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Unreinlichkeit des M'Pongwe. Die einzige Thür führt in das gemeinsame, einzige Zimmer, das außer den schon erwähnten un vermeidlichen Koffern, ein paar Sesseln, europäischem Tischgeschirr nur eine oder zwei breite aus Palmenzweigen geflochtene Lagerstätten aufzuweisen hat, die als Sitz und Bett zugleich dienen. Man findet auch gewöhnlich beim Eintreten den Hausherrn darauf ausgestreckt, rauchend oder schlafend. Er wird uns mit einiger Freundlichkeit begrüßen und uns einen Platz anweisen. Ist er freilich Häuptling, so bleibt er würdevoll mit untergeschlagenem Beine sitzen und winkt uns nur mit der Hand an seine Seite. Doch eine Pfeife Tabak er obert sein Herz, und für Brantwein verkauft er seine Familie. In seiner Abwesenheit begrüßt uns seine Hauptfrau — das ist die erste der Zeit nach, die er geheiratet, und er hat ihrer so viele, als es seine Mittel erlauben. Sind wir so im Hause eingeführt, bleibt es uns nun vollständig überlassen, uns die gesamten übrigen Bewohner zu betrachten, die um den Herd versammelt sind, denn diese kümmern sich in keiner Weise um uns, und fahren ruhig in ihrer Arbeit fort. Da putzen ein paar Weiber, die Pfeife im Munde, Bananen und Jamswurzeln, bereiten Maniok oder schlitzen mit ihren Messern lange Ananasblätter, die ihnen Fäden liefern, andere reinigen ihre Ringe und Spangen mit Citronensaft, und da liegt eine der Länge nach auf dem Boden ausgestreckt und läßt sich von einer anderen, auf deren Knien ihr Kopf ruht, kämmen und poma- disiren. Dazwischen balgen sich Kinder, und das schon der Muskitos wegen nie ausgehende Herdfeuer, an dem Fleisch und Fische geräuchert werden, Thierfelle trocknen, Kochtöpfe umherstehen, verbreitet feinen Rauch in der Hütte. Die auffälligste von den in der Hütte wahr genommenen Beschäftigungen ist das Frisire^ Es ist dies aber auch keine Kleinigkeit und erfordert einen ganzen Tag Arbeit; ist indeß der kunstvolle Bau einmal fertig und mit einem eigenthümlichen rothen Pulver bestreut, das unter anderem zerriebene Vanilleblätter enthält, so hält er auch mindestens vierzehn Tage. Thurmartige, manchmal außerordentlich hohe Frisuren tragen die verheirateten Frauen, junge Mädchen tragen sich einfacher gescheitelt. Die M'Pongwe nnd alle die anderen Völkerschaften haben Vielweiberei, was wohl in der großen Ueberzahl der weiblichen Geburten und in dem frühzeitigen Verblühen der Weiber eine Er klärung findet. Das letztere hängt freilich auch mit dem frühzeitigen Heiraten zusammen. Hier sieht man zehnjährige Bräute, vier zehnjährige Mütter, zwanzigjährige Matronen. So sind denn auch alle die Weiber, die wir in der Hütte sehen, die Frauen unsers Wirthes. Die erste von ihnen, die Hauptfrau, genießt einige Vor rechte, sie braucht wenig zu arbeiten und regiert das Hauswesen, auch hat sie die, wie das manchmal vorkommt noch als Kinder ge kauften, zu neuen Frauen bestimmten Mädchen zu erziehen. Gekauft müssen sie werden, die Heirat ist ein Handelsgeschäft, und das in doppeltem Sinne, denn oft gilt es im neuen Schwiegervater einen werthvollen Geschäftsfreund zu erlangen, und ist ein M'Pongwe ein einigermaßen bedeutender Handelsmann, so sieht er, daß er in allen wichtigeren Ortschaften, mit denen eine Handelsverbiudung er wünscht ist, sich einen Schwiegervater erwirbt. Kann man nicht Handels einig werden, so gibt es Zauberformeln und wunderbar Wirkende Trünkchen, nnd soll besonders die Pflanze Odepu, eine hübsche Leguminose mit rothen Kernen und süßen Blättern, die Kraft besitzen, die Herzen der Schwiegerväter zu erweichen. Manch mal tauscht ein M'Pongwe gegen seine Schwester sich die Tochter des andern ein. Die Franen haben kein beneidenswerthes Loos. Die Hauptfrau allenfalls ausgenommen, sind sie nichts andres als Sklavinnen, auf denen die Hausarbeit ruht und das Bestellen der Pflanzung, während der Gatte raucht oder schläft. Ja, die Stelle der Lastthiere müssen sie vertreten, da solche nicht am Orte sind. Bilden sie zur Zeit ihrer kurzen Jugendblüte einen Luxusartikel, so gelten sie auch als ein Kapital, das zu schnödem Handelsgewinne ausgebeutet wird. Der M'Pongwe versetzt seine Weiber gegen Waarenvorräthe, und wurde er im Handel von einem betrogen, so entschädigt er sich, indem er sich dessen Frau holt. Trotz dieser ge drückten Stellung hat die Frau doch auch einige Entschädigung, in gewissen delikaten Fällen schützt sie die Volkssitte vor der Strafe des Gatten, und geht es ihr zu schlecht, so kanu sie zu ihren Eltern fliehen, die sie nur gegen namhafte Geschenke wieder herausgeben; auch beim Häuptling kann sie sich unter Umständen ihr Recht holen. Wenn gesagt wurde, der M'Pongwe sei faul, so soll das heißen-, er thut eben nur das, was unbedingt nöthig ist, und macht sichs dabei so bequem als möglich. Er