgegeben haue. Der Deutsche Rei sende und sein Gefolge wurden von Kurden, die sie angeblich be schützen wollten, unbarmherzig niedergemacht. Armenische Bau ern, welche die Leichname dieser Unglücklichen einscharren mußten, brachten Aslar-Chan die Nachricht von ihrer schmähliche» Er mordung. Die Effekten und Papiere de» Reisenden blieben zum Glücke unversehrt und wurden an die Französische Gesandtschaft nach Konstamiiiopel geschickt. Der Kurde macht sich schon deshalb kein Gewissen daraus, Blut zu vergießen, weil er, gleich dem Beduinen, ieden Mord mit einem Pferde, einem Ochsen, zwei Schafen, oder mit Ver- heiraihung seiner Tochter an eine» Verwandle» des Erschlagenen sühnen kann. Im letzterwähnten Falle muß das Mädchen jedoch auf die Milgabe verzichlen, die sie, der Sine gemäß, von ihrem Brämigam erhallen sollie. Die Kurdische Frau ist eine wahre Amazone; sie rcilel sehr gut und übt sich in den, Waffen, wie der Man». Ihr Wuchs ist schön, aber das von der Sonne verbrannte Gesicht Hai keine Reize. Sie geht unverschleiert. Ihr ganzes Kostüm besteht aus einer Robe von grauer Leinwand, die an der Brust offen ist. Ihr langes Lockenhaar fällt auf die Schultern herab. Um den Kops windet sie ein leichtes gelbes Tuch; die Füße sind ohne Hülle. Jenseil Mardin, zwischen Nisibin (dem Anihemufia der Griechen) und Mussul, erstreckt sich das Land Sindschar-Oagh (Keiien-Berg), so genannt von einem Höhenzuge, der die Mesopotamische Ebene im Süden von Mardin schneidet. Man kenn« den Sindschahr-Dagh auch umer dem Namen Dschinnistan (Region der Gemen). Dieses Land Hal Ueberfluß an Quellen und vonrefflichen Weiden. Die Aprikosen, die Feigen und Wein- irauben von Sindschar sind in ganz Kleinasien berühml. Diese Gegend ist auch der einzige Slnch Mesopolamiens, welcher Dai- >eln hcrvorbringl. Sindschar wird von den Jesidi's bewohnt, einem kriegerischen Nomaden-Volke, mit welchem Hafiz Pascha ebenfalls Krieg ge führt Hal. Die Zahl der Individuen mag ungefähr 2«)t>,voo be< »ragen. Mehrere Reisende haben von der sellsamen Religion diese« Volke» gesprochen, aber Keiner Hai elwas Vollständiges hierüber milgelheill. Ich für meinen Theil will mir nicht anmaßen, Ihre Neugier besser befriedigen zu können, als frühere Reisende ge- lhan. Die Jesidi's halten ihre Glaubens-Ariikel sehr geheim,