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langsam wächst, gegen oder über ein Jahrtausend alt sein. Dieses Olivenwälder ziehen sich an den Hängen der Sierra und in deren Thalgründen bis über 500 in. empor, wo sich dann die Jmmergrün- eiche unter die Oelbäume zu mengen Pflegt. Oberhalb der Wald grenze sind die schroffen, felsigen Berglehnen ost noch mit einem reichen Strauch-und Kräuterwuchse bedeckt, und erst von etwa 1200 m. Seehöhe an erscheinen, wenigstens von der Ferne, die mächtigen in den kühnsten Formen emporsteigenden Felsenhäupter nackt, je nach der Beleuchtung bald grauweiß, bald duftig blau, bald von rosigem Schimmer umwoben. In solch duftigem Blau prangten die Bergriesen an jenem Nachmittage, wo ich am Strande von Alcudia zum ersten Male den Boden Mallorca's betrat. Eine Tartane brachte uns — ich reiste in Begleitung einer Tochter und eines deutschen Universitätsprofessors, ebenfalls Botanikers — rasch nach der genannten Stadt, welche etwa 3/4 Stunden von dem Landungsplätze, wo sich das Zollhaus befindet, entfernt ist. Alcudia liegt im Schoße einer weiten, höchst sorgsam angebauten, durch Norias bewässerten, mit einem Wald von Frucht-, namentlich Feigen- und Mandelbäumen bedeckten und mit vielen Caserios (Bauernhäusern) bestreuten Ebene, welche sich vom Strande der Bai von Alcudia bis zu dem der Bai von Pollenza hinzieht, und gegen O. von der isolirten, aus malerischen Felskegeln bestehenden Küstengebirgskette des Puig de la Victoria, gegen W. von niedrigeren, ebenfalls sehr schroff ansteigenden Bergreihen, den Vorbergen der eigentlichen Sierra, begrenzt ist. Alle diese Berge sind — und das gilt von den meisten nicht bewaldeten und nicht angebauten Bergen und Hügeln Mallorca's — hoch hinauf mit meist aus immergrünen Sträuchern zusammengesetztem Gebüsch bedeckt, weshalb sie in der Nähe einen sehr anmuthigen Anblick gewähren, aber wegen ihrer Steilheit mühsam wenn auch gefahrlos zu ersteigen. Je reizender die „Huerta" von Alcudia ist, desto häßlicher und finsterer ist die Stadt selbst. Sie ist ehedem die zweite Stadt Mallorca's gewesen und immer noch nächst Palma die einzige „oiuäaä" der Insel, aber seit Jahrhunderten immer mehr herabgekommen, wozu die Ver pestung der Atmosphäre seitens der benachbarten, nunmehr großen- theils trocken gelegten Lagunen nicht wenig beigetragen hat. Sie war lange Zeit eine Festung nnd ist noch von nach dem vau- ban'schen System errichteten Wällen, Gräben und Bastionen um ringt, aber längst als Festung aufgegeben. Die zerbröckelnden, stellen weise geborstenen Festungsmauern und verfallenen Thore und die mit Schutt und herabgefallenen Steinen erfüllten Gräben, in denen Ziegen grasen oder Schweine sich herumtummeln, machen einen traurigen Eindruck. Noch häßlicher ist das Innere der fast ganz verödeten, übrigens nicht großen Stadt, in welche man durch drei hochgethürmte, noch mit Fallgittern versehene Thore gelangt. Die Gassen sind eng, winklig und schmuzig, die Häuser meist klein und ärmlich, die größeren Gebäude vom Alter geschwärzt und düster, der Konstitutionsplatz und das Rathhaus lächerlich klein,- nur die Kirche ist sehr groß, sieht aber von außen auch ruinenhaft aus und macht, da sie nur einen niedrigen abgeplatteten Thurm und bloß ganz kleine Fensteröffnungen besitzt, eher den Eindruck eines Maga zins als eines Gotteshauses. Dem Ansehen der Stadt entsprach natürlich auch die Posada, in welcher wir eingekehrt waren, doch hatten wir schon hier Gelegenheit, das freundliche Entgegenkommen, die Ehrlichkeit und Uneigennützigkeit der Mallorquiner kennen zu lernen. Nach zweitägigem Aufenthalte verließen wir Alcudia und fuhren in einer Tartane nach der 49 Kilometer entfernten Hauptstadt. Beide Städte sind durch eine prächtig gebaute und gut unterhaltene Chaussee, welche fast geradlinig erst die Vorberge der Sierra, dann den Llano durchschneidet und mit steinernen Leguassäulen, sowie auch mit erst neuerdings gesetzten Kilometersteinen versehen ist, ver bunden. Streckenweise ist diese Straße mit Pappeln, Ulmen und Zedrachbäumen (Nolia ^ockaraeb), welche eben mit großen Ris pen goldgelber Früchte geziert waren, bepflanzt. Bei schönem Wetter muß eine Fahrt von Alcudia nach Palma ein wahrer Hochgenuß sein wegen der wechselnden Gebirgsansichten der malerischen, immer zur Rechten bleibenden Sierra; an jenem Tage regnete es leider fast ununterbrochen, weshalb der obere Theil des Hochgebirges von den tiefstehenden Wolken verhüllt war. Nichtsdestoweniger war auch damals die Fahrt sehr unterhaltend, denn das Land, durch welches die Straße führt, gleicht, soweit man sehen kann, einem Garten. Fette Weizensaaten und Puffbohnenfelder, mit hineingepflanzten Fruchtbäumen aller Art (Orangen ausgenommen!) wechseln unauf