treibt etwas Fischerei, und zwar, Aus allen Weltlheilen- VI. Jahrg. bevor ihm von den Europäern der Gebrauch der Netze gelehrt wurde, die aus Ananasfasern gefertigt und mit einem Seil aus Hibiscus- fasern (Evonus) eingefaßt sind, nach der bequemsten Methode von der Welt, die man freilich nur in kleinen Wasserbassins ausüben kann, wie sie das zurücktretende Meer an der Küste zurückläßt. Es gibt dort nämlich eine Liane Onono, und eine gelbblühende Legu minose Jgongo, — sie wird auf den Pflanzungen gebaut und kam jedenfalls beim Einwandern mit aus dem Innern: — die Blätter dieser Pflanzen werden, ein paar Hände voll, ins Wasser geworfen, und sie wirken so betäubend, so giftig, daß alsbald die Fische herauf kommen und sich ergreifen lassen, ohne gleichwohl durch das Gift ungenießbar zu werden. Bekanntlich findet sich eine ähnliche Art der Fischerei auch anderwärts. Nächst der Fischerei beschäftigen sich die M'Pongwe mit dem Handel von Landesprodukten, wie Santelholz, Ebenholz, Elfenbein, die aber weiter aus dem Innern kommen und durch sie als bloße Zwischenhändler den landenden Europäern zugeführt werden. Sie wissen diese Stellung zu behaupten, indem sie den Bewohnern des Innern die frechsten Lügen über die Europäer aufbinden, und ihnen so alle Lust benehmen, unmittelbar mit diesen in Verbindung zu treten. So wandert die Waare durch viele Hände, und so wird sie, da jeder seinen Gewinn haben will, immer theurer, bis sie zum Abnehmer gelangt, und so wird umge kehrt der dafür erhaltene Lohn, der gemeiniglich nicht in Geld, sondern in verschiedenen europäischen Tauschartikeln besteht, auf seinem Rückwege zum Produzenten immer kleiner und kleiner. Die Händler in den Gabonschen Faktoreien lassen sich nicht so leicht be trügen, da sie ansässig sind und warten können, der landende Schiffskapitän aber, der nicht so viel Zeit zu verlieren hat und nehmen muß, was er erhält, um jeden Preis, daß er nur fortkommt, er wird regelmäßig aufs frechste betrogen. Man sollte nun denken, bei so trügerischem Handel müsse der M'Pongwe reich werden. Er würde es auch, wenn er nicht gar so träge wäre, und wirklich flei ßig Geschäfte machte; zudem verausgabt er auch den Gewinn als bald wieder, kauft sich noch mehr Weiber, kauft Sklaven und ruht aus. Diese Sklaven nehmen übrigens keine so gedrückte Stellung ein, als man meinen sollte, und gelten im allgemeinen als Familien glieder. Freilich sind die M'Pongwe sehr abergläubisch und glauben an Gift und Zauberei; da trifft sichs denn mitunter, daß der Sklave als Sühnopfer der religiösen Verirrung seines Herrn dienen muß. Sie stammen aus dem Innern, besonders von den Ufern des Ogowai, und sind theils den Portugiesen abgekauft, bis zu denen sie ans Nußdelta herabgekommen waren, theils direkt durch die Wälder ge bracht; früher waren auch Pahuin und Bakali unter ihnen, bei der Nachbarschaft jener Stämme waren sie aber doch ein zu gefähr licher Besitz und die M'Pongwe hielten es für besser, sie bei den Portugiesen abzusetzen. Zweifelsohne kommt folcher Handel noch immer vor, ohne daß es die Franzosen bemerken. Sind aber die M'Pongwe auch gegen ihre Sklaven in ihrer Art human, so können sie doch Kindern aus der Ehe mit Sklavinnen nicht die Rechte der Ebenbürtigkeit einräumen, sie setzen ihren Stolz darein, reiner Ab stammung zu sein, keine Sklaven oder Buln unter den Vorfahren zu haben, — was freilich nur bei wenigen Familien der Fall ist. Jede Ortschaft hat ihren Häuptling oder König, wie er sich ohne weiteres nennt, der indeß gleich seinen Unterthanen Handel treibt. Bon Bedeutung sind im ganzen Lande nur zwei oder drei dieser Herren, sie üben auf die anderen eine Art moralischer Ober herrschaft aus. Sie werden durch Abstimmung der Einwohnerschaft gewählt, wobei es ehemals sehr wild zugegangen sein soll. Einer der mächtigsten M'Pongwe-Häuptlinge, der in den 60er Jahren noch regierte — ob er noch lebt, ist nicht bekannt — war der greise König Denis, ein allgemein geachteter Patriarch, der sich den Eng ländern und Franzosen vielfach gefällig erwiesen, und deshalb auch den Orden der Ehrenlegion und einige Medaillen erhalten hatte, auch zahlreiche Uniformröcke, mit deren fleißigem Wechsel er bei festlichen Gelegenheiten gern prahlte. Dieser Mann sprach mehrere europäische Sprachen und ließ die Kinder seiner zahlreichen Weiber in der katholischen Mission unterrichten — blieb aber selbst Fetischdiener. Fetischdienst ist die Religion dieser Menschen. Allerdings nicht in dem strengen Wortssinne, als beteten sie unbelebte Gegen stände an, ohne ihnen einen symbolischen Werth beizulegen, sie glauben vielmehr an böse Geister und fürchten sich vor den Seelen der Verstorbenen. Mögen sie nun auch den „höheren Wesen" eine greifbare Gestalt geben, eine Sp^r^n Glauben an eine über natürliche Welt haben sie doch. 2