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und man erfährt nur mit vieler Mühe etwas Zuverlässige« in Beireff derselben. Dennoch ist ein Theil ihrer religiösen Ge bräuche den Nachbar-Völkern bekannt geworden. Ich habe mich bestrebt, wenn es irgend anging, nur die unierrichieisten Leut« zu befragen, und werde Ihnen jetzt Alles mittheilen, was mir über Herkunft und Glauben der Jefidi's bekannt geworden ist. Man hält diese Nation für einen Ueberrest jener Mardischen Kolonieen, die Arsakes V., König von Persien, nach Mesopotamien verpflanzte und von welchen die Siadl Mardin ihren Namen Hai. Sirabon, Arrian und Plinius schildern die Marder al« ein wildes, unbändiges Volk, das jener Persischen Sekie angehöne, die dem bösen Prinzips (Ahriman) huldigte; ohne Zweifel ist die Religion der heutigen Iesidi's au» dem Glauben der alten Mar der hervorgegangen. (Schluß folgt.) England. Ursachen des Sittenverderbens in Irland. (Schluß.) Dieser glückliche Usurpator behandelt die Irländer mit uner bittlicher Härle; denn keine Sympaihie fesselt ihn an ein Volk, das er schon als solches geringschäyl und dessen Religion ihm ein Gräuel ist. Nachdem er sie beraubt hat, untersagt ec ihnen die Mittel, sich zu bereichern; er verschließt ihnen allen Zutritt zur politischen Gesellschaft, legt ihnen im bürgerlichen Leben lau send Hindernisse in den Weg, begründe« ein regelmäßiges System religiöser Verfolgung und organisin auf diese Weise die anti- socialste Verfassung, die jemals bestanden hat. Welche Lehren der Gerechtigkeit kann man aus jener gräßlichen Tyrannei ent nehmen, die über hundert Jahre lang auf Unglücklichen lastete, deren größtes Verbrechen war, daß sie den Siegern mit ihrem Vaierlande nicht auch ihr Gewissen opferten! Glaubt man, dem Irländer gesunde Begriffe von Recht und Billigkeit beizubringcn, wenn man «ine Religion proskribirt, die er für die einzig wahre Religion hält — wenn er seine Priester, d. h. diejenigen Menschen, die ihm Goiles Stellvertreter auf Erden sind, des Landes verweisen sieht und, um den letzten Segen dieser heiligen Proskribirten zu empfangen, so behutsam als möglich zu Werke gehen muß, damit ihn nicht die härteste Strafe treffe? Es gieb« also Pflichten, die man nicht öffentlich ausüben darf; ja, diese Pflichten sind bisweilen Verbrechen, die das weltliche Gesetz bestraft. Es giebt gerechte Handlungen, die das Geseg Verbrechen nennt und die keine Verbrechen sind! Für wahr, solche moralische Begriffe müssen ihre Früchte tragen. Indessen geht die Tyrannei auf ihrer Bahn rüstig vorwärts. Eine lange Periode hindurch duldet das Volk sie mit ungeschwäch- ter moralischer Kraft; endlich werden Einzelne muthlos und grei fen nach dem einzigen Mittel, das ihre Leiden erträglicher machen, ihre 2ualen versüßen kann: sie legen ein Bekennmiß ab, dem ihr Gewissen widerstrebt — sie werden Renegaten und kommen dann ohne Schwierigkeit in den erneuerten Besitz der Recht« und Privilegien, die inan ihnen geraubt hat. Die Apostasie, weiche in den Augen des Irländischen Katholiken da» größte aller Verbrechen ist, «rsrcut sich also einer gesetzlichen Belohnung, und gleich wie es Tugenden giebt, die das weltliche Gesetz zu Verbrechen ge macht hat, so giebt es auch Verbrechen, welche die Obrigkeit zu Tugenden stempelt — eine zweite Regel der Moral, die dem armen Irländer gewiß ein mächtiger Beistand seyn wird, wenn cs Recht von Unrecht zu unterscheiden gilt! Verwirrt von allen diesen Widersprüchen, die über das Be reich seiner Fassungskraft hinausgchen, und immer Zeuge davon, wie die Gerechtigkeit und Wahrheit der materiellen Gewalt un terliegen müssen, entschließt sich der Irländer, nachzugeben; er er greift die einzigen Waffen, die