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354 Dann in den Wald hinein! Schöne Wege, ost promenadenartig wie an Badeorten, nur selten einmal durch herabrieselnde Berg wässer angefeuchtet, führen an den bewaldeten Berghängen hin, dann und wann unterbricht eine offene Stelle das Düstre des Waldes und erlaubt einen Blick ins Freie, Wegweiser sind an allen Wegtheilungen angebracht. So ist der Aufstieg zu dem 985 m. über dem Meere gelegenen Belchensee mit Leichtigkeit zn bewerkstelligen. Belchensee! Nach Karte und Hörensagen erwartet man einen einsamen Bergsee mit sumpfigen Ufern. Aber hatte mich früh das Lauchthal, dann die Gebirgswelt durch ihre Schönheit überrascht, so sollte der Belchensee mir unangenehme Enttäu schung bereiten! Da lag er, von hohen steilen Waldhängen rings umgeben, in tiefem Bergkessel — aber sein Ausfluß ist nicht mehr der alte: die Fabrikbesitzer von Lautenbach, Bühl und Gebweiler haben, um immer gleich volle Wasserkraft zu erlangen, durch die untere Randhöhe am See einen Stollen getrieben, ein Wasserthürmchen gebaut und entnehmen nun in trockenen Zeiten dem See das ihnen fehlende Wasser. So stand der Seespiegel jetzt tief, und die dunkelgrüne frische Flut war von häßlichen trockenen Geröllrändern umgeben. Wo hätte da eine Wasser pflanze am Ufer aufkommen können? Nur alte morsche Tannen- stümme lagen in der Linie der Flutmarke oder in den See hin ein, unter dem morschen alten Holze selbst ein zerbrochener Kahn! Außer der jungeu Froschbrut, die sich im Wasser tum melte, war kein Thier zu erblicken, nur einzelne Male hatte mich unterwegs der Gesang eines Bergfinken erfreut. Und als ich zurückkehrte, standen an einem wie es scheint ganz besonders zurecht gemachten Platze vor einer jetzt verschlossenen Hütte (in der manchmal Wein u. dgl. geschenkt wird) vier Leute aus Nim- rod's Geschlecht und übten sich im Forellenschießen; in seltsamem Kontrast zu ihnen standen drei Nonnen in ihren schwarzen Ge wändern mit weißen Kragen und Hüten, die indessen bald — ich weiß nicht wohin — verschwanden. Auch der Große Belchen (6tru»ä Lallou, Lalla» llo 8outt2 oder Gebweiler Belchen, 1426 >».) sollte mich enttäuschen. Der Aufstieg vom See geht steil im Walde hinauf; wir hatten nicht rückwärts gehen wollen, um den bequemern Weg wieder zu erlangen. Nach tüchtigem, mühsamem Steigen traten wir endlich auf einen Wiesenplan, der sich zwischen dem Fuß des Großen Belchen im Osten und des Storchenkopfs (1363 i».) im Westen ausbreitet und dessen dürftiger Flora die Kühe noch mehr zugesetzt hatten. Hier trennten wir uns, meine Begleiter gingen nach St. Amarin hinab, ich wendete mich links dem Berggipfel zu, längs einer chklopischen Mauer, die gerade die Wasserscheide bildet. Durch hartes, vom Frost wie von den Herden beschädigtes Buchengebüsch führte der Weg oder besser gesagt die Richtung steil bergan, bis die Waldregion ihre obere Grenze erreicht hat und die subalpine Region beginnt. Aber welche Armut an Pflanzen gegenüber dem doch niedrigern oder gleich hohen Kamme des Riesengebirgs! Rosa alxioa und Ros» lllloa in niedrigen Büschen zwischen Felsblöcken, eine kleine >Vnäro8uo6, zwei Anemonen (der bekannte „Teufelsbart" dar unter), Viola lute» und Ran»»«»!»» aureus gleich häufig, Heide, kurzes Gras, Heidelbeerkraut und niedriger Cytisus — das war fast alles, von Orchideen oben nur Orellis Zlollosa und Lsrist^Ius allla, von Doldenpflanzen nur die Bärwurz (Lleum atllama»- tieuin) und der Biberuell (Lii»i»»6lla 8axi1rg.As.); etwa noch ein Alpenvergißmeinnicht, ein Hungerblümchen und ein Nllssium — das war alles was mir auffiel. — Leider war auch das Wet ter zur Aussicht heute sehr ungünstig. Noch ehe ich an die Steinmauer oben au der Wasserscheide kam, hatten die Wolken schichten sich gesenkt, ein frischer Südwest trieb immer schwerere Haufcnwolken heran. Hin und wieder erlaubten die Zwischen räume der Nebelmassen den Blick in die Tiefe: das reizende i Thalsystem der Thur mit seinen freundlichen, heiteren Städten und Flecken, wie Moos, Weiler, Bitschweiler (nicht aber das hinter Bergen versteckte Thann), und den umgebenden bunten ! Feldern, wie weiter hinaus die Niederung der burgundischen ^Pforte