hörlich mit Mandel-, Feigen- und Oelbaumpflanzungen ab, rechts und links erblickt man malerisch gelegene, freundlich aussehende, von meist hohen Kirchthürmen überragte und von Fruchtbaumwäldern umringte Ortschaften, zu denen breite chaussirte, gut gepflegte Fahr wege von der Hauptstraße aus führen und an dieser selbst liegen in geringen Entfernungen Ventas und Weinkneipen, vor denen sich immer ein munteres Volksleben abspielt. Wir machten Mittag in Jnca, einer großen, volkreichen „Villa" und zugleich Bezirkshaupt stadt, wo eben ein Jahr- und Viehmarkt abgehalten wurde. Jnca liegt zwar eben, aber ganz nahe dem Fuße der Sierra, die hier mit grotesk geformten Felsenbergen beginnt; die Umgebungen sind sehr schön, nicht mir wegen des trefflichen Anbaues, sondern auch wegen der vielen Quintas (Landhäuser) von sauberem Aussehen, welche die Huerta zieren. Aber das Innere der Stadt besteht ebenfalls aus engen, schmuzigen Gassen, und haben die Häuser die selbe graugelbe oder schwärzliche Farbe, wie in Alcudia. Auf den Plätzen und Gassen der übrigens gut gebauten Stadt ging es sehr lebhaft zu. Es wurden namentlich viele Schafe zum Verkauf aus geboten, denn der folgende Tag war der Gründonnerstag, und da, wie überhaupt zu Ostern, muß jede mallorquinische Familie wenig stens ein Osterlamm haben. Je mehr wir uns Palma näherten, desto mehr Schafherden überholten wir, die nach der Stadt getrie ben wurden und auch dort sah man in fast allen Gassen Schafe und Lämmer feil halten, weshalb allenthalben — selbst noch am Char- freitage — das Geblöke von Schafen ertönte. Die gekauften Schafe und Lämmer werden festlich mit bunten Bändern und Blumen ge schmückt und — meist von Kindern — an Stricken nach Hause ge führt, um dort geschlachtet zu werden. Von Jnca bis Palma geht die Straße fast immer sanft bergab und passirt 3 Ortschaften, unter denen Santa Maria mit stattlicher Kirche die größte und hübscheste ist. Rechts bleibt, bald hinter Jnca, am Fuße des Gebirges, die Villa Benisalem, woselbst der beste, dem Sherry sehr ähnliche „Weißwein" (er ist aber maderabraun!) der Insel wächst. Hinter Santa Maria nehmen die zerstreuten Quintas und Caserios, welche die anmuthige Landschaft so reizend beleben, an Zahl immer mehr zu und verkünden die Hauptstadt, deren Thürme auch bald sichtbar werden. Zur Rechten erblickt man eine niedrige, bewaldete, malerische Sierra (die Sierra de la Burguesa, welche, sich vom Haupt gebirge abzweigend die Bai von Palma gegen Nordwest umwallt) und an deren unteren Hängen zahllose Quintas, darunter manche schloßähnliche Gebäude in edlerem Stile. Nach Überschreitung eines wasserarmen Flusses auf hochgespannter Brücke sahen wir bald die Festungswälle von Palma vor uns, denn auch diese Stadt ist von solchen umringt und gilt noch jetzt für einen Waffenplatz ersten Ranges. Durch die Puerta de S. Antonio fuhren wir in den obern und ältesten Theil der Stadt hinein, welche, ein Gewirr enger Gassen mit hohen Häusern, keineswegs einen freundlichen Eindruck macht und den maurischen Ursprung der Stadt unschwer erkennen läßt. Der untere, neuere, nach dem Hafen sich hinab ziehende Theil enthält breitere Straßen und viele schöne im edlen Stil erbaute Häuser. Die ganze Stadt ist mit Gas beleuchtet. Ich will mich hier bei einer Schilderung der Hauptstadt der Balearen nicht aufhalten, sondern meine Leser lieber in die Gebirgs gegenden Mallorca's führen, welche unbedingt die schönsten, inter essantesten und für den Aufenthalt angenehmsten der ganzen Insel sind. Nur soviel sei bemerkt, daß Palma ein bedeutender Handels und Hafenplatz ist, welcher einen vortrefflichen, auch großen See schiffen zugänglichen und daher sehr besuchten Hafen besitzt, daß die Einwohnerzahl in stetem Zunehmen begriffen ist und gegenwärtig fchon an 60,000 Seelen beträgt, daß die amphitheatralifch im Hinter gründe der Prächtigen Bai emporsteigende, reizend gelegene, auf der Landseite von einer weiten, fruchtbaren Huerta umgebene Stadt viele sehenswerthe monumentale Bauwerke besitzt, unter denen die hart am Meeresgestade auf einem felsigen Vorsprunge thronende, aus dem Häusermeere hoch ausragende Kathedrale, ein gothischer Prachtbau aus dem 13. Jahrhunderte, der dicht daneben und über der eleganten Alameda gelegene, ursprünglich maurische Palast der alten Könige von Mallorca, und die am Hafen stehende Lonja, die ehemalige Börse, die bemerkenswerthesten sind, und daß ein der Landessprache kundiger Fremder wegen der Liebenswürdigkeit, Gast- sreiheit und seltenen Bildung der den höheren Ständen angehörenden Bewohner, in deren Häuser man leicht Zutritt erhalten kann, in Palma — wenigstens während des Winters, wo auch der mallor quinische meist sehr begüterte Adel in der Hauptstadt lebt — einen der 1»