dem Schwachen zu Gebote stehen — er wird hinterlistig, verlogen und, wo er die Gelegenheit fin det, gewaltihaiig. „Warum", so fragt er sich selbst, „warum sollte ich den nicht tödien dürfen, der meinen Bruder erschlagen Hail Warum bin ich nicht Herr des Boden», den meine Vorälieni besessen? Mil welchem Rechte vermißt sich's jener Mann, der sich Eigen- «hümer eines Guies nennt, das mir angehören sollte, mich aus einem Pachlhofe zu verstoßen, in welchem ich ein elende« Daseyn friste?" Und diese Logik endet zuweilen mit schrecklichen Gewaltt chaten. Aber thäiige Aeußsrungen seine» Mißvergnügens hemmt alsbald eine Versammlung seiner Feinde, die man Gerichi«hvf nennt. Diese Organe des Gesetzes nennen kapitales Verbrechen, was das emarcete Gewissen des Unglücklichen für einen Akt der Rechtschaffenheit erklärt Hai. Vor diesen Tribunale» seiner feind lichen Gebieter veriheidigt sich der Beklagte gewöhnlich mit Lü gen. Seine Landsleute muffen gegen ihn zeugen; und vorher läßt man sie feierlich schwören, daß sie nur Wahrheit sprechen wollen. Wird ihr Eidschwur aufrichtig seyn? O, gewiß nicht! In solchem Falle ist das Lügen ehrbar, und die Wahrheit schänd lich: sie legen ein falsches Zcugniß ab zu Gunsten dessen, der gleich ihnen «yrannistrl wird, und ihr Gewissen sag« ihnen, daß sie wohl gethan. Dies falsche Zeugniß erklären aber diejenigen, welche ihre Moral aus anderer Quelle schöpfen, für ein Ver brechen. Zuweilen leistet -ein einzelne» Individuum dem Gesetze offenen Widerstand; es ist dies die ohnmächtige Empörung isolirien Eiend«; ost vereinigen sich Mehrere zum Aufruhr, wie sie im Unglück vereint gewesen. Alsdann entsteh« eine-große Störung der 326 Gesellschaft; es ist nicht der Krieg des gemeinen Räuber« gegen eine Verfassung, di« er für gerecht häl«; es ist ein Krieg wider ungerechte Gesetze, von Menschen geführt, die diese Gesetze für ungerecht erklären. Zuweilen erheben sich ganze Massen der Be völkerung, wie in den Jahren 16^1 und I7i>7; alsdann schwankt der Boden selbst, und die ganze Verfassung steh« am Rande de» Abgrundes. Mögen aber die Versuche der Selbstbefreiung von Einem oder von Allen ausgehen, ihre moralische Wirkung, wenn sie ver unglücken, ist immer gleichartig. Eine tiefe Schwermuch be- meistert sich derer, die ihre Befreiung ersehn« hatten und nach fruchtloser Anstrengung ihren werdenden Glauben an menschliche Gerechligkei« wieder zerrinnen sehen; die Ketten der Tyrannei fallen mi« doppeltem Gewicht- aus ihre Schultern zurück. Die jenigen, welche bi« dahin der Verfolgung und ihrem Imereffe muchig widerstanden, fühlen die Abnahme ihrer Kräfte; ohne Zweifel hatten sie in dem ungleichen Kampfe mit vielen Lastern sich vertrau« gemach«; aber so lange Widerstand möglich war, ha««e das Pflichlgefühl obgesiegl. Jetzt Ist der Kamps beendet, und kein Band fessel, den Irländischen Renegaten ferner an das Ge rechte und Ehrbare : die Entartung ist vollendet. Nur sehr Wenige haben bis jetzt das Unglück gehabt, so ganz enlmenschl zu werden; aber vielleicht ist kaum Einer dar unter, den das moralische Verderben nicht wenigstens thcilweise berührt hätte- Die Liebe zur Wahrheit ist in Allen umergegan- gen, weil Aufrichtigkeit und Freimüihigkeil unfehlbar Verfolgun gen über ihr Haupt herbeiziehen, und weil die Lüge bei ihnen länger als hundert Jahr «ine noihwendige und legitime Waffe>ge- wesen ist. Beklaget euch also nicht, wenn ihr bei den« Irländer einen allgemeinen Abscheu vor der Wahrheit findet. Ist er bei seiner Rohheit und Unwissenheit, die ihr verschuldet habt, wohl fähig, in seinem Geiste eine scharfe Demarcaiions-Linie zwischen den Fällen zu ziehen, wo sein Gewissen ihm eine Lüge verzeihen oder nicht verzeihen kann? Wie