mit Altkirch, Damerskirch, Pfirt waren nur zu Zeiten sichtbar; ein kurzer Blick nur war mir auf die Kette des El- j sasser Belchen (Lallo» äs OiromaA»;- oder Lullou ä'Vlsaos) und des Roßbergs gestattet — vom Jura und den fernen Alpen natürlich heute keine Spur! Nach Norden und Nordwesten war die Gebirgswelt eine Zeit lang offen, und der Hoheneck trat über den übrigen meist bewaldeten Bergmassen hervor, bis auch diese Höhen sich mit dichtem Wolkenschleier überzogen. Der Blick auf die weite Rheinfläche von Breisach und Freiburg auf- !würts bis Ensisheim ist herrlich: wohl nirgends treten die Ge gensätze zwischen Gebirge und Ebene so scharf hervor — aber heute fehlte die Klarheit der Beleuchtung und vor allem die j Begrenzung der Ebene durch den Schwarzwald, denn auch dieser ! hatte seine Häupter, den Feldberg, den Belchen, den Blauen, ! in Wolken versteckt. So war denn meines Bleibens auf dem ziemlich breiten, von Süden nach Norden gestreckten kahlen Gipfel nicht lange. Ich stieg jetzt gerade nordwärts zum See hinab, zuerst auf kah lem Rasen und über Gestein, dann durch das niedrige Buchen gebüsch, dann durch frischen aufstrebenden Wald von Buchen, Tannen und Fichten. Unter dem Rollen des Donners, doch noch ohne Regen kam ich, die letzten entwaldeten mit Adlerfarn und prächtig blühendem rothem Fingerhut bedeckten Abhänge kreuzend, in der" I gastlichen Hütte von Roll an. Hier tummelt sich manchmal ! Sonntags die fröhliche Jugend von Nah und Fern und belebt den im Freien erbauten hölzernen Tanzboden. Heute freilich war außer einer am Kehlkopf leidenden ältern Dame, die zur Herstellung ihrer Gesundheit ins Gebirge geschickt worden war und bei dem rauhen, regnerischen Wetter sich mit ihrer Tochter sehr eingezogen halten mußte, kein Fremder zu sehen noch zu hören. Am folgenden Morgen schien sich das Wetter leidlich ge stalten zu wollen, wenn auch der Belcheu sein Haupt in Wolken versteckt hielt und ich einen weitern Ausflug auf den Hoheneck und hinüber nach den Seen von Retournemer und Longemer, den ich auf meinem Reiseplan stehen hatte, aufgeben mußte. Doch eben als ich aufbrechen wollte, begann ein neuer Regen guß und begleitete mich den ganzen Weg: zuerst die beliebten Treppen der Schlittenwege hinunter, dann im wilden WaldHauge ! bei den sogenannten Burgruinen von Hussern hinab, von wel- ! cher Burg man freilich kaum noch die Grundrisse erkennen kann, so vollständig ist sie zerstört — dazu ist sie mit Wald über wachsen, so daß man ihr Vorhandensein ohne die wiederholt an den Bäumen angebrachten Wegweiser kaum ahnen würde. Die mehrfach genannten Schlittenwege sind immer von den großen Holzkäufern mit dicht geringen Kosten angelegt worden; in deutschen Gebirgen, wie namentlich im sächsischen Erzgebirge, findet man die Herstellung zahlreicher guter Kunststraßen für besser; der Mehrbetrag der Kosten wird sicher durch vollständige Ausbeutung des HvlzeArags gedeckt. Auch befremdete mich, daß jede der zahlreichen Schneidemühlen unten im Thale der Lauch, die doch mit ansehnlicher Wasserkraft arbeiten, immer nur ciu einziges Sägeblatt im Gange hat, während die sächsischen und böhmischen Schneidemühlen des Gebirges, wie in Karlsfeld, Silberbach, Schwederbach, meist mit fünf bis sechs nebencinan- dergestellten Blättern arbeiten und daher in gleicher Zeit eine weit größere Menge Breter liefern können. Es war Nachmittag, als ich, noch von manchem Regen schauer getroffen das frische grüne Thal der Lauch durchschritten hatte und wieder in dem belebten Gebweiler ankam. Die britischen Kolonien in Australien. Der australische Erdtheil setzt der europäischen Kolonisation nicht geringe Schwierigkeiten entgegen. Aber es ist interessant zu beobachten, wie der Mensch mit den Hilfsmitteln, die ihm Wissenschaft und Technik an die Hand geben, nnd mit der Be harrlichkeit, die nicht nachläßt, wo sie des endlichen Erfolges gewiß ist, auch das unentwickeltste Ländergebiet der Erde sich dienstbar zn machen versteht. Die Eingeborenen freilich, Men schen von geringer Begabung, sind so unentwickelt geblieben wie das Land, in welchem sie Hausen und in welchem sie, ihrer Heimstätte und Ruhe beraubt, allmählich uutergehen. Auch die