soll er es anfange», um unter den Ver brechen, die das Gesetz als solche charakierifiri, diejenigen her auszuerkennen, die eigcnilich keine Verbrechen sind? Wie soll er umer den Tugenden, die von seinem Feinde geehrt werden, die jenigen herausfinden, die wirkliche Tilgende» und von Form und Convemion unabhängig sind? — Und gesetzt, er versuchte c« wirklich, diese oft sehr schwierigen Unterschiede zu entdecken: glaube« ihr, daß ihm in seiner Emartung »och feiner Tak« genug geblieben seyn dürft«, um da» Wahre vorn Falschen, da» Gu«e vom Schiech««» sonder» zu können? Gewiß wird er einem solchen Versuche bald erliegen: mi« der guten Absicht, seine Untugenden zu verbessern, wird er chnen «reu bleibe»; er wird zuweilen ein mal gut und rechtschaffen seyn, aber nie die Bürgschaft dauern der Rechtschaffenheit in sich «ragen, weil er die Regel der Ge< rechttgkei« und Ehrbarkeil verloren ha«. Dann und wann wird er sich versucht fühlen, die Wahrheil zu sagen; da aber sein Ge wissen ganz ohne moralischen Führer und gegen malcrielle In- «ereffen nichl gewaffnet genug ist, so greift er doch endlich zur Lüge: er lügt, weil es ihm nicht genug außer Zweifel gestellt schein«, daß die Umvahrheil im vorliegenden Falle weniger erlaubt sey, als in manchem anderen, wo ihm an der Eriaubiheil der selben kein Zweifel bleibt. Er zögert vielleicht mit blutigen Ge- waltthaten; allein er weist auch jede» Gewissens-Skrupel von sich, indem er die Analogie der projekiirien Rache niii anderen Ane» von Rache, die er immer als erlaubte Handlungen zu be trachten gewohnt war, sich vorhätt. Die Konfusion aller Prinzipien, woran der Irländer krankt, erzeugt eine starke Tendenz zur Gewaltthätigkeit, in Sie sei» Geist eine gewisse Methode bringt, die er dann auf alle vorkommende Fälle anwendei. Wer sieht nicht in dem rohen Beginnen der Whne-Boy's, in ihrem Prinzipe, sich selbst Recht zu schaffen, in ihrem Systeme der Einschüchterung, die Quelle sämmtlicher At tentate, welche noch neuerlich durch Fabrik-Arbeiter in Irland verübt worden? Ein Fabrikant nimm« vier Lehrburschen an: „das ist zu viel", sagen die Arbeiter des Fabrikanten, denen die Lehrburschen mit ihrer unentgeltlichen Arbeit Schaden «Hun; „wenn Ihr nichl wenigstens zwei derselben wieder verabschiede«, so schlagen wir Luch <odi." Bleib« diese Drohung unbeachtet, so wird das Verbrechen begangen. Dublin war im Jahre 1837 der Schauplatz «inrr Menge Gräuel dieser Ari; die armen Verblen dete», welche diese Gräuel begingen, suchen ihr ganze« Heil in der Gewaltthätigkeit und zerstören so die Industrie ihres Vater landes, die ihnen allein d«n Lebensunterhalt sichern könnte. Man hüte sich also, die sittliche Entartung eine« Volke», da» nur durch schlechte Gesetze so tief herabgedrücki worden ist, seinem Naturell beizumeffen und anzunehmen, daß ihm die Schlechtigkeit schon angeboren sey. Diese Emartgng hat übrigens nicht bloß den nationalen Ir< läirder ergriffen, sondern auf Alle, die unter seinem Einflüsse ge standen, sich «rstrcck«, zu welcher Nation sie auch gehören mochten. Ungefähr zwei oder drei Jahrhunderte nach der Eroberung hatten die Nachkommen der in Irland angesessenen Engländer schon die Sitten der Irländer angenommen, ja sie waren in moralischer Hinsicht noch tiefer gesunken — ipsw blikernu« IIil»ernmro« (Irischer als die Iren selbst), wie ein Chroniker sich ausdruck«. Wohl bemerk«, der Despotismus England» drückte die Ansiedler in eben dein Grade, wie die Urbewohner, und muß«« also zu ähnlichen Erg«bniff«n fahren. John Davi«, dessen Zeugniß die parteiischen Anhänger der Po litik England« nicht vsrdächlig machen können, behauptet, daß zu seiner Zeit — etwa vienehalb Jahrhunderte nach der Eroberung —